Sommerrund mit Ecken und Kanten - Teil 4
Von Christof Hofbauer
Mittwoch, 27.07.2022Leise, leise geht es auf die Reise! Schließlich ist es erst 6.00 Uhr und die Damen und Herren hinter mir, die im Schlaf der Gerechten noch dem Frühstückbuffet entgegen dösen, hätten es wohl nicht gerne, wenn sie durch viel Krawall und Türen schlagen aus dem Schlummer gerissen würden.
Und auch ich sollte vielleicht meine Urlaubsphilosophie mal überdenken, rechtfertig doch der grau und schwer über mir liegende Himmel keinesfalls das Klingeln des Weckers kurz nach 5.00 Uhr. Aber ich habe den Versprechungen der Meteorologen geglaubt, dass das Ende dieser Wolkenfront und die Vorbeifahrt des ersten Intercitys aus Amsterdam zeitlich genau zusammenfallen sollen.
Jetzt, den Kopf in den Nacken gelegt, kommen mir dann doch berechtigte Zweifel. Aber egal. Nun bin ich schon mal aufgestanden, nun ziehen wir das auch durch. Zudem, man weiß ja nicht, wie lange die Kisten noch fahren und wann man wieder hier in die Ecke kommt. Wohnhaft im Südosten der Republik ist das hierher nämlich kein Katzensprung. Also rolle ich durch leere Straßen aus dem Ort hinaus. Teilweise begleitet von einer Linie der Bentheimer Eisenbahn, die augenscheinlich, wenn überhaupt, dann nur sporadisch befahren wird. Dann schickt mich das Navi rechts weg, vorbei an Gehöften und hindurch, zwischen Feldern, bis ich am Bahnübergang meiner Wahl ankomme.
Ja, von der Situation her habe ich mir das so vorgestellt. Freies Schussfeld und der Sonnenstand würde auch passen, gäbe es denn Sonne. Weit vorne, am Horizont, lässt sich ein heller Streifen wolkenfreien Himmels zwar erkennen, aber ob der es in der verbleibenden Zeit bis hier her schafft, wage ich doch stark zu bezweifeln.
Also bleibt nicht viel mehr als die ISO hochzuschruppen und auf ein Wunder zu warten. Eine knappe Dreiviertelstunde ist noch Zeit, bis der IC hier vorbeikommen soll. Und das Blau am Himmel will und will nicht so wirklich näherkommen.
Während ich noch hoffend auf den Navigator schaue, vielleicht hat der IC ja Verspätung, surren die Schranken hinter mir. Oh, Fensterzug steht keiner an. Also Güterverkehr. Schon träum ich von einer privaten Nez Cassè aus Richtung Holland, die mein Archiv ergänzend füllen und mich glücklich machen würde. Doch was sich dort als Silhouette abzeichnet, sieht eher nach Massenware als Rarität aus. Zudem kommt die Fuhre noch aus der falschen Richtung. Und da die Sonne zwar immer noch nicht durchgebrochen ist, der Himmel hinter der Maschine aber schon aufhellt, habe ich quasi Gegenlicht ohne Licht. Aber was soll’s! Wenn ich schon so früh raus bin, nehme ich auch alles mit.
Gleichstrombügel am Fahrdraht und 1.500 V DC eingesaufgt, so geht es an diesem trüben Morgen für 193 379, am Haken einen Kesselzug, hinüber nach Holland.
Einmal hupen für den Fotografen. Freundlich grüßt, wohl nachdem er seine Überraschung überwunden hat, dass um die Zeit hier einer steht und eine Vectrone abzu“dunkelt“, der nette Lokführer. Hand hoch, zum Gruß zurück. Na immerhin war es ja noch eine Lok mit Beschriftung die da eben vorbeigesummt ist.
Recht dunkel das Ganze. Hm, hoffentlich reißt das wenigstens noch ein bisschen auf, dass der IC zumindest etwas Farbe hat. Denn das Blau am Himmel ist zwar schon ganz nahe, aber eben noch lange nicht weit genug nach Osten vorgedrungen.
Um es vorwegzunehmen, es reicht natürlich nicht. Nur das ich jetzt zum Problem mit dunkel vorne, auch noch einen hellen Himmel im Hintergrund habe. Und als ob das noch nicht genug wäre an Widrigkeiten, kommt mir auch noch der Regionalexpress in Richtung Holland in die Quere….
Noch vor Öffnung des Frühstücksbuffet steht der Fotograf pflichtbewusst in Position, um 1746 vor dem IC 245 Amsterdam - Berlin abzulichten, der pünktlich die Stelle bei Gildehaus passiert. Leider hat die durchziehende Wolkenfront nun so überhaupt keinen Sinn für das rechte Timing und trödelt eine Spur zu lange über den Himmel. Immerhin wurde der IC nicht zu allem Überfluss auch noch von dem in Richtung Holland eilenden 429er der Eurobahn zugefahren.
Soll ich mich jetzt ärgern oder froh sein, mit der 1746 immerhin eine für mich noch neue Maschine vor die Linse bekommen zu haben. Ich entscheide mich für letzteres. Ärgern bringt mir nachträglich auch nicht mehr Licht, außerdem verdirbt es mir den Hunger. Und der ist reichlich vorhanden, als es nun wieder zurück geht, in Richtung Frühstücksbuffet.
Im Hotel angekommen, ist das niederländische Zugpersonal des IC auch schon da. Sichtlich verwundert über den Typen mit Rucksack und Wanderschuhen, der mit ihnen um diese frühe Stunde durchs dargebotene Buffet marodiert.
Eingedenk der Tatsache, dass es für mich nun lange nichts mehr zwischen die Zähne geben wird, mache ich von der leckeren Auswahl ausgiebig Gebrauch, bevor es kurz nochmal ins Zimmer und dann wieder auf die Straße geht. Der nächste Takt steht an.
Erst nochmal an die Stelle bei Gildehaus. Aber da ist die Sonne erwartungsgemäß schon rum. Aber halt auch nicht weit genug, um schon die Seite zu wechseln, die sowieso nicht sehr fotofreundlich wäre. Also weiter zur Stelle im Nachbarland, die ich mir gestern auf der Karte schon ausgesucht habe.
Ein kurzes Stück nur, dann senken sich vor mir die rot-weißen Balken des nächsten Bahnübergangs. Grund genug kurz auszusteigen und, auch wenn der Sonnenstand nicht optimal ist, kurz auf den Auslöser zu drücken. Schönes Morgenlicht…..
Schon in Deutschland, aber immer noch unter 1.500 V Gleichstrom, ist ET4.06 der Eurobahn unterwegs. Als RB 20361 ist er in Hengelo gestartet, mit Ziel Bielefeld Hbf.
Weit ist es nicht, zur neuen Stelle nahe De Lutte. Und doch hätte ich mich wohl ohne Navi mehr als einmal verfahren. Kreuz und quer geht es über kleine Straßen hin zu einem Bahnübergang, am Ende einer Kurve. Schön mit Haus im Hintergrund, weniger schön, mit einem kleinen Bahndamm. Ich also unten, Zug oben. Nicht viel, aber genug, dass auch meine hochkant gestellte Cola-Kiste nur grob hilft, mich bzw. den vorbeifahrenden Zug, optisch über die üppig sprießende Vegetation zu hieven. Immerhin diene ich so, auf rotem Plastik balancierend, den unzählig vorbeirollenden Radlern zur Erheiterung. Bei Annäherung erst fragend schauend, dann mit einem verschmitzten Lächeln freundlich grüßend, passieren sie den eigenartigen Deutschen, der etwas „abgehoben“ um Gleichgewicht kämpft, bis ihn ein markerschütterndes „RiiiiiiingRiiiiiing“ erlöst.
1750 bringt den IC 141 Amsterdam – Hamm in den deutschen Grenzbahnhof Bad Bentheim. Dort wird dann eine 101 die Bespannung übernehmen.
Zweiter IC des Tages, diesmal in der Sonne, dafür leider dieselbe Maschine, die ich gestern Abend schon hatte. Wenn ich ehrlich bin, andersrum wäre es mir lieber gewesen. Die 1750 heute Früh im Dunkeln und die 1746 jetzt hier in der Sonne. Aber das Leben ist halt kein Ponyhof.
Hoffend auf einen Güterzug, nehme ich auf der Kiste Platz, im Handy suchend, wann denn der nächste Fensterzug ansteht. Aber halt, vorher lieber noch ein Basecap auf, die Sonne brennt nun doch schon doll auf das lichte Haupthaar.
Leider tut sich in Sachen Güterverkehr auch diesmal nichts, sodass es nur beim Beobachten vorziehender Radler und heranziehender Wolken bleibt. Das blaue Loch schließt sich und schon bange ich um das Zustandekommen eines weiteren Sonnenbildes, als mich erneutes „RiiiiiingRiiiiiing“ erlöst und der Stadler-Triebzug um die Ecke kommt.
Knapp war’s, sehr knapp! Gerade noch so geht sich der ET im Licht aus. Dann herrscht auch schon wieder Finsternis. Was jetzt? Abrücken bringt auch nicht wirklich war. Gen Osten würde ich nur mit dem schlechten Wetter mitfahren. Also einfach aussitzen, bis es von Westen her wieder etwas auflockert. So zumindest die Prognose.
Eigentlich hatte ich ja auf einen Güterzug gehofft. Aber die lassen sich anscheinend nur sehen, wenn ich nicht zu sehen bin. Sollte ich mich vielleicht mal still in ein Gebüsch setzen, so als wäre ich gar nicht da? Nur um dann, wenn die Täuschung gelingt mit einem lauten und triumpfierenden *hahaaa* hervorzuhüpfen und auf den Auslöser zu drücken?
Gut, einen Güterzug hab ich ja heute vom Prinzip her schon erwischt. Aber sein wir mal ehrlich. Ein Güterzug mit Vectron im Dunkeln vor hellem Himmel? Das zählt ja nun wirklich nicht.
Aber auch jetzt will nichts rollen. Also schaue ich mich mal nach einer alternativen Stelle um. Etwas weiter hinten, oder vorne, je nachdem wie man es sehen will, also da am Ende der Kurve, soll laut Karte noch ein zweiter Bahnübergang sein. Dann mal hin. Eigentlich nicht weit, aber ein elends Gezockel auf kleinen Sträßchen, immer im Schritttempo hinter tiefenentspannten Radler her, kommt bei Ankunft schnell die Ernüchterung. Bewuchs am Gleis und Büsche in maximal ungünstigster Position am Standpunkt platziert. Hier geht nix.
Also zurück zum bekannten Bahnübergang und im Dunkel ausgeharrt auf das nächste IC Paar. Von dem nach Amsterdam gibt’s aus Spaß ein Video aus der Hand, astreine Wackler naturgemäß inbegriffen, und von dem aus Amsterdam mal wieder ein Dunkelbild. Dafür mit „neuer“ Nez Cassès.
Gar nicht sommerlich zeigt sich der Himmel, als 1765 mit IC 143 nach Berlin Ostbahnhof sich bei De Lutte in die Kurve legt.
Rein statistisch sieht die Bilanz beim Blick ins Büchlein ja ganz ordentlich aus. Fotografisch ist es aber bislang fast ein Fiasko. Drei 1700er, nur eine davon im Licht, und ausgerechnet die habe ich schon mit Sonne. Grmbl! Das geht aber besser.
Ich rücke ab, wieder zurück nach Deutschland. In knapp zwei Stunden geht die 1765 wieder zurück, und da nicht lange danach der Gegenzug gen Bad Bentheim rollt, brauche ich eine Zweirichtungsstelle. In Holland seh ich zwar eine, aber man würde zu weit ab stehen, um bei Wolkenschaden wenigstens nur etwas annähernd Vernünftiges zusammen zu bringen. Die Hoffnung auf Güterverkehr habe ich zwischenzeitlich sowieso schon begraben.
In Waldseite werde ich fündig. Die Sonne steht so ziemlich im rechten Winkel zur Strecke, was zweimal Frontschatten, aber Seitenlicht satt bedeutet. Auch wenn es Hochlicht ist. Aber wer Raritäten jagt, darf da nicht allzu anspruchsvoll sein. Licht ist überhaupt das Stichwort, drück doch die Sonne nun immer mal wieder durch die ansonsten dichte Wolkenschicht. Wenn auch nicht von einem blauen Himmel, sondern durch Schmodder, der dort oben als zweite Lage mit herumwabert.
Stechend ist es geworden und unangenehm schwül heiß, was das Warten, zusammen mit den um mich herum summenden Fliege- und Stechgetier, nun auch nicht gemütlicher macht. Nach gefühlt 50x auf die Handyuhr blicken endlich die nächste Zugfahrt. Und dann wieder gefühlte 50x drauf, beginnt endlich die große Mittagsshow mit 2x Alsthom und 1x Stadler. Alles innerhalb von 20 Minuten.
Gut 40 Minuten später 1765, die in Bad Bentheim den IC 148 aus Berlin Hbf übernommen hat, um ihn nach Amsterdam Centraal zu bringen.
Für mich heißt es jetzt schnell einmal ums Feld hirschen und für die Gegenrichtung aufstellen. Gibt es doch nun dasselbe Programm noch einmal seitenverkehrt.
Und zum Abschluss der kleinen Parade, 1761, die den IC 145 von Amsterdam Centraal nach Bad Bentheim bringt, um ihn dort an eine 101er der DB zu übergeben, die für die Traktion nach Berlin Ostbahnhof sorgen wird.
Na das war doch jetzt mal fein. Wenn auch nicht strahlend, so hat die Sonne doch immer im richtigen Moment einen Weg durch Siff und Wolken gefunden und so die Szenerie annehmbar erhellen können. Die Bilanz dreht langsam ins Positive. Gut, Brüllermotiv war es jetzt keines, aber das findet sich hier in der Plätte auch eher schwer.
Etwas niedergebrannt und ausgedörrt vom langen Warten verschiebe ich mich nun etwas weiter nach hinten. Die Pause bis zu den nächsten IC überbrückend und auf Güterverkehr hoffend. Eigentlich gäbe es hier eine nette Brücke, auf die ich es abgesehen habe. Sich dort oben zu platzieren, hieße aber, sich zwischen Leitplanke und Geländer quetschen, den Allerwertesten schon fast über dem Fahrbahnrand. Keine Option, erst recht, wenn es eine durchaus belebte Durchgangsstraße ist. Also bleibe ich unten, schön im Schatten, Fülle meine Flüssigkeitsvorräte auf, knabbere Erdnüsse gegen die Leere in meinem Magen und versuche Strecke und Signale möglichst entspannt im Blick zu behalten.
Zu entspannt, wie sich herausstellt. Denn gerade noch so sehe ich im Rückspiegel die nahende 6412, die mit ihrer Übergabe natürlich genau in dem Moment die lange Gerade herunter kommt, in dem sich die Sonne hinter der dicksten Wolke versteckt.
*Urgs!* Ich könnte gerade sonst wo hin beißen. Aber hilft ja nichts. Bleibt die Hoffnung, dass, was hin fährt, auch wieder zurück kommen muss. Und so schwanke ich, als rund 20 Minuten später das Signal hinter mir auf Grün springt, zwischen der Hoffnung auf den Diesel und der auf einen Güterzug, möglichst mit 1600/1800.
Es ist die 6412. Diesmal einzeln, dafür aber im vollen Licht.
Kaum zu glauben. Mittlerweile ist diese Maschine auch schon fast 35 Jahre alt. Während sie noch in der Heimat tätig ist, hat es einige der zwischen 1988 und 1994 von MaK gebauten 120 Maschinen nach Polen und sogar bis Norwegen verschlagen. Dort waren sie auch schon in den 1990ern aktiv, damals als Lokhilfe der NS an die NSB.
Für mich heißt es jetzt wieder verschieben und für den nächsten IC aufstellen, bespannt mit der schon eben abgelichteten 1761. Da es wieder stärker zuzieht, wird’s ein Schotterkleber ganz in der Nähe.
Wieder zurück nach Amsterdam geht es für 1761. Mit dem IC 146 von Berlin Ostbahnhof ist sie auf dem Weg in die holländische Metropole.
Für mich ist es jetzt Zeit sich hurtig auf den Weg zu machen. Nächste Station: Bahnhof Bad Bentheim. Weil er so schön und fotogen ist? Nein, ich glaube das Thema hatten wir schon. Der Betriebsablauf ist es, den ich mir jetzt mal genauer anschauen und mit einigen Bilder illustrieren will. So im groben hab ich es ja auch schon mal erzählt. Nun eben nochmal ausführlicher und zum ankucken.
Schnell das Auto am Hotel abgestellt und rüber gelaufen zum Bahnhof. Kostet dann wenigstens nichts. Aber soviel ich mich auch beeilt habe, 1746 ist mit dem IC 147 schon da und wird gerade abgekuppelt. Also gleich zum Abstellgleis raus. Während ich dort warte, kommt auch zögerlich das Licht wieder. Dann rollt die gebe Lok auch schon an mir vorbei. Am Fahrdraht liegen 1.500 V Gleichstrom an, während im Hintergrund über 101 012-3, die hinter der Trennstelle steht, 15 kV/16,7 Hz Wechselstrom brizzeln.
Die niederländische Lok ist mittlerweile im Stumpfgleis zum Stehen gekommen und der Fahrdienstleiter hat die Spannung im Bahnhofsgleis gewechselt. Nun kann die DB Maschine aus eigener Kraft, vorbei an ihrer holländischen Kollegin, die ebenfalls die Bügel am Draht hat, vor den IC rollen. Rechts vor der 101er lassen sich gut die Trennstelle und die Einspeisungen erkennen.
Während die rote Kollegin sich nun fertig macht, den IC weiter in die Bundeshauptstadt zu führen, hat 1746 auf ihrer Strominsel Pause und kann die Sonne genießen. Für mich die Gelegenheit, neben einem Sonnenbild der formschönen Maschine, die ein oder andere Detailaufnahme von der Fahrleitung zu schießen.
Während ich mich nach etlichen Bildern so langsam auf den Weg zum Mittelbahnsteig mache, um dort abzuwarten was so passiert bis der Gegenzug kommt, hat der Fahrdienstleiter wieder umgestellt und 1746 rollt an mir vorbei in den westlichen Bahnhofskopf, wo sie auf die zu übernehmende Leistung wartet.
Schon will ich los und auf den Hausbahnsteig wechseln, um von dort den Lokwechsel bei IC 144 zu beobachten, nähert sich von Holland her eine alte Bekannte. 193 379 macht zum zweiten Mal an diesem Tag ihre Aufwartung. Diesmal mit einem Kesselzug in der Gegenrichtung. Bei ihr geht das mit dem Systemwechsel deutlich einfacher. Ein kurzer Halt, Bügel ab, umgestellt von Gleich- auf Wechselstrom, und schon kann es wieder weiter gehen. Übrigens gilt gleiches logischerweise auch für die Stadler Triebzüge, die hier pendeln. Bei er Ausfahrt der Roten fällt mein Blick kurz auf das Rasterfeld der Maschine. Interessante Länderkombination, wie ich finde.
Jetzt muss ich mich aber sputen! Der IC ist nämlich schon da. Also hetze ich entlang der langen Leine und komme gerade noch richtig, bevor 101 018-0, die den Zug gebracht hat, im westlichen Gleisvorfeld entschwindet.
Während die 101 im Hintergrund noch auf einer Fahrstraße rollt, über der die Leitung mit Wechselstrom gespeist wird, und dabei dort hinten einer im „Portugal Design“ lackierten, abgestellten Gleichstrom 1800 von Rail Force One sehr nahe kommt, ist 1746 unter Gleichstrom auf dem Weg zum Zug.
1746 hat zwischenzeitlich gekuppelt und wartet summend auf den Abfahrtsauftrag. Zeit sich die Lok mit ihren mächtigen Gleichstrom Schleifern nochmal genauer anzusehen und einen Formenvergleich zur nur wenig jüngeren 101er anzustellen. Wer dabei gewinnt, ist für mich keine Frage.
Ein Pfiff, Türen laufen klangvoll zu, dann zieht die gelbe Lok mit dem typischen, monotonen Mahlen der Gleichstrommotoren an. Gleichzeitig senkt sich der vordere Stromabnehmer. Im Stand und beim Anfahren haben die 1.500 V Loks, aufgrund der hohen Ströme, stehts beide Bügel am Draht.
Ich schaue der Garnitur noch so lange hinterher, bis auch der letzte Wagen unter der Brücke meinen Blicken entschwunden ist. Dann geht’s zurück auf den Mittelbahnsteig, hat sich doch dort die 101 neben einem Lint der Bentheimer Eisenbahn in Position gestellt.
Kurz muss 101 018-0 noch gedulden, bevor sie ihre Fahrt zur Warteposition im Ostkopf des Bahnhofs fortsetzen kann. Verdeckt durch VT113 der Bentheimer Eisenbahn läuft gerade ein Nahgüterzug der gleichen Gesellschaft ein und blockiert die Fahrstraße.Bild nicht gefunden
Erst seit dem 7.Juli 2019 rollen, nach 45 Jahren Pause, wieder Züge auf der 28 km langen Strecke zwischen Bad Bentheim und Neuenhaus. Einer der fünf dafür neu angeschafften Coradia LINT 41, VT113, wartet darauf, wieder ins Umland aufzubrechen.
Nachdem D20 der Bentheimer Eisenbahn einen kurzen Güterzug gebracht hat, setzt sie nun um, in den Bahnhof der Bahngesellschaft. Dort winken Maschine und Personal der verdiente Feierabend.
Schlag auf Schlag geht es jetzt hier. Während ich mich noch der sonnenbeschienenen G2000 gewidmet habe, ist hinter mir der IC aus Amsterdam Centraal eingefahren. Und das „Strömchen wechsel dich“ Spiel beginnt von neuem.
Ach kuck, wen haben wir denn da? Die Hoffnung auf einen Tausch, sprich einer neuen Maschine für meine Sammlung haben sich leider nicht erfüllt. Hat doch die schon bekannt 1750 den IC über die Grenze gebracht. Nun rückt sie vor auf ihren Abstellplatz, während im Hintergrund 101 018-0 schon ungeduldig wartet.
Fahrdraht umgestellt, und schon rollt 101 018-0, vorbei an 1750 der NS, vor den wartenden IC, um mit ihm Bad Bentheim wenig später in Richtung Osten zu verlassen.
Verlassen! Ein gutes Stichwort! Auch ich verlasse den Ort des Geschehens. Habe ich doch aus meinem gestrigen Fehler gelernt. Daher möchte ich rechtzeitig beim Essen sitzen, um nicht wieder vor der Kühltheke im Supermarkt zu landen.
Zudem gilt es sich schon mal für das große Spiel heute Abend zu stärken. EM Halbfinale Frankreich gegen Deutschland. So langsam kribbelt es schon!
Also mal kräftig anstoßen auf Merle, Kathi, Sarah, Lina, Obi, Poppi und die anderen Mädels! Und womit ginge das am besten? Genau, mit einem originalen „Oberdorf“.
In diesem Sinne: ein Oberdorf auf Obi!
Wenn das jetzt kein Glück bringt…..
Noch während ich auf Schnitzel, Pommes und Co warte, poltert keine 20 Meter neben mir eine grau-blaue 1600/1800 von Rail Force One vorbei. So ein elender Mist! Warum jetzt? Warum nicht schon früher am Tag!
Aber was will ich jetzt machen? Aufspringen und mit der Kamera durch die Botanik sprinten kommt vielleicht nicht ganz so gut. Also einmal grummelnd tief eingeatmet und gut ist. Ich seh die Lok förmlich grinsen, als sie im schönsten Abendlicht an mir vorbei zurück rollt gen Westen, um sich dort vor eine Gegenleistung zu setzen.
Essen schmeckt und ist trotz Hunger fast noch zuviel. So bleibt das ein oder andere Pommes auch ungegessen. Noch nicht ganz schlüssig, was ich jetzt bis zum Anstoß machen soll, schlendere ich die Treppen hinauf zu meinem Zimmer. Und siehe da, dort oben vom Gang aus, lässt sich durch eins der großen Fenster die Rail Force One Maschine erkennen, Bügel hoch und wartend vor einem Kesselzug.
Meine Chance! Schnell die Kamera gepackt, runter zum Auto und ab durch die Mitte. Schon glaube ich der Zug zieht in dem Moment an, just als ich auf dem Weg zur Hauptstraße bin, aber ein kurzer Stopp zeigt, der steht noch wie eine Eins. Also kann ich ihn noch kriegen, außer er fährt wirklich in dem Moment ab, als ich unter den Gleisen hindurch in Richtung Stadtrand starte. Wohin ist klar. Zum Bahnübergang nach Hagelshoek, dort wo ich gestern stand. Nur diesmal noch drüber und in die Innenkurve gestellt. Da ist dann das Licht noch besser. Hoffentlich kommt er nicht, bevor ich über die Gleise bin.
Alles gut, die Schranken sind oben und schnell geht es rechts auf die kleine Zufahrtsstraße. Verdammt eng hier. Kurz vor den Häusern gewendet und das Auto an den Rand einer Hecke gequetscht. Na, ob das keinen Ärger gibt, wenn jetzt hier einer durch will. Blick immer auf die Schranken, dass die nicht plötzlich runter gehen und ich schau dumm hinterher.
Nichts rührt sich am Bahnübergang. Soweit gut! Leider rührt sich auch nichts auf der Strecke. Das ist nun eher schlecht. Gut, wenn er später kommt, wird das Licht noch besser. Wenigstens so lange, bis die Sonne hinter den Wipfeln des nahen Waldes verschwindet.
Aber was, wenn er wirklich genau in dem kleinen Zeitfenster zwischen meiner Abfahrt am Bahnhof und meiner Ankunft hier losgefahren ist? Kann doch eigentlich nicht sein, oder? Das wäre ja schon fast minutengenaues Timing. Erst recht, als der Blick bei der Überfahrt über die Gleise nach links ging. Und in die Richtung kann man auch noch die lange Gerade weit hinunter schauen. Da hätte sich doch der Zugschluss zeigen müssen ….. eigentlich!
So schleicht die Zeit dahin. Einige Male bilde ich mir ein, das Rollen schwerer Wagen zu hören. Aber keine „Nase“ schiebt sich an den Häusern vorbei durch die Kurve auf mich zu. Dann endlich senken sich die Schranken hinter mir. Doch der Puls bleibt unten. Längst hat mir der Fahrplan gesagt, dass es der Zug aus Hengelo ist, der gen Osten fährt.
Im Abendlicht kommt ET4.08 als RB 20383 von Holland herüber. Nur noch wenige Augenblicke, dann hat er mit Bad Bentheim den ersten Halt in Deutschland erreicht.
Noch kurz warte ich, dann haben die Baumschatten der untergehenden Sonne die Gleise erreicht. Es wäre so schön gewesen. Also abrücken und aufs Spiel vorbereiten. Einen Kontrollblick am nächsten Bahnübergang, direkt am Ende der Bahnhofsausfahrt kann ich mir aber dann doch nicht verkneifen. Was ich sehe, macht mich schier verrückt. Keine Nez Cassès, kein Kesselzug. Es ist also wahr. Der Zug fuhr ab, als ich mich gerade auf den Weg gemacht habe. Eine Minutensache. Hätte ich nur mal schneller gekaut.
Im Hotel wird der Fernseher zum Leben erweckt, nicht ohne Zicken zu machen und mir das Bild zu verweigern. Der Hinweis auf das nahe Fenster und seine mangelhaften Segeleigenschaften belehren den Kasten aber schnell eines Besseren und einwandfrei flimmert der Vorbericht über die Mattscheibe.
Es sind 90 aufregende Minuten, nach denen am Ende jubelnde Deutsche sich in den Armen und trauernde Französinnen auf dem Rasen liegen. Was für eine Spannung und was für ein Spiel! Beide hätten den Finaleinzug verdient, nach dieser Leistung, aber unsere Mädels vielleicht ein bisschen mehr. Und wir hatten halt Poppi, die ihr persönlichen Märchen bei dieser EM eindrucksvoll weiterschreibt. Und wir hatten Obi, die wieder bockstark gespielt hat. War das Bier wohl doch ein gutes Omen. Und natürlich alle anderen, die mit gefightet und angefeuert haben! Einfach super!
Gut, dass ich im Anschluss noch den Plan für morgen machen muss. So hat mein Puls etwas Muse, sich wieder auf Normalniveau einzupendeln.
Der Ablauf für morgen, ganz einfach. Start wie heute, mit IC im ersten Licht, was laut Vorhersage diesmal sogar klappen sollte, und anschließendem Massaker am Frühstücksbuffet. Dann steht auch schon der nächste IC an, den es in Hagelshoek verarzten will. Zwar steht das Licht dort achsig, aber das tut es ab De Lutte mehr oder weniger immer. Halt, vorher natürlich noch die „Portugiesin“ auf den Chip bannen. Sofern sie dann noch in der Abstellung steht.
Danach steht Oldenzaal auf dem Programm. Das Licht sollte passen und vielleicht lässt sich dort etwas holländisches Ambiente mit aufs Bild bringen.
Und im Anschluss? Das ist die Frage, die sich dann entscheidet. Laufen bis dahin die gleichen Maschinen wie heute im Plan, warte ich die Nummer 4, also den nachmittäglichen IC nicht mehr ab, sondern verschiebe gleich in Richtung Emmerich. Lieber dort noch einen 406er aufgabeln, als hier dann nach 2 Stunden Warten merken, dass auch die letzte Leistung wie gehabt bestückt ist.
So, 0.00 Uhr durch. Höchste Zeit zu schlafen. In fünf Stunden rappelt schon wieder das Handy. Also Augen zu und ….. „Deutschland …. Deutschland …..“ *sing*