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Spätsommer in Finnland (3/8)

Von

Sonntag, 22.08.2021

Deutlich früher als geplant ging es heute aus den Federn. Und das, obwohl ein böiger Wind immer wieder Regenschauer übers Land treibt und das Licht nach 1000er ISO-Werten schreit. Aber wer was reißen will, der muss sich eben auch an so einem Tag aufraffen. Und was soll ich sagen, es hat sich gelohnt. Ich war genau zur richtigen Zeit am richtigen Ort und habe schon diverses klar gemacht. Eine Bilanz die sich sehen lassen kann. Wenn es so läuft, kann einen auch der Blick auf den dunkelgrau verhangenen Himmel und die tief herabhängenden Wolken nicht schocken.

Nun heißt es aber nicht nachlassen und auf dem bisher ergatterten ausruhen. „Weiter, immer weiter“, wie schon eine Fußball Legende so treffend bemerkte. Also zögere auch ich nicht, sondern schwinge mich auf, denn es gibt noch so viel zu holen!

Gut, den Heringssalat lasse ich stehen, obwohl der durchaus appetitlich wirkt. Aber Fisch ist nicht so ganz mein Ding. Dafür gibt es noch genügend andere Leckereien auf dem reichhaltigen Frühstücksbuffet, die nur darauf warten von mir probiert zu werden.

Wie, habt ihr jetzt wirklich gedacht, ich hätte mich bei dem Mistwetter draußen an die Strecke gestellt? Echt jetzt?

Nein, nein! Auch wenn es ein Fotourlaub ist, alles hat seine Grenzen. Und die hab ich mir nach dem Wettercheck gestern Abend eindeutig bei 12:00 Uhr gesetzt. Da MUSS ich nämlich an den Gleisen stehen, denn dann gibt es zwei Sm2 Leistungen auf der Linie nach Kotka. Am Vormittag fährt nichts. Und am Morgen raus, bei dem ….. das hatten wir schon.

Zudem wäre es eine Sünde gewesen, sich dieses Frühstückbuffet entgehen zu lassen. Also hieß es heute erstmal ruhen. Und als das dann aufgrund aufsteigender Restunruhe nicht mehr möglich war, ab zur Schlacht am kalten Buffet. Und mein Timing war perfekt. Genau zwischen der ersten, und der jetzt langsam einsetzenden zweiten Welle war ich da. Volles Angebot, volle Auswahl, freie Tische und kein Anstehen oder Drängeln, während draußen sich die Teile 1-3 von „Weltuntergang“ abspielen.

Egal, dass es wohl heute wenig Fotos gibt. Ich genieße es einfach mal nach Wochen und Monaten Stress und Hektik Zeit zu haben. Aber irgendwann ist auch der dritte beladene Teller geräumt, das vierte Glas Orangensaft gelehrt, der Tisch um mich herum zur Genüge vollgebröselt. Aufbruch!

Vorher noch Julia befragt, ob es was Nettes gibt. Und die spuckt prompt eine passende Sm2 Leistung nach Lahti aus. Könnte man ja an der Bahnhofsausfahrt machen. So mit Betriebswerk im Hintergrund. Vorher noch Gepäck holen und bei den netten Damen an der Rezeption auschecken. Nur zu gerne antworte ich auf Ihr „Wir hoffen, sie besuchen unser Haus bald mal wieder!“ mit einem von Herzen kommenden „Auf jeden Fall!“.

Wenig später unten am Bahnhof muss ich feststellen, Anfahrt und Parkplatzsituation sind top, dass mit dem netten Blick mit Betriebswerk inkl. dort abgestellter Maschinen im Hintergrund war aber ein Trugschluss. So entsteht am frühen Morgen, also so um halb elf, als erstes Foto des Tages ein ausgesprochenes „naja“-Bild. Aber hallo, es ist immerhin ein Sm2! Und wer weiß, wie lange …… Na, Ihr wisst schon.





Nur Hundebesitzer und Eisenbahn-Fans gehen an so einem grauen Sonntagmorgen ohne Not vor die Tür. Sm2 6279 verlässt als HSM 324 nach Rihiimäki den Bahnhof von Kouvola. Im Hintergrund wartet ein Sm4 darauf, seine Fahrt nach Helsinki via Schnellfahrstrecke anzutreten.






Ein Sm4 in Kouvola? Das hab ich so auch noch nicht gesehen! Jetzt täglich planmäßig oder nur eine Leistung die sonntags fährt? Das genauer zu ergründen, spare ich mir aber. Ich nutze den Zeitpuffer lieber aus, mir etwas Streckenkunde für die Linie nach Kotka anzueignen. Der Abflug via Luftbild gestern Nacht hat nicht viel Hoffnungen gemacht, dass es hier easy wäre sich zu stellen. Zugegeben, ich war aber auch schon müde und habe nicht sehr konzentriert und recht schnell geschaut. Im Kopf hängen geblieben ist mir aber, teils sehr urban, teils mitten im Wald ohne Anfahrtswege. Also schau ich mir das doch dann besser mal mit Vorlauf im Live View Modus an.

Erst geht es auf der Schnellstraße etwas nach Süden, dann stech ich rüber nach Myllykoski. Wie erwartet, ziemlich verbauen, ziemlich verbuscht, und auf dem einzigen Stück was einigermaßen frei ist, läuft die Strecke auf einem Damm. Zudem ist die Sonne noch drüben ….. welche Sonne denn???

Etwas hinter dem Ort geht die Straße einige Kilometer mal auf der Morgenseite parallel. Das könnte was sein. Zwar mit Einschränkungen, aber besser als nichts. Vorher an einer Raststätte noch kühle Getränke und etwas für zwischen die Zähne gebunkert. Gesalzene Erdnüsse, Bounty, nen Schokoriegel ….. alles haltbar ….. Eisenbahnfotografen Junk Food eben.

Kaum aus dem Ort raus und an der langen Geraden in Richtung Inkeroinen angekommen, schreckt mich ein grünes Signal auf! Ein „Immergrün“? Wohl eher unwahrscheinlich. Personenzug kann es keiner sein! Die kommen erst viel später. Ein Güterzug? Eine Leerfahrt? Baugerödel? Aber Julchen hat doch gar nichts gesagt!

Für den Einstieg in eine diesbezügliche Diskussion mit meiner Reisebegleiterin bleibt leider keine Zeit. Obwohl ich schon gerne gewusst hätte, was sie zu ihrer Verteidigung zu sagen hat. Ein Blick in den Rückspiegel zeigt nämlich drei muntere Spitzenlichter die sich nähern.

Da heult der Hybrid, als ich ihn, immernoch im Rahmen der hiesigen Geschwindigkeitsvorgaben, von lockerem Crusen auf Vollsprint hoch prügle. Ich suche einen Hubbel am Straßenrand. Die Bahn läuft nämlich auch hier auf einem kleinen Damm. Nicht allzu hoch, aber jeder Zentimeter, den ich höher stehe, hilft. Zudem möchte ich irgendwie die Straße rausschneiden, ohne dass dabei die beiden Signale im Hintergrund wegfallen. Stichwort lange Brennweite. Gut, dass der Zug nicht allzu schnell unterwegs ist, so bekomme ich alles so einigermaßen hin. Und da jetzt auch noch die Sonne durchdrückt, könnte man es unter den gegebenen Umständen fast perfekt nennen.





Deutlich vor Plan ist T 2618 auf der langen Geraden zwischen Myllykoski und Inkeroinen nach Kotka unterwegs. Zuglok ist Sr1 3014, die sich noch im rot-grauen Lack mit grünem Balken zeigt.






Puh, was für ein Glück! Bei den heutigen Wetterverhältnissen kann man diese Ausleuchtung ja fast schon als Volllicht durchgehen lassen. Ansonsten kennt man als leidgeprüfter Fotograf meist ja nur die entgegengesetzte Variante. Licht – Zug/kein Licht – Licht. Für mich ist der Tag damit eigentlich schon gerettet.

So, aber nun zu uns Beiden junge Dame! Warum hast Du mir denn nicht gesagt, dass hier was unterwegs ist?!? Julchen gibt sich angemessen zerknirscht, weist aber durchaus nicht unbegründet darauf hin, dass ich es ja war, der nur die Fahrplanseite und nicht die Karte aufgemacht hat. Und daher konnte sie den stark vor Plan fahrenden Güterzug nicht ordnungsgemäß ansagen.

Da hat sie nun irgendwie auch wieder Recht! Also, Schwamm drüber, es hat ja alles noch bestens geklappt. Und außerdem, ich kann ihr ja doch nicht böse sein.

Wieder ein Herz und eine Seele geht es weiter gen Süden, immer den Blick zwischen Navi-Karte und Landschaft pendeln lassend, auf der Suche nach einer Fotomöglichkeit. Aber hier eine zu finden ist sogar noch schwieriger, als das Luftbild gestern nach suggeriert hat.

Ein Zeitfenster von einer Stunde habe ich, bis zum nächsten Personenzug. Knapp genug, erst recht, wenn man sich noch entgegenfährt. So irre ich mit wachsender Hektik von Querstraße zu Querstraße, von Waldweg zu Waldweg, um nicht nur einmal irgendwo vor einem Gatter, einer Grundstückzugfahrt oder einer einfach mit meinem PKW nicht mehr zu befahrenden Strecke zu verenden.

Schließlich lande ich so in Tavastila, einer verschlafenen Siedlung zwischen Wiesen und Wald. Hier ist quasi Dead End, denn die Nebenstraße, auf der ich der Bahn entlang gefolgt bin, knickt abrupt nach links, und damit von der Bahn wegführend, ab. Weiterfahren bringt nichts, denn wenn ich wieder Bahnkontakt habe, ist der Zug dort schon durch. Und da auch meine Versuche mit hinterhalb des Ortes irgendwo durch die Wälder zu schlagen, scheitert kläglich. Einzig ein paar Anwohner habe ich mit meinem rätselhaften hin- und herfahren wohl aus ihrer sonntäglichen Ruhe geschreckt.

Also platziere ich mich am Haltepunkt. Einer unspektakulären Betonbude, mit rudimentärem Schüttbahnsteig und Parkmöglichkeiten auf der Brache davor. Aber durchaus mit Publikumsverkehr. So banal, dass es fast schon wieder pittoresk ist.





Ein Tag im Leben eines finnischen Land-Haltepunkts. Sm2 6291 bremst planmäßig im Haltepunkt Tavastila, um als HSM 358 von Kotka nach Kouvola die beiden dort wartenden Reisenden aufzunehmen.






Fast lautlos setzt sich der Triebzug wieder in Bewegung und beschleunigt, leicht an eine ältere Straßenbahn erinnernd, während ich noch etwas unschlüssig auf meinem Schotterhaufen stehen bleibe, den ich mir als Standort ausgesucht hatte.

Keine Viertelstunde und dann taucht die Leistung in Richtung Kotka hier auf. Also einfach bleiben? Nein! Definitiv, nein! Hatte der Blick auf den Haltepunkt ja durchaus noch etwas Charme, zeigt sich in Gegenrichtung nur ein verwüsteter Bahndamm, gesäumt von kruden Gewächsen in schmutzigem Grün-Grau.

Also ist jetzt Wallung angesagt. Schnell, ganz schnell verschieben! Aber wohin? Auf jeden Fall zurück bis vor die Stelle, wo sich die Strecken teilen. Das muss ich mir im Übrigen auch nochmal genauer auf der Karte ansehen. Da hat’s eine Brücke und die könnte doch gehen, oder? Nein, nicht wirklich …. die hatte ich doch bei der Herfahrt schon ausgeschlossen! Sicher? Naja, so gut wie! Aber sowieso die einzige Alternative….

Jaja, auch als Einzelner kann man wunderbar Dialoge führen!

An der Brücke angekommen, seh ich sofort, ich hatte Recht! Oder war es ich, der dass die ganze Zeit gesagt hat? Die Brücke ist für den Zug zu kurz, der Damm vorher an der entscheidenden Stelle bewachsen und einen großen Strommast gibt es als Dreingabe kostenlos noch mit drauf. Aber was machen? Der Zug drückt schon massiv! Unfotografiert ziehen lassen? Definitiv keine Option. Also schnell links den Weg hoch, und ab ins Ungewisse.

Viel fehlt nicht zwischen Weg und Bahn. Halt nur eine Reihe Büsche und Bäume stören etwas. Und dann steh ich auch plötzlich mitten zwischen schmucken, leuchtend gelb gestrichenen Häuschen. Also Auto geparkt, durchs Grün gebrochen und an den Schotter gepresst. Schon summt es weiter vorne um die Ecke. Ein klassischer Schotterkleber. Aber gar nicht mal so schlecht, wie ich nach einem Blick aufs Display finde. Ist es doch bei so einem Wetter nicht die dümmste Idee, Fahrzeuge großflächig aufs Bild zu bannen.




Als HSM 359 auf dem Weg von Kouvola nach Kotka ist Sm2 6073, als er sich bei Pikkunummi in die Kurve legt.






Puh, das nennt man Timing. Keine zwei Minuten später, und er wäre durchgerutscht. Nicht unzufrieden kämpfe ich mich wieder durchs Unterholz zurück. War bis eben noch Hektik, hab ich jetzt bis zur nächsten Zugleistung Zeit. Erst in rund einer Stunde soll es von Süden her rollen. Aber da behalt ich mal lieber Julia ganz genau im Blick. Schließlich kam der Güterzug vorhin auch schon deutlich früher.

Nebenbei heißt es noch eine neue Fotostelle suchen. Weiter in Richtung Kotka? Lieber nicht. Denn so richtig habe ich noch nicht herausbekommen, auf welcher der beiden Strecken der anstehende Zug kommen könnte. Also erstmal zum Betriebsbahnhof, der gleich ums Eck liegt. Da könnte man zwar bequem stehen, aber viel Gerümpel im Hintergrund und ein kniehoch angebrachter Kabelkanal, den man auch mit Hilfe der kuriosesten Verrenkungen nicht aus dem Bild bringt, lassen mich wieder von dannen ziehen. Ein Stück weiter den Waldweg parallel der Bahn hinein? Scheint nach etwas Fahrt tatsächlich vielversprechend, haben doch fleißige Waldarbeiter ein ordentliches Stück entlang den Gleisen freigeholzt. Und das sogar ganz schön ordentlich. Nur leider haben sie zwei Büsche stehen lassen. Und die stehen genau am Auslösepunkt. Da hilft auch kein besteigen eines Felsens. Die Augen immer brav auf den Boden gerichtet, um evtl. vorhandene, sich schlängelnde Vormieter nicht zu übersehen.

So heißt es auch hier wieder unverrichteter Dinge abziehen. Und die Uhr tickt erbarmungslos runter. Nächste Möglichkeit, eine Brücke die vorhin bei der Beschau eigentlich schon durchgefallen war. Also da hin und sehen, ob nicht doch was geht, denn langsam gehen mir die Optionen aus.

Immer an der Leitplanke entlang geht es die lange Rampe hoch. Dabei fällt mir wieder auf, wie rücksichtvoll und defensiv die meisten Finnen doch fahren. Wirklich ein jeder, der mich passiert, reduziert die Geschwindigkeit und fährt mit Abstand vorbei. Selbst als, ich oben angekommen, hinter der Metallabsperrung stehe, ist das so. Was mir dann schon wieder etwas peinlich ist. Der Zug indes lässt ich Zeit. Immer mehr Verspätung zeigt Julia an. Egal, Aussicht und Wetter wären auch bei Plandurchfahrt nicht besser. Und so bleibt die Lok Motiv und einziger Grund hier auszuharren und abzudrücken.





Mit Verspätung bringt Sr1 3049, aus Kotka kommend, den T 2633 nach Kouvola tavara.






Zwar jetzt nicht das spektakulärste aller Bilder, aber immerhin landestypisch. Viel wichtiger für das Herz des Sammlers, es füllt eine Lücke im Archiv. Hatte ich doch vorher die 3049 noch nicht abgelichtet.

Es ist jetzt halb Zwei und so richtig hab ich keinen Plan mehr. Das Grau am Himmel scheint wohl nun endgültig und die Option nach Helsinki für eine Runde chilligem Sightseeing aufzubrechen, gewinnt immer mehr an Liebreiz. Wäre da nicht die Leistung von Operail, die in gut einer Stunden da sein soll, und die ich mir wegen der zu erwartenden Dr20 gerne noch antun würde.

Aber was tun in der Zeit bis dahin? Zum bis dahin hier oben herum stehen hab ich nun keine wirkliche Lust. Nicht zuletzt als gerade die vorhandene Luftfeuchtigkeit beginnt sich in Tropfen zu manifestieren. Wie wäre es dann mit einem kurzen Abstecher nach Inkeroinen? Stand da nicht vorhin so einiges von den finnlandtypischen, hohen, geschlossenen Güterwagen herum? Zudem gab es doch da jede Menge Anschlussgleise zu sehen. Schreit diese Kombination nicht gerade danach, dass es hier einen Bahnhofshund gibt, der fleißig hobelt?

Auf dem Weg zum Ort erstmal noch einen Waldweg gecheckt. Aber anstatt bei den Gleisen anzukommen, verende ich an einem Verbotsschild. Dann sind die Gemeinde und der Bahnhof erreicht. Den ersten Anfahrtversuch von der „Sonnenseite“ her breche ich ab, denn der steile Schotterweg scheint in ein Lager oder so zu führen. Also rüber auf die andere Seite, wo auch das Stationsgebäude steht. Bei dem bedeckten Himmel spielt der Sonnenstand eh keine Rolle.

Noch ist der Motor nicht aus, da dringt schon das Wummern eines großen Dieselmotors an meine Ohren. Flux alles gepackt und raus. Schon zieht eine Dv12 an mir vorbei. Voll doof jetzt das!

Zu meiner Erleichterung kommt sie aber noch in der Bahnhofsausfahrt zum Stehen. Weichenantriebe surren, Metall schlägt an Metall und zurück geht es mit Schmackes durch den Bahnhof. Das natürlich gerade jetzt, und, soviel sei vorweggenommen, auch zum einzigen Mal, die Sonne etwas durchs Gewölk drück, ist ja mal wieder typisch.






Eine Vielzahl von Gleisanschlüssen sorgen für Arbeit im Bahnhof Inkeroinen. Dv12 2655 hat gerade im südlichen Bahnhofskopf Gleis und Fahrtrichtung gewechselt, und brummt nun lautstark durch die Station.



















Ein Eisenbahner nähert sich mit gemäßigten Schritten. Angetan mit gelber Warnweste, möchte er erst auf Finnisch, dann auf Englisch wissen, woher ich komme, was ich hier mache und ob ich wohl wegen der 2655 hierhergekommen wäre. Das sich ein Eisenbahnfotograf aus Mitteleuropa ausgerechnet nach Inkeroinen verirrt, begeistert ihn unverkennbar. Sofort entspannt sich eine nette Konversation, in deren Verlauf er mir mitteilt, dass die eben abgelichtete 2655, seines Wissens nach, die letzte planmäßig eingesetzte Lok der Reihe in Altlack sei. Sowas gäbe es ansonsten nur noch im Museum. Darum auch seine eingangs gestellte, mich etwas verwundernde Frage, ob ich wegen genau dieser Maschine hier sei. Nun fehlt mir ehrlich gesagt die Kenntnis, welche finnische Lokbaureihe wann welches Outfit trug. Bei genauerer Betrachtung der Angesprochenen fällt mir aber nach diesem Hinweis nun schon auf, dass sie tatsächlich noch ohne den grünen Balken durch die Lande fährt, der ansonsten üblicherweise alle „altfarbenen“ Maschinen ziert oder verunstaltet. Je nach Ansicht.

Mein Gesprächspartner verabschiedet sich lachend mit dem Hinweis, ER hätte leider keine Ferien und daher müsse er weiter und seiner „Rangiertätigkeit“ nachgehen. Und da die Dv12 mittlerweile auch in Richtung eines weiter draußen liegenden Anschlusses verschwunden ist, beschließe auch ich mich von dannen zu machen und die Seiten zu wechseln. Der vorhin fälschlicherweise als Lagergelände eingestufte Bereich auf der „Sonnenseite“ hat sich nämlich bei genauerer Betrachtung von meinem jetzigen Standpunkt aus als einfache Brachfläche entpuppt, auf der sich gut im Auto warten und ein Hotel in Helsinki suchen lässt. Zudem, würde die Sonne doch nochmal widererwartend durchdrücken, stünde ich gleich richtig. Eine etwas derangierte Dame, die sich nun nähert und mich auf Finnisch entweder um Zigaretten bittet oder zum Mittrinken einlädt, beschleunigt meinen Stellungswechsel noch zusätzlich.

Nun hänge ich hier im Auto auf dem Schotterplatz, wartend, dass die Dv12 wieder- und die Sonne rauskommt. Nebenher hangle ich mich durch ein bekanntes Buchungsportal auf der Suche nach einer Bleibe für mein Auto und mich, in der kommenden Nacht. Zwischendrin ist sogar noch ein Eisenbahnbild entstanden. Eigentlich sollte als Kulisse für die Sr1 die nördliche Bahnhofseinfahrt dienen. Doch entweder war der angekündigte Güterzug zu schnell, oder ich zu langsam, denn quasi zeitgleich waren wir am Ortsein- bzw. -ausgang eingetroffen. Keine Chance mehr also, die angepeilte Brücke zu erklimmen. So gab es nur ein Bahnhofsfoto, vom aktuellen Standort aus geschossen.





Sr1 3083 hat den mit Holz beladenen T 51239 von Kouvola hierher nach Inkeroinen gebracht.






Das mit der Buchung in Finnlands Metropole ist gar nicht so einfach wie gedacht. Nicht, dass es zu wenige freie Hotels gäbe, aber entweder lassen sie sich, selbst in Zeiten der Pandemie, die Zimmer, wie ich finde, teuer bezahlen oder die Etablissements liegen jwd und sind somit eher weniger interessant, will man heute noch was unternehmen.

Perfide finde ich auch, dass alles rund um die Übernachtung ausgegliedert ist und somit die jetzt schon ganz netten Preise sich bei genauerem hinschauen nochmal ordentlich aufsummieren. Gut, dass Frühstück nicht dabei ist, ist ja schon gang und gäbe. Aber ausnahmslos alle, lassen sich die Parkplätze auch noch teuer bezahlen. Teilweise bis 50% des Zimmerpreises. Wohl wissend, dass Laternenparken in einer Großstadt, eher eine unwahrscheinlich zu realisierende Alternative darstellt. Was kommt als nächstes? Duschen mit Münzautomaten oder Pauschalgebühr, sollte man es wagen im Bad Wasser verbrauchen zu wollen?

An einer Herberge bleibt mein Blick immer wieder hängen. Zwar nicht gerade bei den Günstigsten dabei, bietet sie doch Frühstück inkl. und, das ist viel entscheidender, eine Lage, fußläufig zu einer Stelle an der Ausfahrt des Helsinkier Hauptbahnhofs, an der die Gleise frei zugänglich eine kleine Verbindung zweier Seen kreuzen. Und das lockt!

Da mir aber vor lauter Daten schon der Kopf schwirrt und ich mich, mit Blick auf die gute Laune meines Finanzministers, nicht zu einer Entscheidung durchringen kann, lege ich das Handy erstmal beiseite und halte nach der Dv12 Ausschau.

Die ist mittlerweile von ihrer Rundreise durch die hiesigen Anschlussgleise zurück und hobelt kräftig hin und her. Fast modellbahnmäßig ist das Treiben, denn soooo viele Güterwagen stehen hier doch gar nicht rum. Aber wahrscheinlich sortiert man sie nach dem Alter der männlichen Mitglieder der Rangierabteilung oder nach der Größe deren Kinder. Ich weiß es nicht.

Es sorgt auf jeden Fall für jede Menge Bewegung vor mir, mit diversen Chancen auf Bilder, vielleicht ja auch mal mit einem Hauch von Sonne.

























Das mit Sonne und so klappt leider nicht. Es ist und bleibt dunkel. Auch als der Operail Zug mit mächtig brummenden Großdiesel an der Spitze durchrollt, worüber ich am Ende nicht wirklich traurig bin. Haben doch meine freundlichen Rangierhelden die Szenerie mit ihrer Lok plus Wagenschlange eh zugefahren. Und zwar so konsequent, dass ich nicht mal die Nummer der vorbeiziehenden Dr20 lesen konnte. Daher auch keine Chance mich zu ärgern, weil eine noch unfotografierte verpasst, oder mich zu freuen, weil gestern schon abgelichtet.

Sr1 3049, die ich vorhin mit ihrem T 2633 von der Brücke aus fotografiert hatte, hat bei der Hobelei noch ein paar Wagen dazu bekommen und zwischenzeitlich den Bahnhof auch schon wieder gen Norden verlassen. Ich werde es ihr gleichtun, unschlüssig, ob ich bei dem Wetter noch auf die nächsten Fensterzüge warten oder mich nun doch gleich in Richtung Helsinki empfehlen soll.

Ein Wolkenloch, was sich kurz vor Myllykoski unvermittelt auftut, nimmt mir die Entscheidung ab. Stellt sich nur die Frage, wohin auf die Schnelle. Vor dem Ort gib es zwar einen Damm, der leidlich frei ist, aber man steht tief und das am hinteren Gleis gen Kouvola laufende Fahrzeug würde aus der Perspektive zum Luftkissenboot mutieren. Also rein in den Ort und auf die dortige Brücke. Suboptimal!

Der Blick gen Süden geht ja noch einigermaßen …. wenn man Leitungen vor dem Zug mag und sich, zusätzlich zu den 188 cm eigener lichter Höhe, im Brückengeländer noch auf die Zehenspitzen stellt, um über die Büsche zu kommen. In Richtung Gegenzug reichts aber, selbst bei größtem Wohlwollen und Hinweis auf die Endlichkeit der Einsatzzeit der Sm2, nur zu einem Belegbild.





Sm2 6273 rollt als HSM 328 von Kotka nach Kouvola durch Myllykoski.






Wie gesagt, motivlich nun nicht so der Bringer, aber hey, es ist ein Sm2. Und deren Ende ist wohl eher nicht mehr so fern. Zumindest, wenn man nur alle paar Jahre hier rauf kommt, sollte man keine Chance auslassen, sie nochmal abzulichten. Und auch für das nächste Fahrzeug kann man schon durchaus mal in Wallung kommen, kündigt mir doch Julchen wie aus dem Nichts einen verfrühten Güterzug nach Kotka an. Der sollte eigentlich nach Plan erst in über einer Stunde hier sein, wurde wohl aber in Kouvola durchgelassen, ohne seine Pause abstehen zu müssen.

Aber wo nur hin? Das Einzige was mir einfällt, ist der Damm am Ortsausgang, der gerade bei der Auswahl der potentiellen Fotostelle durchgefallen war. Aber es ist die einzige Stelle die ich kenne, an die ich schnell hinwechseln kann und die auf der Sonnenseite liegt. Jawohl, Sonnenseite! Ein gerade wichtiger Faktor. Strahlt doch der helle Stern gerade üppig von oben, umrandet von einer großen Menge Blau.

Es ist nicht viel los, an diesem wechselhaften Sonntagnachmittag. Trotzdem reicht es, um einige irritierte Blicke von Passanten auszulösen, die mir verwundert nachsehen, als ich im Geschwindschritt, mit hüpfendem Rucksack, über die nahe Straßenböschung hirsche. Oben in Hektik noch etwas Grün aus dem sowieso schon kleinen Bereich gebogen, in dem die führende Lok und vielleicht der erste Wagen völlig frei hineinpassen könnten, wie vermisse ich doch gerade meine Colakiste als praktische Sitz- und Steighilfe, dann stehe ich pumpend da, die Kamera im Anschlag, denn Vorwarnzeit hab ich hier keine. Alles muss zack zack gehen, sobald sich die Lokfront hinter der nahen Buschreihe hervorschiebt. Nämlich genau jetzt ….. äh, ne ….. jetzt ….. nö, aber ….. jetzt.

Kaum trau ich mich das Handy rauszuholen und zu schauen, wo der Zug jetzt ist. Denn genau in dem Augenblick könnte er auftauchen und ich die Kamera verreißen oder den Auslösepunkt verpassen … oder Beides!

So stehe ich Minute um Minute. Oder gefühlt eher Stunde um Stunde, um endlich, als der Zug hätte eigentlich schon längst durch sein müssen, zum x-ten Mal Julia zu bemühen, die mir nun seelenruhig mitteilt, dass man sich es in Kouvola jetzt wieder anders überlegt hat, und dem Güterzug die planmäßig dort verordnete Pause nun doch gönnt. *grmblmpfurgsüäääh* Dafür nun der ganze Aufwand und das Trara?!?

Die Sonne über mir scheint die ganze Situation eher lustig zu finden, so wie sie aktuell „strahlt“! Weniger lustig findet sie aber, allem Anschein nach, mein Wortspiel. Nachhaltig verstimmt zieht sie sich hinter die Wolken zurück und schmollt. Oouuh Maaaann!!!

Helsinki oder nicht Helsinki? Zum x-ten Mal dreht sich alles um diese Frage. Doch ich hab immer noch kein Hotel gebucht. Und auch stehen bald wieder Fensterzüge und der Güterzug an. Und so lande ich wenig später, getrieben von galoppierender Entschlusslosigkeit und trotz sich immer bedrohlicher verdunkelndem Himmel, etwas nördlich von Myllykoski am Rand eines Ackers. Eigentlich gar nicht so schlecht hier. Endlich mal ein „weiterer“ Blick. Aber bei dem Licht. Egal, jetzt erstmal buchen, dann Auto etwas aufräumen, eine Kleinigkeit essen, danach sehen wir weiter.

Nochmal also die Hotelliste durchgeackert. Unterkunft zentrumsnah scheidet zwischenzeitlich eigentlich aus. Bis ich in Helsinki bin, ist für großartiges Sightseeing sowieso keine Zeit mehr. Also etwas in der Peripherie? Na, wenn ich ehrlich bin, ist die Entscheidung schon gefallen. Immer wieder bleibe ich an dem Schuppen hängen, der fußläufig von der Bahnhofsausfahrt liegt. Auch wenn der Beherbergungspreis, inkl. Schlafplatz fürs Auto, etwas über meinem selbstgesetzten Höchstbudget liegt. Aber die Aussicht noch etwas in der Hauptstadt fotografieren zu können siegt.

Also schnell getippt, Bestätigung gedruckt und Navi programmiert, während draußen im wolkenbruchartigen Regen ein Sm2 vorbeizieht. Schade! Aber halt nicht zu ändern.

Der Regen wird auch nicht schwächer als ich Kouvola passiert habe. Und so reißen die Pantographen des entgegenkommenden Pendolinodoppels beeindruckende Wasserfahnen von der Oberleitung. Jetzt hier stehen, mit hoher ISO-Zahl und kurzer Belichtung, und diese Kaskaden Tropfen für Tropfen einfrieren! Das wäre toll. Und es wäre nass, sehr nass!

Kurz danach taucht das Lagerhaus von Koria aus dem Schleier auf und ich in die Erinnerung ein, als ich beim letzten Urlaub hier den „Russen“ gemacht habe, im Sonnenschein.





Rückblende ins Jahr 2017, genauer zum 15.08.2017: Farblich gut zu den RZD-Wagen des P32 passt der grau-rote Lack der führenden Sr1 3014. Kurz nach dem Planhalt in Kouvola durchfährt sie, auf dem Weg nach Helsinki, den Bahnhof von Koria.






Übrigens, dieses Foto war das letzte Sonnenbild auf der damaligen Tour. Denn als ich, nach Ergänzung meiner Lebensmittelvorräte im nahen Supermarkt, wieder ins Freie getreten war, war da von Sonne keine Spur mehr. Wie durch Zauberhand war das strahlende Blau verschwunden und über den ganzen Himmel hatte sich eine geschlossene Wolkenschicht verteilt. So schnell ändert sich das Wetter in Skandinavien!

Wie auch heute. Nur diesmal in die andere Richtung. Drohte mich bis eben noch die Sintflut zu verschlingen, blinzelt jetzt, wo ich leicht irritiert an einer Abzweigung stehe, bei der ich gefühlt rechts in Richtung Lahti fahren würde, das Navi aber penetrant links anzeigt, die Sonne leicht versöhnt wieder hinter den Wolken vor.

Und so, wie sich der Himmel über mir Stück für Stück klärt, so klären sich auch meine Gedanken in Sachen Orientierung. „Gewohnheitsmäßig“ wäre ich tatsächlich jetzt immer brav der Bahn lang, erst nach Lahti und von da aus über die Autobahn nach Helsinki gefahren. Was für ein Umweg. So wie das Navi will, ist es natürlich kürzer. Und schneller.

Und es führt mich durch eine (kleine) Ecke Finnland, in der ich bisher noch nicht war und die durchaus hübsch ist. Erst recht, jetzt da sie mehrheitlich im hellen Sonnenlicht liegt. Und da es hier auch Eisenbahn gibt, interner Vermerk an mich: „Beim nächsten Mal, mal gezielt hierherfahren.“

Wie war das eben? „…..mehrheitlich im hellen Sonnenlicht liegt“? Langsam sickert diese Aussage in meinen Geist. „Wenn hier Sonne, und das recht stabil, sollte ich dann nicht wieder schleunigst vom Chill- und den Jagdmodus umschalten?“ Sollte ich! Schließlich weiß man ja nie, wie lange sich das Hell bei all den Restwolken so hält. Und wenn ich da nach Westen schaue, drück schon wieder die nächste Front rein.

Und plötzlich ist es vorbei mit dem entspannt dahin cruisen und den Ausblick genießen. Mehr und mehr macht sich Unruhe breit. Wäre ja nicht das erste Mal, dass man im Sonnenlicht gondelt, nur um dann gleichzeitig mit den Wolken am Fotostandort anzukommen. Hatte ich ja auch in diesem Urlaub schon!

Also kann es mir nicht zügig genug hinein gehen, nach Helsinki. Gut, dass der Verkehr für einen Sonntagnachmittag sehr überschaubar ist. Nur einmal gibt es Stau, und der ist gottlob nicht in meiner Richtung, sodass mich die aufgebaute Wagenschlange nur kurz in meinem Fortkommen hindert. Dann geht’s auch schon rein in die Häuserschluchten der finnischen Hauptstadt. Auch hier alles easy, zeichnen sich doch die meisten hiesigen Autofahrer, wie schon vorhin mal erwähnt, durch ein sehr defensives Fahrverhalten aus. Nur die Ampeln stören, bei denen man, einem wohl geheimen, weltweit angewendeten Protokoll nach, an jeder einzelnen anhalten muss.

Kurz vor der Wolkenkante der vorhin am Horizont gesichteten Front bin ich am Hotel. Einchecken, Auto in der Tiefgarage versorgen, Koffer ins Zimmer schleppen, dass natürlich im hintersten Winkel dieses riesigen Hotelbunkers liegt. Irgendwie hat der Kasten was von „Shining“. Nein, nicht dass er so abgelegen und so alt wäre, wie das Filmhotel. Aber so mit seinen unendlichen, gänzlich unbelebt scheinenden Gängen…..

Schnell Wanderstiefel gegen Straßentreter getauscht, Foto in die Hand, Ersatzbatterie in die Hosentasche, schon geht es raus. Im Geschwindschritt, rüber über die Hauptstraße, hinein in den Park und einmal halb rum um den See! Quer rüber, Luftlinie nur wenige 100 m weg von mir, rollen Züge im Minutentakt im schönsten Sonnenlicht, während sich schräg hinter mir das Drama schon deutlich abzeichnet, und ich keuchend, im verzweifelten Versuch noch vor „Licht aus“ am Bahndamm zu sein, am Weg durch Jogger, Rollerfahrer, Radler, Spaziergänger und sonstige, den Sonntagabend genießende, Erdbewohner pflüge.

Natürlich erfolglos! Hab ich Anderes erwartet? Nein, selbstverständlich nicht. Aber die Hoffnung stirbt ja bekanntlich zuletzt. Aber sie stirbt! In meinem Fall nicht mal 100 m bevor ich die Gleise erreicht habe. Ein kurzes Aufkeimen von Restbeleuchtung, welches mir ein „na, wenn ich schon mal hier bin“-Bild beschert, dann umfängt mich fotografische Dunkelheit. Ich kann mich täuschen, aber irgendwie kommt von Himmel her leises, gehässiges Lachen! „Verarscht!“ Kann es sein, dass Frau Sonne doch etwas nachtragend ist?

Auf jeden Fall stehe ich nun hier, den feuchten Blick abwechselnd von den dunklen Schienen, rüber über den See und hinauf zum Firmament schweifen lassend. Meinerseits gemustert von den vorbei spazierenden oder eilenden Hauptstädter, von denen sich nicht wenige sichtlich fragen, was dieser komische Typ mit der Kamera in der Hand hier eigentlich mitten auf der Brücke tut.

Er wartet! Und er spekuliert! Nämlich auf das Wolkenloch, welches sich da hinten nähert, und dessen Zugrichtung passen würde, damit die Szenerie nochmal erhellt wird. Und er bangt! Denn im Bahnhof steht etwas, was quasi danach schreit, digital verewigt zu werden. Eine Sr1 vor einem ellenlangen Nachtzug. Bis fast an die Spitze des Bahnsteigs reicht die Garnitur samt Lok.

In immer kürzeren Abständen wechselt der Blick nun von Bahnhof zu Himmel zu Handy. Ich weiß nicht, wie oft ich mir von Julia jetzt schon die Abfahrtszeit anzeigen habe lassen. Und wie oft ich versucht habe, einzuschätzen, ob die Wolkenbank rechtzeitig durch ist.

Jetzt ist es soweit. Erst langsam, durch den ein oder anderen Schleier noch behindert, dann endlich völlig ungetrübt, fällt warmes Abendlicht auf die Szenerie vor mir. Und schon wandeln sich Ängste und Bedenken. Zogen mir, vor wenigen Augenblicken nur, die Wolken noch deutlich zu langsam, so würde ich jetzt am liebsten irgendwo auf die Bremse treten. Denn das Stück Blau dort oben ist nicht groß und der nächste Klöpper droht. Diesmal ohne Wiederkehr des Lichts. Und der Nachtzug nach Norden, mit seiner Sr1, hat noch ein paar Minuten. Ob das reicht???

Erstmal aber den Zug aus Turku verarztet. So eine Maschine aus Schweizer Qualitätslokschmiede vor dicken Doppelstöckern ist ja jetzt auch nicht zu verachten. Aber halt keine Sr1 ……





Von Turku her kommend, läuft Sr2 3218 mit dem IC966 in Helsinki asema ein.






Die Zeit scheint plötzlich zu kriechen. Während die Wolken am Himmel gefühlt noch mal so richtig Gas geben. Es ist fast so, als hätte ich einen Screenshot am Handy statt einer Uhr und die graue Front da oben einen Turbo. Noch Minuten bis zur Planabfahrt des Nachtschnellzugs und das Sonnenloch schließt sich schneller und schneller. Erstmal mit ein paar Flirts ablenken.






HL 8375 nach Kauklathi verlässt Helsinki asema. An diesem Tag eingeteilt für diesen Dienst ist Sm5 26.






Eine Doppeleinheit aus Sm5 06 und 65 macht sich als HL 8903 auf den Rundkurs von Helsinki asema, über den Flughafen Helsinki-Vantaa, wieder zurück nach asema.






Lok 2000 und Stadler Flirt? Ja bin ich denn in Zürich, oder wie? Immerhin, meine ersten finnischen Flirtbilder habe ich so im Kasten.

Meine Nerven sind zum Zerreißen gespannt. Ich würde mich glatt in den Ar…. , sorry, in den Allerwertesten beißen, wenn das mit einem Sonnenbild der Sr1 jetzt nicht klappen würde!

Endlich! Die Abfahrtszeit ist gekommen. Und tatsächlich, die Wolken sind nurmehr fingerbreit von der Sonne entfernt, setzt sich Siberian Susi in Bewegung. Langsam, quälende langsam kommt er in meine Richtung gerollt. Das von der anderen Seite her nun auch noch der nächste Flirt gefahren kommt, macht es jetzt auch nicht wirklich besser.

Dann ist die Maschine heran. Jetzt nur nichts falsch machen! Nicht falsch anhalten, keine falsche Belichtung, kein falscher Auslösezeitpunkt!





Weit in den Norden geht es für Nachtzug IC 265 Helsinki nach Kemijärvi, der pünktlich am Haken von Sr1 3078 Helsinki asema verlässt. Allerdings wird er am nächsten Morgen nicht wie geplant den zweitnördlichsten Endbahnhof Finnlands erreichen. Aufgrund einer Fahrleitungsstörung nördlich von Tampere wird der Zug mit sage und schreibe knapp 12 Stunden Verspätung bereits in Rovaniemi ausgesetzt werden.






Wie knapp es mit dem Zufahren des Nachtzuges war, zeigt das nächste Bild. Aufgenommen in derselben Minute, rollt der einfahrende Flirt im Vordergrund durch.






Sm5 70 hat sein Ziel, Helsinki asema, gleich erreicht.












Und auch in Sachen Sonne hatte ich das Glück diesmal auf meiner Seite, wie man unschwer am folgenden Bild des als nächstes ausfahrenden Flirt sehen kann. Nur etwas mehr als zwei Minuten liegen zwischen den beiden Fotos.





Nur mehr gedämpftes Abendlicht fällt auf den Sm5 14, während im Hintergrund die Häuserzeile noch im Hell der untergehenden Sonne erstrahlt.






Na wenn das mal nicht ein mehr als gelungener Tagesabschluss war! Hätte mir heute Morgen beim Frühstück, mit Blick auf den Weltuntergang vorm Fenster, jemand gesagt, dass es heute noch solche Sonnenbilder gibt, ich hätte ihm wohl glatt den Vogel gezeigt.

Federnden Schrittes geht es wieder zurück ins Hotel. Zwar könnte ich auch von meinem jetzigen Standort aus auf Nahrungssuche gehen, aber so mit der Kamera in der Hand möchte ich mir das jetzt auch nicht antun. Also noch ein paar 1.000 Extraschritte, auch wenn die Füße langsam schmerzen. Die Fitness-App freut sich!

Warum Nahrungssuche? Das Hotel Restaurant hat dummerweise ausgerechnet heute zu. Und da ich weder mit dem Auto fahren möchte, noch endlos durch die Stadt laufen, um dann alleine irgendwo auf das Essen zu warten, wähle ich den schnellsten, unkompliziertesten und, vor dem Hintergrund des von zweimal Steak zu finnischen Preisen geschundenen Geldbeutels, vernünftigsten Weg, und lenke meine Füße gen Fastfood Tempel im Hauptbahnhof. So sehe ich den bei der Gelegenheit auch gleich mal.

Nur kurz wird mein Entschluss auf die Probe gestellt, als ich die einladende Tür eines Restaurants in der Peripherie passiere und die im Fenster ausgehängte Speisekarte die leckersten Speisen verspricht. Ich bleibe standhaft und betrete wenig später die ehrwürdige Halle, den Tempel der finnischen Eisenbahn.

Erster Anlaufpunkt der Hessburger am Querbahnsteig. Aber da gibt es alles nur auf Finnisch und mit mündlich vorgetragener Bestellung. Das ist mir jetzt zu kompliziert. Also ein Stück weiter nach hinten und hinein zum amerikanischen Marktmitgestalter. Dort nennt man Touch Screens sein Eigen, was jede Kommunikation in einer mir fremden Sprache ausschließt. Die Wartezeit ist kurz, das Ambiente stimmig, mit großflächig verschütteter Cola vor dem Getränkeautomaten, klebenden Gängen und klebenden Tischen, und die Burger und der Salat, der wegen der Gesundheit, üppig genug, um satt und stark zu machen.

Und Energie brauche ich. Denn zurück zu fliege ich förmlich über das Trottoir. Das hat zum einen damit zu tun, dass ich müde bin und ins Bett will, aber zum anderen, und nicht unerheblichen Teil, mit den Gestalten, die mittlerweile in immer größerer Zahl die Gegend beleben.

Im Hotel dann schnell bettfein machen. Vorher aber noch die Bilder brav im roten Büchlein nachtragen und die Planung für morgen Früh erstellen. Bis kurz nach Mittag habe ich Zeit, die will ich nochmal mit der Jagd auf Sm5 verbringen. Dazu hab ich mir die Strecke nach Turku ausgesucht. Da gibt es einige Stellen, an denen die Züge durch unbebautes, nicht urbanes Gebiet fahren. Zudem hat es noch ein bisschen Fernverkehr. Und auch der Flughafen ist aus der Ecke kommend, schnell zu erreichen. Schließlich landen kurz nach 14.00 Uhr die beiden Schweizer und mir kommt die zweifelhafte Ehre zu, sie aufzusammeln und die kommenden Tage durch Finnland zu schaukeln. *zwinker*

Jetzt aber erstmal Licht aus und gute Nacht. An die Sonnenbilder am Ende des Tages gedacht und mit einem Lächeln auf den Lippen eingeschlafen.