Durch das Chentii-Gebirge und die Wüste Gobi - Teil 4
Von Peter Hürzeler
Montag 25.9.2023Die Nacht war so so la la. Leider war die Strasse deutlicher zu hören als wir das erhofft hatten. Der Verkehr auf der Bahn war aber auch nicht ganz ohne und teilweise hatte man das Gefühl, dass der Zug jetzt dann gerade durchs Zelt kesselt. Gegen 7 Uhr waren wir dann alle wach. Es war bedeckt und so hatten wir einzig Eile beim Abbrechen der Zelte, da es gerade begann zu tröpfeln. So haben wir die Zelte schnell provisorisch Zusammengepackt und ins Auto geschmissen und waren bald auf Achse weiter in Richtung Süden. Hinter Airag kam die Wolkengrenze dann schnell näher und da wir auch einen Zug überholt hatten, stellten wir uns dann kurz vor Sainshand mal eben an die Strecke. Es war zwar nach wie vor flach hier, aber es hatte zwei grosse Kurven, so dass es zumindest mit der Drohne was geben sollte. Auch hatten wir hier die Möglichkeit nochmals kurz die Zelte zu stellen und trocknen zu lassen.
Bevor der Südfahrer kam, war aber noch der Baudienst an der Reihe. Vor unserer Nase wurden Schienen abgeladen. Während da bei uns mit Spezialwagen mit Kränen gearbeitet wird, funktioniert das hier viel einfacher. Am einen Traktor ist ein Seil befestigt, welches in die Schiene eingehängt wird. Danach wird die Schiene ab dem Wagen gezogen, knallt auf den Boden, Seil ausgehängt und DGKu wieder an den Zug gehängt und weiter geht es zur nächsten Abladestelle. Das Ganze wird untermalt durch ein Gehupe bei jeder Aktion. Köstlich anzusehen war es:
Der Bauzug verschwand dann in Richtung Norden. Wir gingen davon aus, dass wohl im nächsten Bahnhof der gesichtete Containerzug gekreuzt wird. So war es dann auch, tauchte er doch etwa eine Viertelstunde später bei uns auf:
Wir hatten zwischenzeitlich die nun trockenen Zelte versorgt und konnten so im Anschluss gleich weiter. Via die Umfahrungsstrasse zogen wir gleich an Sainshand vorbei und machten uns auf den Weg in Richtung Zamiin-Uud. Zwischen Sainshand und Zamiin-Uud wird die Strecke interessanter, da hier der Cagaan Khad Pass zu bezwingen ist. Es ist dies der steilste Streckenabschnitt der Transmongolischen Bahnstrecke. Man muss sich das aber nicht gerade als Bergstrecke wie in den Gebirgen bei uns vorstellen, sondern eher wie einige zu bezwingende Geländekanten in der ansonsten gefühlt flachen Landschaft. Trotzdem: Mehrere solcher Geländekanten versprechen im ansonsten unspektakulären Gelände immerhin erhöhte Fotostandpunkte, dazu wird es auch kurviger. Die Frage ist aber auch hier: wie gelangt man zu den entsprechenden Punkten, denn die Hauptstrasse nach Zamiin-Uud ist nur punktuell in der Nähe der Bahn. Es gibt zwar einzelne Ortschaften die mit Stichstrassen erschlossen sind, aber weite Teile sind gefühlt nicht einfach so zugänglich. Via Luftbilder von Google gibt es zwar irgendwelche Linien die als Erdpisten gedeutet werden können - mal sehen ob es dann auch Erdpisten sind oder nicht eher ein ausgetrocknetes Wadi.
Egal: Vorerst fuhren wir mal die erste Geländestufe an, dort ist die Bahn gleich in Sichtweite der Strasse. Und wie wir dahin fuhren, liefen wir einem Zug auf. Es reichte gerade noch den zu überholen und sich an eine Aussenkurve hinzustellen.
Etwas ärgerlich war die Wolke die im hinteren Teil des Zuges nervte. Viele Wolken hatte es ja nicht mehr am sonst blauen Himmel, aber wir erwischten gerade mal zielgerichtet wieder eine...
Wir blieben dann gleich hier stehen, da wir hier quasi eine Zweirichtungsstelle hatten und es in beide Richtungen durchaus gut aussah. Zudem hatten wir genügend Vorwarnung in beide Richtungen. Lange warten mussten wir nicht und es kam dann was aus dem Süden. Es entpuppte sich dann (leider) als leer fahrende 2Zagal:
Der fromme Wunsch noch einem Südfahrer tauchte dann auf und so verschoben wir uns etwas mehr gegen Sainshand hin. Zumindest war das der Plan, nur kamen wir nicht allzu weit, als wir einen entsprechenden Zug in die besagte Richtung entgegenkommen sahen. Es war der Containerzug den wir heute Morgen bereits mal vor Sainshand fotografiert hatten. Wir drehten um und platzierten uns wieder an der vorherigen Stelle:
Wir beschlossen anschliessend weiter südlich was zu finden. Ziel war die kleine Ortschaft Örgön. Zumindest auf den Luftbildern bei Google sah die Gegend dort einigermassen vielversprechend aus. Zugang gab es via eine Stichstrasse rund 20km weiter südlich. Die Situation beim Abzweiger war aber recht lustig: Wir trafen auf eine geteerte Strasse die der Oberfläche nach zu urteilen ziemlich neu war. Quer über die Strasse war aber ein Erdwall aufgeschüttet. Für den normalen Mongolen kein Hindernis: einseitig war der Erdwall zusammengefahren. So benutzten wir dann auch die Strasse und nicht die parallele Erdpiste, wo uns aber immer mal wieder Lastwagen und PKW's entgegen kamen. Ca. in der Mitte der Strecke nach Örgön war dann aber erneut ein Erdwall quer über die Strasse - diesmal führten auch die Spuren dann auf die parallele Erdpiste. Und tatsächlich: noch etwas weiter sah man dann, dass die Strasse wirklich neu ist: es wurde asphaltiert. So hoppelten wir dann auf der Erdpiste die restlichen Kilometer bis Örgön. Was auf Luftbildern recht ansprechend aussah, entpuppte sich dann vor Ort als eher mässige spannende Gegend. Wir versuchten dennoch mal auf die Südseite des Bahnhofes zu kommen und fanden dort dann auch eine Kurve die man mitnehmen könnte. Es kam dann auch was: zu unserem Erstaunen der Containerzug von vorhin. Wir waren erstaunt, dass wir den überholt hatten und konnten uns das nur mit einer nicht gesehenen Kreuzung erklären:
Zug durch war für uns klar: wir wollen weiter. Versuche nördlich von Örgön was zu finden verliefen aber quasi wortwörtlich im Sand und so beschlossen wir angesichts der fortgeschrittenen Tageszeit dann zurück in Richtung Sainshand zu fahren. Bei der ersten Geländekante hatten wir zuvor mal was mögliches gesehen, was wir nun anfuhren. Vor Ort waren wir zufrieden mit der Stelle. Wir hatten sogar Signalblick auf das Vorsignal des angrenzenden Bahnhofes. Rund eine Stunde dauerte es bis dieses von gelb auf gelb blinkend wechselte. Die Bedeutung war uns inzwischen klar: der Nordfahrer geht in die Ablenkung, es gibt eine Kreuzung. Und in der Ferne konnten wir auch schon den Gegenzug erkennen. Zuerst gab es aber Bilder des Nordfahrers:
Kaum im Ausweichgleis fuhr auch schon der Gegenzug ein, von dem es dann auch einige Fotos gab:
Die Frage war nun: wie weiter. In der Gegend war nicht mehr viel anderes zu holen. Weiter in den Süden war mit Kilometer schruppen verbunden, was aber angesichts der Zeit keinen Sinn mehr hatte. So blieben wir dann gleich hier und beschlossen auch heute Abend in Sainshand zu übernachten. Etwas bitter war dann die Erkenntnis 2h später: wir hätten schon lange in Richtung Sainshand ins Hotel abdüsen können. Es kam bis zum Sonnenuntergang hin schlicht nichts mehr. So fuhren wir dann mal in Richtung Sainshand rein. Beim ersten Hotel (Crystal House) wurden wir abgewiesen. Dieses wurde scheinbar vor einiger Zeit von einer Indischen Firma übernommen und dient heute nur noch als Firmeninternes Hotel. Im Nahen Khur Govi Hotel fanden wir aber eine Bleibe für die Nacht. Essen gab es dann auch gleich dort. Anschliessend gab es noch etwas Planung für den morgigen Tag. Nebst Stellensuche war es vor Allem auch Sichtung von Kartenmaterial und Luftaufnahmen und identifizieren möglicher Zufahrtswege zu den interessanten Bereichen der Bahn. Erkenntnis: wir sind zuversichtlich die richtigen Zugangswege gefunden zu haben. So war dann bald Nachtruhe, geht es morgen doch wieder früh raus.
Dienstag 26.9.2023
Wir waren schon kurz nach sechs Uhr morgens auf den Beinen. Morgenessen fiel mal wieder aus, respektive war zu der Zeit noch nicht verfügbar. Erste Anlaufstelle war eine Tanke. Beim Überqueren der Stichstrecke in Richtung Zuunbayan sahen wir auf einem Ausweichgleis einen Bauzug mit einer CKD4B aus chinesischer Produktion herumstehen. Es gab dann auch gleich ein Foto davon. Wir nahmen an, dass der wohl im Zusammenhang mit der Streckenverlängerung von Zuunbayan in Richtung Tavantolgoi dort stand. Erster Anlaufpunkt war die Stelle von gestern Abend. Hier konnte man am Morgen ebenfalls gut stehen. Wir mussten nur rund eine halbe Stunde warten, bis uns das Vorsignal wieder eine demnächst stattfindende Kreuzung vermittelte. Der Nordfahrer ging dabei wieder in die Ablenkung:
Kaum war der zum Halt gekommen, zog auch schon der Südfahrer in vollem Tempo durch:
Zufrieden ging es nun weiter in Richtung Süden. Wir hatten gestern Abend unterhalb Erdene eine Erdpiste auf dem Luftbild ausgemacht, die vermutlich den Zugang zum spannenden Teil der Strecke darstellte. Bis dahin hatten wir aber rund 100km langweilige Fahrt auf der Hauptstrasse vor uns. Das einzig spannende war eine lange Kolonne fabrikneuer Autobusse aus chinesischer Produktion welche uns entgegen kam. Irgend eine Verkehrsbetrieb (Ulaanbaatar ? ) bekommt mindestens 70 neue Busse (anhand der Bezettelung der Busse). Die erkannte Erdpiste war dann stellenweise viel besser zu befahren als erwartet. Und ja: sie führte genau dorthin wo wir vermutet hatten. Neel lotste uns direkt an eine nette Stelle. Die letzten Meter ging es dann zu Fuss auf einen Hügel. Es war eine richtige Punktlandung, sahen wir doch ein paar Kurven weiter gerade einen Südfahrer auf uns zu kommen:
So konnten wir kaum vor Ort schon wieder weiter. Zurück beim Auto ging es einige Kurven weiter und dann wieder zu Fuss auf einen weiteren Hügel. Hier gingen dann die Meinungen zwischen uns dreien über die Eignung der Stelle etwas auseinander. Wir blieben dann aber dennoch hier (auch mangels Alternativen). Die Wartezeit bis zum nächsten Zug wurde nun aber richtig unangenehm. Der vom Wetterfrosch angekündigte Wind war nun da. Meteoblue meldete Wind mit 10-15 m/s, daher 30-50 km/h mit teils noch stärkeren Böen. Damit blieb von den gut 20°C nicht mehr viel übrig.
Schon bald gab es eine Zugsleistung: ein Nordfahrer bog unmittelbar hinter dem nächsten Hügel hervor:
Wir hofften weiterhin auf einen Zug in Richtung China und wurden dann eine halbe Stunde später auch erlöst. Der heute morgen schon fotografierte Containerzug kämpfte sich die Steigung hoch:
Wir liefen zurück zum Auto und hoppelten dann mal einen Hügel weiter. Quasi beim Bahnhof von Sumangijn Zoo fanden wir ein nettes Plätzchen zum warten. Der wind pfiff uns inzwischen so um die Ohren, dass wir den Wagen so hinstellten, dass wir im Wagen warten konnten. Vorwarnzeit zum Starten der Drohnen brauchten wir eh nicht - es windete schlicht zu stark. Und für die normalen Kameras reichte es wenn wir den Zug um die Ecke biegen sahen. Wir warteten dann fast anderthalb Stunden auf die nächste Zugsleistung. Von China her war ein Güterzug in den Bahnhof eingefahren und hielt auf dem Ausweichgleis still. So konnten wir uns dann für den Südfahrer passend hinstellen:
Natürlich gab es dann auch gleich ein Foto des Nordfahrers:
Die Stelle im Kasten hoppelten wir die Erdpiste wieder in Richtung Norden. Ziel war die Gegend um den nächsten Bahnhof (Cagaan Had) herum. Dort war eine schöne Morgenstelle (hatten wir auf Railfanatlas gesehen), aber das Gelände versprach auch sonst einiges. Die Frage war wie immer: welche Wege und Fahrspuren führen ans Ziel? Wir versuchten Cagaan Had zuerst westlich der Gleise anzufahren. Irgendwann passieren wir auch mal eine Unterführung, welche wir gekonnt ignorierten. Die Wege wurden im Anschluss aber immer dürftiger. Als wir in einer Aussenkurve einen kleinen Hügel passierten war der Tenor: mal kurz anschauen ob das geht. David und Neel erklommen kurzerhand den Hügel, nur um gleich wieder rufend und winkend runter zu rennen. Es kam gerade was in Richtung Grenze und mit einem nochmaligen kurzen Spurt reichte es uns allen noch für ein Foto. Glück gehabt!
Wir verfolgten dann den eingeschlagenen Weg weiter, doch die Spuren verliefen eine Kilometer weiter endgültig im Sand. Hier waren wir wohl definitiv falsch. Aus dem Augenwinkel raus sahen wir dann auf der anderen Gleisseite einen grünen UAZ - wie von den Eisenbahnern gefahren - mit guter Geschwindigkeit durchs Gelände flitzen. Wir schlossen daraus, dass die vorhin mal passierte Unterführung zielführender war und so ging es zurück zu ebendieser und dann auf die andere Seite der Gleise. Tatsächlich: der Weg war deutlich mehr befahren und meist in einem sehr guten Zustand. Wir fuhren dann in Richtung Cagaan Had, kamen aber nur bis zu dessen Einfahrsignal: es funkelte uns grün an. Da wir gerade bei einer Viehunterführung waren, stellten wir den Wagen kurzerhand hin, und liefen zu Fuss auf die andere Seite:
Zurück beim Auto ging es nun endgültig auf auf die andere Seite des Bahnhofes Cagaan Had. Wir passierten dabei eine Herde Kamele, die es sich in der Gegend gemütlich gemacht hat. Die letzten paar Hundert Meter ging es dann zu Fuss ins Gelände. So gut es ging versuchten wir dem nach wie vor um uns pfeifenden Wind auszuweichen. Das Warten auf einen Südfahrer war aber dennoch mühsam. Schon bald kam aber was aus Cagaan Had, den zumindest Neel und ich vernünftig erledigen konnten. David hatte einen anderen Hügel ausgesucht und so fuhr der Zug unfotografiert von ihm durch.
Einen möglichen Südfahrer hätten wir schon rund 20min vor Durchfahrt gesehen. Die Sonne drehte aber unerbittlich in Richtung Gleisachse, Zug kam aber keiner. So wechselten wir dann auf die andere Gleisseite und erklommen so gut es ging eine nahe Sanddüne. Wir fanden dann eine Stelle wo wir nicht gerade voll dem Wind und dem aufgewirbelten Sand ausgesetzt waren und warteten weiter auf einen Südfahrer. Es kam aber erneut was in den Norden:
Als die Schatten dann immer mehr in Richtung Gleis wanderten gaben wir irgendwann auf und liefen die etwa anderthalb Kilometer zum Auto zurück. Zwischenzeitlich haben wir uns entschieden heute zu campieren. So galt es anschliessend eine passende, windgeschützte Stelle zu finden, wo wir die Zelte aufschlagen konnten. Der Wind hatte zwar langsam nachgelassen und soll dies in der Nacht noch mehr, aber er blies halt immer noch unangenehm. Wir fanden dann eine einigermassen windgeschützte Stelle am Fusse der Stelle wo wir morgen sein wollen. Kurz nach Sonnenuntergang gab es dann endlich wieder Verkehr. Mehr als eine mässige Langzeitbelichtung gab es aber nicht. Im Anschluss daran galt es noch unser Nachtessen zu kochen. So zur Abwechslung gab es mal wieder Teigwaren mit Dosenerbsen, Dosenbohnen und Tomatensauce. :-)
Immerhin: Neel und David waren wieder zufrieden mit dem gebotenen. Danach verzogen wir uns aber bald in unsere Schlafsäcke. Es wurde wieder ziemlich frisch. Ich hatte zwar kurz noch den Gedanken für den irgendwann noch auf dem Tapet erscheinenden Personenzug aus Zamiin-Uud nach Ulaanbaatar nochmals rauszugehen und das Stativ zu stellen, aber die wohlige Wärme im Schlafsack überwog dann.