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Sommerrunde mit Ecken und Kanten - Teil 3

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Dienstag, 26.07.2022

Heute ist Fahrtag. Und wie es da halt mal so ist, hat man es morgens nicht eilig. Wenigstens solange, bis man verschlafen die Vorhänge zurück zieht und den blauen Himmel sieht, der sich über die Region Frankfurt spannt, soweit das Auge reicht.

Soweit das Auge reicht?

Nicht ganz! Denn da ganz hinten, von Westen her, da schieben sich die ersten einzelnen, noch schneeweißen Wölkchen heran. Und auf einmal weiß man, man wäre doch gerne schon frühzeitig raus und an die Strecke.

Denn, nach einem Sonnensonntag mit erdrückender Hitze und dem gestrigen so lala Tag mit einem Mix aus Sonne, Wolken und Regen, kündigt sich heute eine massivere Schlechtwetterfront an. Die soll im Laufe des Vormittags von Westen hereinziehen und sich hier, in der Mitte Deutschlands, einige Zeit halten. Das Fenster in Blau dort oben ist also nur endlich und wird sich bald schließen.

Weiter nördlich dagegen, so wenigstens die Aussage der Wetterfrösche, soll es ab morgen Vormittag schon zumindest wieder phasenweise besser werden. Ideal also um entspannt gen holländische Grenze aufzubrechen. Warten doch dort die letzten Nez Casse Leistungen der Nederlandse Spoorwegen vor den IC Amsterdam – Berlin. Bald auch nur noch Geschichte, sollte es wirklich zum Einsatz von Vectron kommen.

Entspannt? Nun nicht mehr, denn das Blau dort oben schreit nach sofortiger Aktivität. Und das schlechte Gewissen schreit mit. Also in Windeseile straßenfein gemacht, die Habseligkeiten eingepackt, ausgescheckt und vom Hof geritten. Von Frühstück natürlich mal wieder keine Spur.

Ursprünglich war angedacht der Hochgeschwindigkeitsstrecke nachzufahren, um den ein oder anderen ICE digital zu bannen. Doch dazu ist die Prognose zu schlecht. ICE mit 300 km/h und Wolken, dass passt nicht wirklich zusammen. Also, dann lieber alternativ das Rheintal hoch. Viel Betrieb, mit der Chance das Zug und Wolkenloch sich im günstigsten Fall treffen. Und, auch wenn sie optisch nicht zu meinen Lieblingen gehören, die ein oder andere 101er könnte so auch noch Lücken im Archiv füllen.

Bingen ist als Ziel ausgegeben. Warum? Einfach deshalb, weil hier eine Dieselstrecke nach Westen abzweigt und es ein guter Einstieg ins Rheintal ist.

Kurz geht es an besagter Dieselpiste entlang, als ich mich dem Städtchen am Rhein mit seinem Hauptbahnhof nähere und ich überlege, warum nicht gleich hierbleiben und die Linie mal etwas genauer zu erkunden. Das herannahende Wetter lässt mich aber die Idee genauso schnell wieder verwerfen, wie sie aufgekommen ist. Dafür elektrisiert kurz darauf etwas anderes, zeigen doch diverse Seitenblicke nach unten in Richtung Hauptbahnhof, rote, markant geformte Triebzüge, die in meiner Bildersammlung noch deutlich unterrepräsentiert sind. Talente!

Also Auto geparkt, Rucksack geschultert und durch die schon um die Uhrzeit wieder stehende Luft zum Bahnhof getigert. Back to the roots! Bahnhofsfotografie! Wie in alten Zeiten, als ich hier im IC durchgerauscht bin, mit einem Ziel wie Aachen, um dort dann einige Stunden über die Bahnsteige zu hetzen, auf der Jagd nach 1600 und 1800 (!) der SNCB und, nicht zuletzt, dem alten Dieseltriebwagen, der ein paar Mal am Tag, die Halle des dortigen Hauptbahnhofs anlief. Abends gings es dann wieder zurück. Tagestouren durch halb Deutschland, nur weil das Geld für Übernachtungen gespart werden musste. Waren das noch Zeiten. Zeiten, in denen man von den daheim gebliebenen für verrückt erklärt wurde, weil man ganze 3, ich wiederhole 3 (!) , Filme a 36, naja eher 37 oder mit Glück 38, Bilder am Tag vollgemacht hatte.





643 016 wartet zusammen mit 643 530 in Bingen Hbf auf die nächsten Einsätze.






Während 643 530 leise vor sich hin dieseln als RB 65 nach Kaiserslautern zur Abfahrt bereit steht, rangiert rechts davon eine Ost V100 einige Bauzugwagen hin und her.






Meine erste Begegnung mit Sturmtrupplern. 463 801-1 der Mittelrheinbahn steht bereit, um wenig später als RB 25375 nach Mainz aufzubrechen.






Drei Charakterköpfe auf einen Streich. Das war doch jetzt mal nicht schlecht für so einen kleinen Zwischenstopp. Mehr gibt der Bahnhof aber leider auch nicht her. Also warte ich nur noch schnell die beiden anstehenden 101er ab, die jeweils deutlich verspätet gleich Bingen erreichen sollen. Plan ist eigentlich die von Norden herkommende mit dem mächtige Reiterstellwerk abzulichten. Doch so wie gedacht kommt man da nicht hin, wenigsten nicht bei dem Sonnenstand.





Lange warten mussten die Reisenden an diesem Tag auf den stark verspäteten EC 115 nach Klagenfurt. 101 135-2 hat gerade das ehemalige Reiterstellwerk durchfahren und bremst nun an den langen Bahnsteig.






Auch 101 071-9 sollte mit dem IC 2010 schon bereits weiter sein. Pünktlich zur Stelle war hingegen die Fotowolke, die auch die ganze Standzeit des Zuges tapfer ihre Position hielt.






Nichts für die Galerie, aber halt normaler Alltag. Und so viele Chancen 101er zu fotografieren sollte man sich jetzt, da die ersten der einst so stolzen Renner bereits dem Rohstoffkreislauf wieder zugeführt wurden, auch nicht entgehen lassen.

Durchaus nicht unzufrieden mach ich mich wieder auf die Socken und gondle gemütlich weiter stromabwärts. Nächster Stopp Bacharach, wo ich mich für die nächste Session munter ans Geländer klemme. Die Knöchel verbogen, um Halt an der Böschung bemüht, die nur noch Reste ausgebranntem, gelben Gras aufweist. Immer kleiner werden mittlerweile die Sonnenlöcher, aber mit etwas Glück und Photoshop reicht es für die nächsten Standardaufnahmen.





Spot an für IC 119 nach Innsbruck, der hinter der 101 074-3 um mit Verspätung durch das Rheintal gen Süden rollt.






Darf es zur Abwechslung auch mal etwas Güterverkehr sein? Mit einem Leerzug passiert 145 091-5, eingestellt bei Beacon Rail Leasing, Bacharach.






Es folgt 185 609 von Alpha Trains Luxembourg mit einem Containerzug.






Mehr und mehr kommt nun der Fahrplan durcheinander. Kein Personenzug, der nicht mit ordentlich Plus unterwegs ist. So auch 460 515 und 512, die als RB 25417 rheinaufwärts fahren.






Ging es sich bei dem vorherigen Bild wenigstens noch mit Halblicht aus, kommt jetzt der zweite Wolkenschaden des Tages. 186 436-2 von Railpool, seit 2018 im Einsatz für HSL Logistik, vor einem Ganzzug auf dem Weg nach Süden.






Mir schmerzenden Fußgelenken verlasse ich meinen Standort. Deutlich über 80 kg Lebendgewicht auf Dauer am Schräghang halten, wird irgendwann nur mehr lästig und mühsam. Personenzüge tauchen eh nicht mehr dann auf wann sie sollen, wenn sie sich überhaupt noch blicken lassen, und diffuses Licht taucht die Szenerie mehr und mehr in matschiges Grau. Also stakse ich, nachdem ich nochmal die Parkuhr gefüttert habe, zu einer der Ruhebänke am Rheinufer, schaue raus auf den Fluss und genieße. Wahnsinn wie wenig Wasser der Strom gen Meer führt. Riesige Kiesbänke zeigen sich links und rechts an seinen Ufern, Felsen strecken ihre Rücken aus dem Wasser. Folge der anhaltenden Trockenheit.

Es klingelt. Die Steuerberaterin ist dran. Sie hätte was in Sachen Jahresabschluss zu klären. Jetzt? Na gut, als Selbständiger hast Du ja nie so 100% Ferien. Als das erledigt ist, beschließe ich, das Handy nun sowieso schon in der Hand, die Pause weiter nützlich zu verbringen. Nun aber wieder in Sachen Hobby. Gilt es doch eine Übernachtung für heute bzw. die folgenden Tage zu finden. Dafür gilt es aber vorher noch zu überlegen, wie lange ich denn gedenke, die Gegend um Bad Bentheim unsicher machen zu wollen. Hängt unter anderem auch vom Wetter ab. Und von der Tatsache, wie ich mein Programm bis Sonntag erledigen kann. Da hab ich mich nämlich in Saarbrücken mit einer Bekannten verabredet. Zuviel Eckpunkte, nach einer halben Stunde halbherzigen hin und her springen zwischen Buchungs-App, Wetter-App und google.maps gebe ich auf, und mach mich wieder auf den Weg stromabwärts. Übrigens, in der Zeit wo ich geruht habe, hat sich auf den Gleisen hinter mir, in Sachen Fensterzug, fast nichts mehr bewegt.

Nächstes Ziel? Hab ich keins. Ich schau einfach, wann Sonnenloch und Fotoplatz zusammenpassen könnten. In Boppard-Hirzenach scheint das wieder der Fall zu sein, nachdem ich vorher schon mal in Oberwesel gestanden war. Dort hatte es aber gleich nach Ankunft zu regnen begonnen, also nix mit Bildern. Dafür habe ich endlich einen Plan für die nächsten Tage gefasst und eine Übernachtung gebucht. Stilgerecht im alten Bahnhof der Bentheimer Eisenbahn. Wenn das mal nichts ist.

Hier auf der Brücke oberhalb vom Haltepunkt in Hirzenach zeigt sich der Ausblick eher semi. Hatte bei der Anfahrt nach mehr ausgesehen. Zwar machen Strecke und Fluss hier einen schönen Bogen, doch die Lampen am Bahnsteig und vor allem die Brache zwischen Gleisen und Straße, machen die Situation doch eher unansehnlich. So gibt es von hier im Bericht auch nur einen Flirt, drüben auf der anderen Rheinseite. Naturgemäß auf die Distanz ohne Nummer, aber dafür mit Sonne. Das ICE-T Doppel bei Licht und den Desiro Mainline im Halblicht erspare ich mir jetzt.





Ein 428er der VIAS unterwegs auf der rechten Rheinseite gen Norden.






Stand da vorhin nicht Boppard? Da klingelt doch was. Klar, die Steilstrecke raus aus dem Tal. Könnte da vielleicht was gehen? Schneller Blick auf den Fahrplan. Rege ist der Betrieb ja nicht, aber passenderweise kommt demnächst ein Triebwagen den Berg runter. Könnte sich ausgehen. Und hab ich da nicht einen Blick bei der Einfahrt im Kopf? Auf Höhe des ehemaligen Betriebswerkes. Zwar nur von unten, vom Zug aus, aber doch?

Es ist schon verwunderlich, wie sich Gegebenheiten innerhalb von gerade nicht mal ganz 40 Jahren verändern können. Hätte ich jetzt nicht gedacht! *grins* Und so stellt sich die nette Fotostelle aus meiner Erinnerung überraschenderweise heutzutage als völlig unbrauchbar heraus. Absolut unverständlich das….

Nun ist guter Rat teuer. Der Zug drückt von oben und ich hab keinen Plan. Zwei Haltepunkte gibt es noch in der Nähe. Doch wie sind da die Gegebenheiten? Eine zweite Möglichkeit zur Anfahrt gibt es nicht. Und wenn ich mir die Straßen dorthin so ansehe, bezweifle ich, ob ich rechtzeitig da sein werde. Vor allen Dingen, da ich jetzt eigentlich schon fahren müsste, um nur überhaupt irgendwo hin zu kommen. In solchen Fällen fehlt halt der Beifahrer, der Google und Navi bedient, während man selbst schon das erste Stück des Weges schrubbt.

Also bleibt nur die Notlösung. So schnell es geht rauf auf den Berg. Da gibt es auch zwei Haltepunkte, die verkehrsgünstiger liegen.

Aber wie es dann so ist, auf der Serpentinenstraße nach oben schleicht’s vor mir her. Ein Mann im dicken SUV, der in den Haarnadelkurven auf der Bremse steht, anstatt mit angepasstem Schwung durchzuziehen, nur um danach ewig zu brauchen, bis sein Schiff wieder in Fahrt kommt.

Endlich oben angekommen, entpuppt sich Haltepunkt 1 als absoluter Reinfall. Industriehalle dahinter, Firmenparkplatz davor. Und dazu noch Schichtwechsel, was ein „ich stell mich da mal kurz an die Seite“ völlig unmöglich macht. Also gehetzt zu Haltepunkt 2, der nächsten und letzten Option. Denn wenn der Zug pünktlich ist, dann schaff ich es nicht mehr, ihn am Streckenendpunkt abzulichten, dort wo er startet.

Ist er natürlich nicht. Und so stehe ich noch eine ordentliche Zeit an Haltepunkt 2, der nicht viel besser ist als Nummer 1, nur ohne Halle und ohne Parkplatz. Kaum verwunderlich, entsteht dementsprechend so auch nur ein Bild, ausschließlich für den Chronisten und Sammler, getreu dem Motto „Wer weiß, wann man wieder hier ist und ob und was dann noch fährt.“ Man erinnere sich: „40 Jahre“.





Ohne Halt rollt an diesem Tag 650 351 als VEN 88013, von Emmelskirchen kommend, durch die Station Boppard-Fleckertshöhe.






Kleiner Funfact am Rande. Der Haltepunkt besitz, warum auch immer, zwei Richtungsbahnsteige, die versetzt vor und hinter einem Bahnübergang liegen.

Nun ist es Zeit sich auf die Nahe Autobahn zu klemmen und gen Norden zu verschwinden. Schließlich ist es schon 14.00 Uhr durch und ich möchte doch heute gerne noch meine erste gelbe Nez Casse dieses Urlaubs auf den Chip bannen.

Rund drei Stunden Fahrzeit sind es, inklusive einer Ehrenrunde, die ich meinem Navi verdanke, weil es an einem Autobahnkreuz meint, mich wieder zurückschicken zu müssen. Ach ja, und einmal Stopp and Go, mittlerweile im Regen, in den Weiten des Ruhrgebiets ist auch mit dabei. Dann roll ich aber auch schon durchs platte Land, hin zur kleinen Ortschaft an der Westgrenze Deutschlands.

In Bad Bentheim angekommen, geht es direkt zum Bahnhof. Eigenartig dieser Ort. Also nicht der Parkplatz vor demselbigen. Der ist Standard, aber weitestgehend leer. Dafür aber mit Parkuhr, die nur Kleingeld schluckt, welches ich kaum mehr habe. Daher springt die Zeit auf der Uhr auch nur schrittchenweise hoch, als ich Stück für Stück von den wenigen kleinen Münzen einwerfe, die ich noch finden lassen.

Nein, Bad Bentheim an sich ist irgendwie eigenartig von der Bebauung. Wenigstens das, was ich bisher auf der Anfahrt gesehen habe. Hier mal was, dort mal was, und dazwischen viel Grün.

Der Bahnhof selbst ist, ich sag mal so, zum Fotografieren eher unhübsch. Eben wie ich es bei der Betrachtung von Bildern, ob älter oder aktuell, auch schon empfunden habe. Trotzdem gibt es zwei gute Gründe, doch hier zu verweilen. Und beide kommen quasi von oben.

Einmal das Wetter. Schieben sich doch dichte Wolkenbänke über den Himmel, die ein maximales Aufreißen von Blende und eine möglichst „lange“ Belichtungszeit notwendig machen, will man die ISO Zahl in einigermaßen verträglichen Grenzen halten. Dazwischen gibt es dann immer wieder Löcher, in denen das Hell um einen herum förmlich explodiert. Steht man da an der Strecke bekommt man im besten Fall graubraunen Sumpf, im schlimmsten Fall wird alternativ die ganze Szenerie hoffnungslos überstrahlt.

Ja, und da ist dann auch noch die Sache mit dem Strom. Wechselt doch hier in Bad Bentheim das Stromsystem von Gleich- auf Wechselstrom. Grund für einen Ablauf, welcher in Zeiten von Mehrsystemloks generell mehr und mehr am Aussterben ist. So auch hier, wo sich der Wechsel zwischen 1700ern der NS und 101ern der DB durch Einsatz der Vectron in naher Zukunft erledigt haben wird.

Es gibt ja vom Grundsatz her zwei Spielarten von Systemtrennungsbahnhöfen. Zum einen die zum Schubbsen. Also Stationen mit einer fixen Trennung in zwei Strombereiche, meist quer über den Bahnhof, in den die Elloks der jeweils anderen Fraktion mit gesenktem Bügel einrollen, um dann anschließend wieder unter ihr eigenes, passendes Stromnetz zurückgestoßen zu werden. Entweder durch die Lok die dann die Traktionsleistung übernimmt oder durch einen Bahnhofshobel.

Zum anderen gibt es die umschaltbaren Bahnhöfe, bei denen die Fahrleitung so aufgebaut ist, dass Teile wahlweise mit dem ein oder anderen Stromsystem gespeist werden können. Loks können somit eigenständig, ohne fremde Hilfe, mit Zügen einfahren, umsetzen oder neue Zugleistungen übernehmen. Einfacher für den Betriebsablauf unten auf den Schienen, komplexer in Sachen Technik und Bedienung durch das Stellwerkspersonal.

Ach ja, und da gibt es noch die Variante „Spielfeld-Straß“, wo man zwar über eine umschaltbare Fahrleitung verfügt, aber trotzdem meistens kräftig schubbst.

Aber bleiben wir bei der Variante zwei, wie sie hier in Bad Bentheim Realität ist. Teile des Bahnhofs sind für beide Stromsysteme ausgelegt. Welche Gleise das sind, lässt sich bei einem Blick auf die Fahrleitung gleich erkennen. Sind doch die gleichstromfähigen Abschnitte, wie gewohnt, mit zwei parallelen Drähten ausgerüstet. Somit können aus den Niederlanden kommende Gleichstromloks die Züge eigenständig umfahren oder zumindest auf ein Abstellgleis ausweichen, bis das Hauptgleis von der nun für die Traktion sorgenden Wechselstromlok geräumt wurde. Gleiches gilt natürlich auch umgekehrt.

Und genau das passiert wenig später. Während 101 103-0, die vor einiger Zeit die Gegenleistung in den Grenzbahnhof gebracht hatte, draußen im östlichen Vorfeld, hinter der Trennstelle, wartend auf dem Hauptgleis steht, rollt 1750 der NS, mit gehobenem Bügel, mit dem IC 149 „Amsterdam Centraal – Berlin Gesundbrunnen“ am Haken in Bad Bentheim ein.

Nach dem Entkuppeln rollt sie eigenständig, unter Gleichstrom, bis zur, kurz vor der Trennstelle liegenden, Weiche vor, um dort in ein kurzes Stumpfgleis abzubiegen, welches, selbst wieder mit einer Trennstelle gleich hinter besagter Weiche versehen, dauerhaft mit Gleichstrom gespeist ist. Dort wird sie nun warten, bis die DB Maschine den IC aus den Bahnhof gezogen hat.





Während die Maschine der Nederlandse Spoorwegen auf ihrer Gleichstrominsel wartet, rollt 101 103-0 nun unter Wechselstrom an ihren Zug. Blick man auf die Fahrleitung vor der 1750, ist gut die Trennstelle zu sehen, die dies möglich macht.






Für diese ist der Weg nun frei. Nach Umlegen der Weiche hat der Fahrdienstleiter auch die Spannung über Gleis 1 von 1.500 V Gleichstrom auf 15 kV/16 2/3 Hz Wechselstrom umgestellt. Vorbei an ihrer Gleichstromschwester rollt 101 103-0 nun ihrerseits eigenständig an den Zug, den sie nach Kuppeln und Bremsprobe nun weiter in Richtung Berlin bringen wird.

Kaum hat die Rote das Feld geräumt, kann auch die gelbe 1750 ihre Gleichstrominsel wieder verlassen. Weiche zurück auf Ablenkung, Stromsystem gewechselt und schon rollt die Maschine mit dem charakteristischen Aussehen aus eigener Kraft in den Westkopf, um dort auf die Rückleistung nach Amsterdam zu warten.





Nachdem 101 103-0 den Bahnhof Bad Bentheim mit dem IC 149 in Richtung Berlin verlassen hat, hat der Fahrdienstleiter der Fahrleitung auf Gleichstrom umgestellt. Jetzt kann 1750 der NS ihre Strominsel verlassen und in den Westkopf des Bahnhofs rollen. Dort wartet sie, bis sie den IC 142 nach Amsterdam Centraal übernehmen kann. Links entschwindet derweil der Zweisystem-Triebzug der Eurobahn nach Rheine.






Nun ist es auch Zeit für mich aufzubrechen und die Bahnhofsseite zu wechseln. Nur nicht von West nach Ost, sondern eher von Süd nach Nord. Nämlich hinüber zu meiner Herberge für die kommenden zwei Nächte, im ehemaligen Bahnhof der Bentheimer Eisenbahn. Gut, der Empfang ist nur eingeschränkt herzlich und auch das Zimmer ist in Dimension und Ausstattung nicht unbedingt herausragend, geht es doch eher rustikal und eng zu, aber ansonsten hat diese Location schon etwas. Schnell ist auch die Enttäuschung gewichen, keinen Bahnblick zu haben, befindet sich doch auf der Gleisseite der Flur mit einem begehbaren Vordach. Aber auch auf der Waldseite sind die Vibrationen, das Quietschen und Schlagen der jetzt rollenden Güterzüge überdeutlich zu hören und zu spüren. Man möchte sich gar nicht ausmalen wie es wäre, gingen die Fenster zum Bahnhof hinaus.

Kurz noch frische Luft hereinlassen und dabei vom kleinen Balkon aus, die Abendsonne genießen. Wie? Abendsonne? Ja, tatsächlich! Wann und wie auch immer, in den letzten paar Minuten, die ich mit einchecken und Koffer über die Treppe wuchten verbracht habe, ist das dichte Grau aufgerissen und die Sonne strahlt vor einem, nur mit wenig Wolken durchsetztem, Blau. Da lass ich doch gleich alles stehen und liegen, inklusive Abendessen unten im Restaurant, und mache mich auf, raus an die Strecke. Der IC 142 steht bald an. Und mit etwas Glück gibt es sogar noch ein Sonnenbild von dem gelben Meisje.

Schnell wird eine möglich Fotostelle auf der Karte ausgeguckt und schon spring ich mit leichtem Gepäck die Treppen runter, um mein Auto nochmal zum Leben zu erwecken. Der Bahnübergang im Ortsteil Hagelshoeck soll es sein. Dort ist reichlich Grün um die Strecke und die Sonne sollte auch noch passen. Tut sie nicht mehr zu 100%, aber immerhin sie scheint, als ich schließlich, an eine Hecke gepresst, auf den Auslöser drücke. Nicht schlecht, Herr Specht.





Wie früher auch ab Emmerich, so spannt sich hier ab Bad Bentheim eine Gleichstromfahrleitung hin zur Grenze. 1750 hat im Grenzbahnhof den IC 142 von Berlin nach Amsterdam übernommen und ist nun bei Hagelshoeck auf dem Weg in Richtung Heimat.






Zurück im Hotel heißt es erstmal umziehen und vorbereiten aufs Abendessen. Freu mich schon drauf, mich gleich ins Konzert der klappernden Bestecke mit einreihen zu können. Ein Blick durch Fester des Restaurants zeigte gerade beim Vorbeigehen nur glückliche, zufriedene Gesichter, was ja wohl eindeutig für die Küche und den Koch spricht.

Ich bin schon fast auf dem Sprung hinunter zum Essen, da rappelt und quietscht es vernehmlich auf der anderen Hausseite. Kesselwagen würde ich sagen. Also schnell die Kamera geschnappt und in Flipflops raus aus dem Zimmer. Während vorne noch die letzten Wagen vorbeipoltern, sonnt sich gegenüber, auf dem Stumpfgleis, eine 1700er im zarten Abendlicht. Mensch, den Ostfahrer hatte ich jetzt irgendwie nicht mehr auf dem Zettel. Wohl, weil er sowieso auf der Strecke aus dem Licht gekommen wäre. Nun steht sie aber da drüben, die potentielle Nummer zwei dieser Reihe an diesem Tag. Also starte ich einen Versuch vom Vordach aus. Geht nicht! Zuviel Grün, Draht und Mastgewirr dazwischen. Dann mal von unten über die Gleise versuchen. Jawohl.

Schuhe an? Nein dauert zu lange und am Ende ist dann das Licht auch schon wieder weg. Außerdem, ich will ja eh nur mal kurz hinter das Haus. Also raus in Latschen.

Das mit „kurz mal hinterm Haus“ funktioniert nicht. Erstens kommt man nicht legal hin, zweites hätte man mehr Schienen als Lok auf dem Bild. Also vorbei an dem irritiert dreinblickenden Pärchen, dass das Zimmer neben mir bewohnen. Etwas fragend schauen sie mir nach, wie ich an ihnen, mit freundlichem Abendgruß, beschwingt „vorbei flipflope“….

Einmal durch den Durchgang, dann über die Fußgängerbrücke und hinauf auf den Bahnsteig. Endlich oben stelle ich zu meiner Erleichterung fest, dass es noch Licht hat. Aber die Lok steht von hier aus verdammt weit weg. Und mein Immerdrauf hat einfach zu wenig Brennweite, um das zu überbrücken. Egal, denn Rest muss der Computer machen.





Nochmal drückt die Sonne durch die Wolken und beleuchtet 1765 der NS. Diese hat einen IC aus Amsterdam nach Bad Bentheim gebracht und wartet nun auf dem Stumpfgleis darauf, dass für sie Spannung und Fahrstraße für den Wechsel in den Westkopf eingestellt werden.






Im Hoch der Gefühle und zufrieden über zwei Sonnen 1700 „flipflope“ ich zurück in Richtung Abendessen. Ein ordentliches Mahl und ein, zwei kühle Helle habe ich mir jetzt redlich verdient. Verdient vielleicht, nur bekommen werde ich es nicht. Heißt, dass Bier schon, aber die Küche schließt um 20.00 Uhr, wie mir die nette Bedienung bedauernd mitteilt. Ihr mitfühlendes Lächeln in allen Ehren, aber davon kann ich jetzt nicht abbeißen. Und mein Magen ist eindeutig auf Hunger eingestellt, ist doch eigentlich den ganzen Tag nichts wirklich herzhaftes als Füllung hineingekommen.

Jetzt ist guter Rat teuer. Leicht angesäuert verlasse ich die heiligen Hallen und schleppe mich in den 1.Stock. Das eben auch noch eine graue 1600/1800 von Rail Force One vorbeihuscht, drückt die Stimmung gleich noch mehr.

Schnell wird Tante G zu Rate gezogen, aber was so an Lokalitäten noch offen hat, kann mich jetzt irgendwie nicht begeistern. Liegt vielleicht auch da dran, dass mich in der aktuellen Gemütssituation gar nichts begeistern kann. Vom emotionalen Überflieger abgestürzt bis auf Höhe 0.

Schlussendlich lande ich bei Edeka, draußen am Stadtrand. Der hat bis um 21.00 Uhr auf und nach etwas herumsuchen gibt es Wurst, Käse und Semmeln zum Abendbrot. Bier, Wasser und Cola landen auch noch im Korb. Letzteres gibt es gekühlt nur in Glasflaschen. Na, die werden dann wohl ein langes Leben haben bei mir, denn von Bayern nochmal hier hochzufahren, nur um das Flaschenpfand zu kassieren, fällt wohl weg.

Jetzt aber flott, um 21.00 Uhr muss ich vor der Glotze sitzen. Erstes Halbfinale bei der Fußball EM. England gegen Schweden. Erst mit überraschend starken Skandinavierinnen, danach mit nicht zu stoppenden Britinnen und einem Traumtor per Hacke von Alessia Russo. Echt Hammer! Wer immer die Gegnerinnen im Finale sind, Frankreich oder Deutschland, sie werden schwer zu kämpfen haben gegen diese phantastischen Hausherrinnen.

Nach Schlusspfiff wird noch der Plan für morgen aufgestellt. Stimmt man Wetterbericht und Fahrplan miteinander ab, könnte es schon um 7.00 Uhr das erste Sonnenbild mit InterCity geben. Wenn alles passt. Heißt also noch vor 6.00 Uhr raus aus den Federn und ab durch die Mitte. Frühstück ist dann erst danach, denn so früh gibt’s noch nichts zu beißen. Müsste sich aber zeitlich ausgehen. Und zwar so, dass man nach der Schlacht am Frühstückbuffet pünktlich wieder an der Strecke steht. Diesmal in Holland, äh sorry, in den Niederlanden mein ich natürlich. Da hab ich einen netten Blick gefunden. Glaub ich zumindest….

Naja, man wird sehen. Jetzt erstmal Gute Nacht!