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El último rincón del mundo - Chile 2019 - Teil 1

Von

Sonntag, 07.07.2019 – Santiago de Chile

Zarte Dampfwölkchen, ausgestoßen im Rhythmus der Worte, ziehen durch mein, in Folge einer nicht ganz so entspannt verbrachten Nacht, zugegebenermaßen noch verengtes Gesichtsfeld. Langsam kriecht Kälte durch die dünnen Schuhsohlen und legt man den Kopf in den Nacken, zeigt sich der Himmel tief grau von Wolken, die von einem schneidenden Westwind in Richtung Berge getrieben werden. Hier und da lässt sich sogar ein vereinzeltes Flöckchen erkennen, das anmutig und still zu Boden schwebt!

Sommerurlaub 2019!

Gerade hat uns das Fluggerät von Iberia, Beförderungsgefäß für einen mehr als 13-stündigen Interkontinentalflug von Madrid herkommend, hier in Santiago de Chile wieder in die Freiheit entlassen. Haben wir brav auf unser Gepäck, vor allem auf das von Nil, gewartet und uns artig an die schier endlos erscheinende Schlage angestellt, an u.a. die Personen mit mehr als einem Fotoapparat gehören. Eine Tatsache, die dann übrigens, als wir endlich an der Reihe waren, keinen interessierte.











Nun stehen wir, der Sucht eines Mitreisenden folgend, vor dem im Ankunftsbereich recht schmucklosen Aeropuerto Internacional Comodoro Arturo Merino Benítez und es sickert in unser noch leicht getrübtes Bewusstsein: „Wir brauchen einen Plan!“

Also, es ist nicht so, dass wir keinen hatten! Ganz im Gegenteil, wir hatten sogar deren einige, die sich alle im Detail unterschieden, im Kern aber immer die gleichen waren. Erst Süden, dann, quasi als Draufgabe, noch ein „bisschen“ Norden.

Will meinen, Hauptziel der Reise war und ist es, mal das chilenische Breitspurnetz zu erkunden, nachdem wir uns auf unseren letzten Touren immer an den Schmalspurstrecken unsere Zeit vertrieben hatten.

Soweit so gut. Nur hat die Sache einen Haken. Es gibt nämlich wohl keinen schlechteren Monat sich im Süden dieses langgestreckten Landes herum zu treiben, wie den Juli. Ein Umstand, den wir mit Blick in die Runde nur rückhaltlos bestätigen können. Also, es braucht eine Idee!

Aber um die zu entwickeln haben wir noch Zeit. Mindestens solange bis zur Abfahrt unseres Leihautos. Und um das kümmern wir uns nun erstmal. Besser gesagt Nil tut das, während Gubi und ich uns um die Erlangung und Herstellung von stabilen Internetverbindungen bemühen.

Bei mir geht das, unter Zuhilfenahme des heimischen Providers, recht schnell. Gubi dagegen bevorzugt aus Kostengründen eher einen heimischen Anbieter. Und so landen wir, nach zweimaliger Durchquerung des langestreckten, und wie erwähnt wenig repräsentativen Ankunftsbereich, an einem etwas fragwürdig wirkenden Stand, der aus einem schlichten Tisch bestehend, zwei Damen und jede Menge Equipment beherbergt. Nach anfänglichen Verständigungsproblemen kommt der Deal dann auch zustande. Alle sind glücklich, nur eine kleine Sache wirft einen leichten Schatten auf die Transaktion, das Handy weigert sich, sich ins Netz einzubuchen. Es braucht etwas, versichern uns die Beiden und schon schleichen wir von dannen.

Ein teilentkernter, fürchterlich in ausgeleierten Federn quietschender Bus bringt uns zum Gelände der Autoverleiher. Und während wir dort auf dem Mann mit dem Klemmbrett warten, ich schon mal die Wettervorhersagen checke und Gubi weiter versucht online zu gehen, tagt so ganz nebenbei die erste Planungsvollversammlung auf dieser Tour. Einziger Tagesordnungspunkt: „Hier in dieser Suppe bleiben? Nä!“

Schnell herrscht Einigkeit! Wir ziehen unseren ersten und einzigen Joker. Statt erst Süden und im Anschluss noch einige Tage Norden, machen wir uns gleich in Richtung GAP, Ferronor und FCAB auf, fahren soweit bis wir Blau am Himmel über uns erkennen, toben uns aus und kommen dann in der 2.Urlaubshälfte wieder zurück in den Süden. Denn zu verlieren haben wir nichts. Schlechter kann es dann auch nicht sein. Aber vielleicht besser!

Und während wir uns noch gegenseitig zu unserer Flexibilität gratulieren, taucht auch der Mann mit dem Klemmbrett auf und präsentiert uns den wohl feinsten Leihwagen in Südamerika ever! Läuft!





Was auch immer Nil dazu bewogen hat, in kurzen Hosen in den chilenischen Winter zu fliegen, der Anblick unseres roten Reisemobils erwärmt, wenn schon nicht die Beine, dann wenigstens sein Herz.






Die Übergabe erfolgt flockig. Routiniert schreiten wir zu viert um das Auto. Halten nach Dellen Ausschau und nach Kratzern, und wuchten schließlich, nach Leistung einiger Unterschriften, unser Gepäck und die Fotoausrucksäcke in den Wagen. Ein warmer Händedruck zum Abschied und schon rollen wir hinaus, hinaus in die Weiten Chiles und hin zur Eisenbahn!

Äh, nö! Denn halt, mein begeisterter Blick vom Königsplatz auf der Rückbank durch die Frontscheibe hinaus in die große Freiheit die vor uns liegt, offenbart einen langen Riss, mittig, senkrecht aufsteigend, durch eben diese. Also die Frontscheibe nicht die Freiheit!

Ach Du Sch….! Wie konnten wir den übersehen? Also Ehrenrunde und wieder zurück zu Senior Klemmbrett. Der ist mindestens genauso erschüttert wie wir und es ist ihm sichtlich peinlich, so ein Fahrzeug heraus gegeben zu haben. Problem ist jetzt nur, er hat nun kein Fahrzeug gleicher Klasse ausgabefähig parat. Also bietet er uns einen SUV von Audi an. Feiner Zug, nur guter Mann, wenn Du wüsstest, was wir vorhaben, Du würdest das Edelblech aus Ingolstadt nicht mal in unserer Nähe parken, geschweige denn, es an uns vermieten!

Nein, wir wollen und brauchen schon was zum Wühlen und Schinden. Außerdem haben wir so unsere Zweifel, das Gepäck, Rucksäcke, Proviant in das deutsche Qualitätsprodukt passen. Also in die Runde geblickt und siehe da, da steht ja nochmal so einer, halt nur in abgeranzt und silber …. und dreckig!

Gut, meint der Senior, letzteres lässt sich mit etwas Zeit beheben. Und mit den ersten beiden können wir leben. Also sind wir uns einig.





Zugegeben, der rote hätte schon mehr her gemacht. Auch Innen und vor allem was die Bereifung angeht. Hinterhalb spitzt übrigens noch der verschmähte Audi hervor.






Nach einer guten halben Stunde ist es soweit und wir können unseren zweiten Rollout starten. Nil hat mittlerweile die Hosen gewechselt, ich ein zweites Paar Socken und Wanderschuhe an, Gubi hat Internet und kann lotsen! Perfekt! Endlich ist der Moment da, dieser eine, besondere, wenn man die ersten Meter auf einer Tour hinter sich bringt, voll mit Vorfreunde und auch ein klein bisschen Ungewissheit, was die nächsten Wochen so bringen werden!

Nächste Programmpunkte: Hunger und Proviant!

Beides lässt sich am Besten in einer Mall befriedigen. Und so läuft die Suchfunktion unseres humanoiden Navigationssystems auch schon auf Hochtouren, um uns souverän im Norden Santiagos genau zu einer ebensolchen zu lotsen. Dort wird erstmal die Food-Mall geentert, eine Ansammlung von Fast-Food Schaltern, zentral an einer Stelle, wo sicher für jeden was dabei ist.






Schalter an Schalter durch den Fast-Food Himmel






Quängelnde Kinder oder nervige Mitreisende könnte man derweil im Happyland entsorgen







Wir landen bei Wendy’s, einer Burger Bude der ich zum ersten Mal die Aufwartung mache. Und was soll ich sagen, Burger halt, aber gar nicht mal so schlecht.

Nachdem das Grummeln aus der Magengegend fürs Erste mal verstummt ist, siedeln wir um, zwei Stockwerke tiefer, in den riesigen Supermarkt. Schnell füllt sich dort unser dreirädriger Wagen, ein Rad klemmt, mit allerlei Paletten Wasser, Unmengen Cola und Saft, Knabberzeugs und vielem mehr. Und ja, die Zahl die an der Kasse am Display erscheint ist hoch, was nicht nur an den Mengen an Ware liegt, die in unser Eigentum übergegangen ist. Chile war und ist nicht billig.

Jetzt geht’s aber wieder auf die Straße und ab nach Norden. Etappenziel für heute ist La Serena, eine Stadt am Pazifik, knapp 500 km nördlich der chilenischen Hauptstadt. Also ein ordentliches Programm nach einer Nacht im Flieger und einem „Sprung“ auf die andere Seite der Weltkugel.

Und während Nil tapfer gegen den Jetlag ankämpfend Auto fährt, Gubi navigiert, habe ich Zeit, um nach Breitspur Ausschau zu halten. In Santiago selbst gibt es nur kurz etwas zu sehen, dafür wird es bald nach der Stadtgrenze interessant. Von rechts her kommt die Linie in Richtung Valparaiso, mit der davon abgehenden Stichstrecke nach Los Andes. Und siehe da, hier stehen durchgängig Masten.

Für alle, die in Sachen Eisenbahnland Chile nicht ganz so fit sind, nach dem 2.Weltkrieg waren die chilenischen Hauptlinien durchweg elektrifiziert. Von Valparaiso im Norden des Breitspurnetzes, bis in den Süden, Richtung Puerto Montt.

Für die Traktion wurden u.a. riesige Elloks aus Italien importiert, die vom Kasten her an amerikanische Dieselloks a la F7 oder an die NOHAB’s erinneren. Heute fast alle außer Dienst. Trotzdem hoffen wir, im Verlauf der Reise vielleicht zumindest noch eine, der beiden letzten aktiven Maschinen von FEPASA zu erwischen.

Aber dieses Vorhaben muss noch warten. Denn auch wenn hier, nördlich Santiago, noch Masten stehen, fehlt doch schon lange die Fahrleitung und die meisten Ausleger sind weggedreht. Aber auch mit Dieselzug würden wir den Abschnitt nehmen, keine Frage. Nur, wann fährt hier denn noch was? Bilder hab ich auf alle Fälle bei der Vorbereitung im Netz gefunden. Also, sollte man den Abschnitt vielleicht auf die Liste für die Zielorte setzen, die wir nach der Rückkunft aus dem Norden ansteuern wollen.

In La Calera verlassen wir die Breitspur für’s erste, um am Ortsausgang auf die meterspurige Linie in Richtung Norden zu stoßen. Hier befindet sich nämlich das südliche Ende des Schmalspurnetzes, das im eigentümlich angelegten Bahnhof von La Calera beginnt und sich hoch zieht bis oberhalb Iquique. Immerhin, eine Distanz von knapp 2.000 km. Ehemals mit, für die Region, ansehnlichem Verkehr von Gütern bis hin zu „Schnell“zügen mit Schlafwagen. Heute leider bis auf ein paar wenige Abschnitte unbefahren.

Und so gehen die Blicke immer wieder wehmütig hinüber zur Trasse, bevor sie nach rechts abbiegt und einen Bogen durchs Landesinnere macht. Erst in La Serena werden wir wieder auf die Linie stoßen.





Auf dem Weg nach Norden folgt die Straße der in La Calera beginnenden Meterspurstrecke, die hinauf in den Norden bis Iquique führt. Noch ist die Trasse weitestgehend erhalten und unversehrt. Auch Schienen und Kunstbauten sind noch überall zu sehen, wie hier der Puente Huaquen, welcher schräg links zu sehen ist.






Auch die Straße verlässt irgendwann das Meer und kurz darauf Nil die Straße. Also nicht einfach so, schon gewollt und kontrolliert. Trotzdem überraschend. „Ach Rauchpause“, denke ich noch so, da baumelt plötzlich der Autoschlüssel vor meiner Nase, „So, jetzt Du!“. Er hat fertig, wenigstens für’s Erste. Auch kein Wunder. Schließlich hängen wir alle nach der langen Anreise in den Seilen. Nur Gubi und ich mussten bisher nicht fahren. Also entere ich nach der kurzen Rast die linke Seite, schraube die Augendeckel zumindest auf „halbgeöffnet“ hoch und rolle seit 6 Jahren mal wieder auf chilenischen Straßen.

Kurz vor La Serena dann der Rückwechsel. Der Akku ist wieder voll, so will er die Etappe, die er angefangen hat, auch zu Ende bringen. Gubi hat in der Zwischenzeit eine Unterkunft organisiert und die gilt es jetzt zu finden. Kein Hotel, so eine Art besserer Pension, mitten im alten Teil von La Serena. Hier haben wir übrigens auch wieder die Nord-Süd Strecke erreicht, an der wir nun parallel in den Ort fahren. Hier herrscht sogar Betrieb. Die GAP fährt von der Mine, über eine eigene Anschlussstrecke, die in die alte Hauptbahn mündet, zum Hafen von Coquimbo. Dieselgrollen a la GR12 in schickem blau-weiß ist hier angesagt. Und das ist auch unser Ziel für morgen, vorausgesetzt, die Sonne lässt sich so blicken, wie an diesem traumhaften Abend.

Ach Sonne, das Stichwort! Danach werden wir nämlich indirekt gefragt, als wir endlich, nach einigem Suchen, an der „Rezeption“ der Pension stehen. Es ist ein einstöckiges Wohnhaus, mit geräumigem Innenhof. Die Zimmer sind verteilt auf die ehemaligen Wohnräume und Anbauten, die im Hof später noch dazu gekommen sind. Es gibt einen kleinen Pool, in dem so einiges an Blattwerk und Ästen schwimmt. Aber mitten im Winter geht da sowieso keiner rein. Und ein eigenes, kleines Restaurant, in dem der Chef auf offenem Holzfeuer kocht und das wir sofort auf unsere to do Liste für heute Abend setzen.

Zimmer hat es noch genau zwei. Eines mit Heizung und eines ohne. Und die beiden Jungen kramen alles an Höflichkeit und Ehrerbietung gegenüber dem Alter raus, was sie nur irgendwie ganz tief in sich drin haben, und geben mir das mit Heizung! Damit ist mein Kredit an Rücksichtnahme für diesen Urlaub aber dann auch schon verbraucht. *grins*

Also, um das klar zu stellen, ich hätte auch das ohne Heizung genommen. Aber wenn mir das andere schon so aufgedrängt wird. *zwinker*

Gut, dass mit der Heizung relativiert sich. Es hat eine Klimaanlage die auch heizen kann. Nur ist die Wärme innerhalb von Sekunden irgendwo hin verschwunden. Dafür haben meine Räumlichkeiten, die aus Zimmer, Flur und Bad bestehen, die Dimensionen eines Tanzsaals, während die beiden anderen in ihrem Zimmer nicht umfallen können, ohne sich dabei gegenseitig die Köpfe zu stoßen. Wie gesagt, ich hätte ja auch das ohne Heizung genommen…..

Was Sonne? Ach, was es mit der indirekten Frage nach der Sonne auf sich hatte? Beim Einchecken wurden wir von der Chefin gefragt, warum wir um diese Jahreszeit in Chile wären. Wohl wegen der Sonnenfinsternis, die wenige Tage vorher stattgefunden hatte?

Auf unsere Antwort, wir wären erst heute Morgen gelandet ernteten wir dann auch prompt einen mitleidigen Blick. So nach dem Motto: „Ach ihr dummen Jungs. Habt ihr das nicht gewusst?“ Schnell war die Sache aber aufgeklärt. Gewusst haben wir es schon, nur Urlaub gabs nicht. Wir sind wegen der Eisenbahn hier. Um zu fotografieren….. Der mitleidige Blick hierfür, hat den für die verpasste Sonnenfinsternis dann noch um einiges übertroffen….!





Am Ende eines langen Tages, bereit zum Abendessen. Der Pool im Vordergrund lockt nur bedingt. Sind die winterlichen Außentemperaturen doch erfrischend genug.






Kurz vor 18.00 Uhr chilenische Zeit stehen wir zum Abendessen parat. Begonnen hat mein „Reisetag“ gestern, so gegen 7.30 Uhr, deutscher Zeit.

Trotzdem, die Urlaubsfreude, die Freude mit lieben Freunden jetzt drei Wochen unterwegs zu sein, und die Aussicht auf ein Monstersteak, gegrillt über offenem Holzfeuer, mobilisieren nochmal die letzten Lebensgeister.

Und so ist die Stimmung auch super, entspannt und ausgelassen, während wir bei Bier und eingepackt in Fliesjacken, auf das Essen warten. Denn merke, in Sachen Dämmung nehmen es Südamerikaner nicht so genau. Und so zieht es, während das Holzfeuer am Grill Wellen von Wärme in den Raum wirft, durch alle Ritzen und Ecken der Außenwände.






Genau SO muss ein Steak aussehen!






Und so, der richtige Abschluss eines Reisetages und der erste von vielen Absackern auf der Tour! Pisco Sour! Prost….







Lecker war es… was heißt lecker… sensationell!!! Genau das richtige für einen alten Steakfan wie mich. Besser hätte der Urlaub gar nicht beginnen können.

Überhaupt, bisher lief alles wunderbar! Gut, bis auf einige Kleinigkeiten, und das Wetter. Aber was soll’s? Hey, wir haben Urlaub, wir haben Zeit, wir sind in einem schönen Land mit vielen Möglichkeiten! Uns geht’s einfach nur gut!

Also gute Nacht und mal schauen, was der morgige Tag so bringt!




Montag, 08.07.2019 – La Serena


Eigentlich hatte ich schon erwartet besser zu schlafen. Nach der langen Anreise. Das kenne ich eigentlich anders. Doch gestern war ich seltsam aufgedreht, so dass sich der Schlaf lange nicht einstellen wollte und heute Morgen gingen zur Unzeit die Augen auf. Also nicht vollständig, nur soweit, dass es nichts mehr mit erholsam vor sich hin schnarchen war, aber auch nichts mit fit in einen neuen, tollen Urlaubstag starten.

Und so quäle ich mich, eher schlecht als recht, zur Aufstehzeit aus dem Bett und ins Bad. Übrigens, beides kalt. Also das Zimmer, in dem das Bett steht, weil über Nacht die heizende Klimaanlage natürlich aus war, und auch im Bad, weil genau da nämlich keine Heizung drin.

Und da das Wasser auch nur mäßig an Temperatur gewinnt, stoße ich auf mehrfache Art erfrischt zu den anderen, die bereits im offenen Foyer auf mich warten. Beide sehen nicht wesentlich erholter aus als ich, was vermuten lässt, dass ihre Nachtruhe definitiv auch nicht ausreichend war. Und so streben wir, während im angrenzenden Areal, einer Schule, eine lebendige Kinderschar tobt, bis die Glocke sie unmissverständlich in die Klassenräume scheucht, angetan mit Jacken dem Frühstücksraum zu. Denn wie gestern Abend schon angemerkt, in solchen Lokalitäten wird in Chile nicht nur wenig bis gar nicht geheizt, diese Räumlichkeiten sind auch immer angetan mit Ritzen und Spalten, durch die die ggf. vorhandene Warmluft schnell nach draußen, und die winterliche Kälte auch schnell nach Innen kommen kann.

Während wir uns langsam und planmäßig durch das nicht allzu große, aber doch mehr als ausreichende Frühstücksbuffet arbeiten, wird im Rahmen der parallel sparsam stattfinden Konversation schnell klar, einen Fototag wird es hier und heute in La Serena nicht geben. Es ist wolkenverhangen, es ist diesig, es ist dunkel. Bevor wir hier den Tag vergeuden, heben wir uns den Ort und seine Bahn mit den schicken blau-weiße GR12U doch lieber für die Rückfahrt auf, quasi als willkommene und sinnvolle Unterbrechung unseres späteren Rückwegs aus dem schmalspurigen Norden Chiles, hinunter zur Breitspur.

Nächster, und einziger Anlaufpunkt mit aktiver Eisenbahn bis Antofagasta, ist die Ecke um Vallenar. Dort besorgt Ferronor den Transport von der Mine Los Colorados hin zum Hafen nahe Huasco. Abschnittsweise sogar mit Schubbetrieb und die alte Nord-Süd Strecke mitbenutzend. Nil war dort vor einigen Jahren schon mal, als noch die GR12 fasst uneingeschränkt herrschten. Heute dieselt es modern über die Schienen. Aber das soll uns von Fotos nicht abhalten. Zudem ja die Hoffnung besteht, dass zumindest der ein oder andere Exot noch überlebt hat und im Dienst ist. So wie die „Titolok“ zum Beispiel. Jene Maschine mit mehreckigem Endführerstand, der denen nicht unähnlich ist, wie sie auch eine Maschine der peruanischen FCCA hat, oder manch spanischen 319ern, oder eben die serbische „Titolok“ der Reihe 666.
Schnell auf unsere schlaue „Karte“ geschaut: Bis Vallenar sind es gerade mal 192 km. Quasi ein Katzensprung also. Und da die Strecke dort weiter im Landesinneren verläuft, hoffen wir doch stark auf die ersten Eisenbahnbilder mit Sonne bzw. auf die ersten Eisenbahnbilder in diesem Urlaub überhaupt. Wird auch langsam Zeit. Schließlich sind wir schon seit vorgestern unterwegs.





Hilfsmittel für den kleinen Eisenbahnfreund. Um einen Überblick zu bekommen, auf welchen Strecken in Chile überhaupt noch Betrieb herrscht, welche Gesellschaften dort tätig sind und welche Fahrzeuge zu erwarten, hatte ich im Vorfeld der Reise das Netz ausgewunden und mir aus den Informationen eine, zugegebenermaßen wenig elegante, aber dafür zweckmäßige Karte, angefertigt. Ergänzt mit den jeweiligen Distanzen zwischen den Hotspots und auf die Handys geladen, war sie als schnelle Info für weitere Planungen jederzeit parat.






Schnell bezahlen, alles zum Auto wuchten und verstauen, Sitzordnung neu regeln und schon sind wir auf dem Weg. Heute Gubi als Linksaußen, ich gebe auf der rechten Seite das humanoide Navigationssystem, die Augen draußen an die parallellaufende Bahn geheftet, die Kamera griffbereit auf den Beinen. Es könnte ja was kommen! Nil flätzt chillig als Ballast auf der Rückbank.

Wieder parallel zur Bahn geht es aus der Stadt. Trotz eines vermeintlich grünen Signals lässt sich kein Zug blicken. Und ganz ehrlich, bei der trüben Sauce da draußen, kann man es auch locker verschmerzen. Wir machen beim Vorbeifahren noch etwas Streckenkunden, dann schwenken nacheinander die Nord-Süd Bahn und der Minenanschluss weg von der Straße und wir kurbeln uns, erst dem Meer entlang, dann ins Landesinnere drehend gen Norden. Irgendwann haben wir auch die alte Hauptstrecke wieder erreicht und als wir zudem Höhe gewonnen haben, sind wir von jetzt auf gleich draußen aus der Suppe und nichts als Sonne und Blau über uns, lässt die Stimmung gleich nochmal deutlich steigen.

Aber nur kurz! Denn das Grauen in Grau hat uns nur mal necken wollen und lauert gleich hinter der nächsten Ecke wieder auf uns. Und da die elektronischen Helferlein in unseren Händen unmissverständlich sagen, dass Vallenar genau unter dieser Wolkenglocke vor uns liegt, ist unsere Hoffnung auf Sonnenbilder genauso schnell wieder gestorben, wie sie geboren war.





Nur kurz flammte nach durchbrechen der Wolkendecke die Hoffnung auf Sonnenbilder auf. Hinter der nächsten Kuppe, unweit unseres nächsten Etappenziel Vallenar, heißt es wieder abtauchen, hinein ins undurchdringliche Grau.






Kleiner Eisenbahn archäologischer Einschub am Rande: Zeigte sich die Nord-Süd Strecke bislang meistenteils ganz gut in Schuss und durchaus befahrbar, ist hier in der Ecke der Bahndamm an mehreren Stellen unterspült und abgetragen. Gleise hängen in der Luft oder sind nahe diverser Grundstückzufahrten unter Dreck verschüttet. Andererseits hat man keine Kosten und Mühen gescheut, die neu gebaute Schnellstraße auf einem aufwändigen Brückenbauwerk, großzügig über die Trasse zu führen.

Vallenar ist erreicht und auch schnell passiert. Wir wollen unser Glück gleich an einer Stelle etwas nördlich versuchen. Dort gewinnt die Trasse nochmal etwas an Höhe und jeder Meter könnte entscheidend sein dafür, ob das Sonnenlicht wieder durchbricht oder nicht. Nil lotst uns, teils auf Basis seiner Erinnerung, teils mittels der elektronischen Karte auf seinen Füßen, von der Hauptstraße hinunter und auf eine Schotterpiste Richtung Bahn. Dort, an einem Bahnübergang im Nichts, treffen wir wieder auf die Gleise. Motor aus, alles raus, hoch schauen …. äch, duster …. und rund hören! Grummelt da nicht was ganz dumpf? Diesel von der Straße her oder Diesel auf den Schienen.

Ganz klar, Diesel auf den Schienen! Denn nicht lange und eine der „neuen“ GT46 schiebt sich wummernd über die Kuppe links von uns.






Mit einem beladenen Zug ist FN 4605 nahe der Station Chehueque in Richtung Küste unterwegs.







Wer genau hinschaut, sieht im Vordergrund schmierige Erde und Fußspuren im Dreck. Sollte es in der Wüste mal geregnet haben oder hat ein Fahrzeug Wasser verloren? Viel Wasser?







Gut, einen Schönheitspreis haben die Loks der Reihen GT42 und GT46 mit ihrer Stummelnase nun wirklich nicht verdient. Zu dieser Erkenntnis sind wir schon vor zwei Jahren in Peru gekommen. Aber der Sound ist schon kernig, wenn auch nicht so schön brachial wie bei den Altbauloks ohne Dämpfer. Das ist schon klar.

Ach ja, wenn man schon am Klagen ist, etwas mehr Licht hätte auch sein dürfen. Wie sieht es damit eigentlich aus, im Hinblick auf die nächste Zugfahrt? Blick nach oben. Na gut, ab und an sieht man ganz leicht sich eine helle runde Silhouette im ansonsten grau-braunen Gewaber abzeichnen. Und wenn die Sonne mal durchbricht, dann geht es auch schnell. Aber wenn wir ehrlich sind, uns fehlt der Glaube. Und so schwanken wir in unseren Vorstellungen wie der heutige Tag weiter gehen sollte. Bis Nil das ausspricht, was sich auch Gubi und ich schon immer wieder mal gedacht haben, keiner aber wirklich sagen wollte. Denn es bedeutet heute noch 650 km über chilenische Landstraßen zu schrubben. Entspricht vorsichtig gerechnet gut 9 - 10 Stunden Fahrt, und wir haben schon 11:00 Uhr durch.

Aber es ist einzig vernünftige Alternative und schließlich sind wir 3 Fahrer und können, wenn’s sein muss, permanent wechseln. Also, bevor wir hier noch mehr Zeit verplempern, rein in die Karre und ab nach Norden, ab nach ANTOFAGASTA !

Vorbei an einer weiteren GT46, die in einem Kreuzungsbahnhof mit einen Leerzug zur Mine wartet geht es zügig nach Norden. Nichts soll unseren Elan bremsen. Die können wir auch beim Stopp auf der Rückfahrt verarzten. Doch schon wenig später kommt unsere Entschlossenheit ins Wanken, kippt und bricht polternd in sich zusammen. Den links von uns erscheint die „Titolok“. Und als wäre das noch nicht Grund genug, selbst angesichts des trüben Wetters und der noch zu bewältigenden Kilometer die Fahrt zu unterbrechen, hat sie auch noch eine, der zuletzt aus Australien gebraucht gekauften Maschinen am Haken! Da gibt’s kein Halten mehr. Und während Gubi beim halb legalen Wechseln der getrennten Fahrspuren mittels Sandpiste die Geländegängigkeit unseres Gefährts ausgiebig austestet, schauen Nil und ich uns die Augen aus den Höhlen, nach einer Möglichkeit hinter den Absperrzaun zu kommen, der hier zwischen Straße und Strecke verläuft. Am wahrscheinlichsten wird das wohl dort gelingen, wo die Ausweiche mit der wartenden GT46 ist. Schließlich muss da ja auch ein Weg hin gehen. Und Bingo! Schon hoppeln wir hinüber zu den Schienen, und dank Gubis engagierter Fahrweise ist von den beiden leerlaufenden Sonderlingen noch nichts zu sehen, als wir an der Strecke ankommen. Nicht gerührt, aber dafür gut geschüttelt. Und in allerbester Laune!






Mit einem Leerzug steht FN 4604 in der Ausweichstelle nördlich der Station Chehueque. Von hier aus, in Blickrichtung, steigt die Strecke an.







Ursprünglich als Enafer 703 in Peru unterwegs, läuft Lok 601, nach ihrem Umbau in Argentinien zwischen 2005/2006, nun seit Jahren bei Ferronor. Allerdings sinkt auch dort ihr Stern durch die Anlieferung der neuen GT46AC. Meist ist sie als Schiebelok auf der Rampe zwischen Los Colorado und Chacritas unterwegs. An diesem trüben Julitag schleppt sie allerdings die neu revidierte 2213D, eine gebraucht aus Australien gekaufte Maschine des Typs GL26c, in Richtung Vallenar.














Na, was sag ich denn dazu? Das ist heute schon das zweite Mal, dass wir das perfekte Timing haben. Wenn jetzt doch nur noch Sonne …. Ach, lassen wir das. Das mit dem Wetter können wir eh nicht ändern. Und noch schlimmer als das Grau wäre, wenn gar nichts mehr fahren würde. Wenn die Wüste hier nicht nur eine Sand- und Steinwüste wäre, sondern auch eine Eisenbahnwüste. So wie die nächsten gut 600 km, die wir jetzt vor uns haben. Und da würde uns auch der schönste Sonnenschein nichts nützen, wenn es nichts vor die Linse gäbe.

Sonne! Das Stichwort. Die scheint nämlich schon lange wieder, als wir in Copiapó einrollen, dem ehemaligen Eisenbahnknoten und Endpunkt er ersten chilenischen Eisenbahn überhaupt. Die verband nämlich, ursprünglich normalspurig und von 1850 bis 1851 gebaut, die Stadt und die umliegenden Minen, mit dem Pazifik und der Hafenstadt Caldera. Im Zuge der Spurvereinheitlichung auf 1.000 mm umgespurt, verlor die Linie 1978 den Personenverkehr. Mittlerweile liegt sie ganz brach und wartet wohl vergeblich auf bessere Zeiten und, wie viele andere Linien in Chile, auf eine Reaktivierung.

Kleine Anekdote am Rande. Zu Beginn führten einige Züge einen Casinowagen mit, in dem die Minenarbeiter, die zum Hafen und von dort per Schiff zu ihren Familien weiterfuhren, ihr hart erarbeitetes Geld gleich wieder verspielen konnten.

Wir selber ignorieren aber die Versuchungen, sprich die brachliegenden Eisenbahnrelikte, und passieren die Stadt in den Randgebieten. Einzig die Suche nach einer Tankstelle unterbricht unsere Fahrt. Sprit bis Antofagasta tut Not und auch der Mensch will mit Hotdog und frischen, kühlen Getränken versorgt sein. Und wenn man schon mal dabei ist, ein Eis am Stiel geht auch immer.





Auch hier ist die vergangene Sonnenfinsternis nicht spurlos an der „werbetreibenden Wirtschaft“ vorbei gegangen. Ob ich allerdings mein Augenlicht der im Sparpaket, zusammen mit Sandwich und Softdrink, angebotenen „Schutzbrille“ wirklich anvertraut hätte, wage ich dann doch stark zu bezweifeln.






100 km unserer geplanten Ochsentour sind schon geschafft, jetzt geht es links ab nach Diego de Almagro. Eigentlich sind es ja schon 290 von 850 km, denn schließlich sind wir heute Morgen bereits in La Serena gestartet. Aber hört sich das jetzt beruhigender an?











Während wir die durch ein Gewerbegebiet am Rande von Copiapó rumpelt und ich unter schwerer werdenden Augendeckeln hervor ins Grell der Berge im Hintergrund blinzle, schrecke ich plötzlich auf! ZUG, ZUG!!!

So richtig will keiner auf die Meldung reagieren! Schon gleich gar nicht der Fahrer. Jaja, ein Zug hier, hier in Copiapó. Alles klar! Unbeirrt bleibt Gubi am Gas und strebt aus dem Ort hinaus! Immerhin, nachdem ich auf meiner Aussage bestehe, dreht auch Nil den Kopf. Ja, jetzt hat er es auch gesehen.

Oben, auf einer Geländekante schiebt eine kleine gelbe Diesellok mehrere Pfannenwagen in Richtung einer Abkipphalde. Von zwei Herrschaften jetzt dann doch überzeugt, zweigt Gubi auch unverzüglich ab, hin zu diesem Kleinod mitten in der Eisenbahnwüste.






Gleich oberhalb von Copiapó befindet sich eine Erzmine, die über eine kleine Werksbahn verfügt. Hier Lok 3 mit einigen Pfannenwagen, beim Abkippen von flüssiger Schlacke,





















Lok 3 der ENAMI (Empresa Nacionl de Mineria) in Copiapó







Ja wunderbar! Da habe wir ja heute doch noch unsere Sonnenbilder bekommen. Und dann mit diesem doch eher selten anzutreffenden Motiv. Wie war das schon vorhin? Timing ist alles. Beschweren dürfen wir uns wahrlich nicht.

Beschwingt geht es jetzt raus in die Wüste. Nächster Fixpunkt Diego de Almagro. Und da wird’s bei einigen klingeln. War da nicht was? Schwarzlok Eisenbahn?

Stimmt beides, sowohl das „Schwarzlok Eisenbahn“, als auch das „war“! Denn leider ist die seit dem Unwetter 2015 auch der letzte Bahnbetrieb in der Region gestorben.

Aber wir sind hier in Südamerika, und da weiß man ja nie. Und da wir schon mal in der Ecke sind, wollen wir uns selber mal ein Bild machen. Daher auch die Route über Copiapó und nicht über Caldera.

















Mittlerweile ist es Nachmittag. Die Augen schmerzen durch das grelle Licht, das Sand und Steine zurückwerfen. Auch die Müdigkeit zerrt an den Lidern. Trotzdem kann ich meinen Blick nicht abwenden, geht er immer wieder in die Weiten der faszinierenden Landschaft der Atacama links und rechts der Piste.

Dann ist Inca de Oro erreicht. Ein öder Flecken mitten in dieser endlosen, unwirklichen Weite. Aber immerhin, hier gibt es oder gab es einen Bahnhof. Hielten hier mal täglich Züge, auf dem Weg noch 1.000 km rauf in den Norden oder hinunter in den grünen Süden. Grund genug für eine Pause und etwas Eisenbahnarchäologie. Oder „Leichenfledderei“ wie Nil meint.






Nur noch weinige Augenblicke, dann schiebt sich die Front einer schwer arbeitenden Alco über die Kuppe. Laut brüllt der schalldämpferlose Diesel nochmal auf, dann lässt der Maschinist die Fuhre rollen, hinein in den kleinen Bahnhof von Inca de Oro. Hier warten schon ettliche Menschen auf den Mixed-Train, um gleich nach dem Halt Waren ein- und auszuladen oder die zwischen Lok, Boxcar, Kessel- und beplanten Flachwagen laufenden Reisezugwagen hinauf nach Antofagasta oder gar Iquique zu besteigen. Gut, gut! Alles nur Phantasie an diesem sonnigen Winternachmittag! Aber man wird ja doch mal träumen dürfen!







Kurz hatten die Bahnhofshunde aufgeschaut, nur um zu bemerken, dass wir völlig uninteressant wären und damit kein Grund, den erholsamen Nachmittagsschlaf in der Sonne zu unterbrechen.







Knapp 100 Jahre hat der Weichenhebel zum Aufnahmezeitpunkt schon auf dem Buckel. Und er hat in seinem langen Leben weiß Gott schon bessere Zeiten erlebt.







Abschied von Inca de Oro. Einem Ort, an dem die Zeit stehengeblieben zu sein scheint und an dem man immer noch einen Wiederhall aus der Vergangenheit spürt. Nicht der letzte, den wir auf dieser Tour besuchen.






Für uns heißt es Abschied nehmen. Wir müssen weiter. Während die ehemalige Hauptstrecke nach wenigen Kilometer nach links abzweigt, hinunter zur Estación Emplame 2, fahren wir auf direktem Weg nach Diego de Almagro. Schon beim Abstieg hinunter ins Tal wird die Wucht des Wassers offenbar, welches 2015 während des El-Niño hier und an anderen Stellen ins Tal schoss, riesige Mengen Sand und Gestein mitreißend und Scharten in der Landschaft hinterlassend. Schnell war das weite Tal des ansonsten nur wenig Wasser führenden Rio Salado überschwemmt, wälzten sich Schlammmassen und Geröll meterhoch durch die Ortschaften und zerstörten und füllten Häuser, Autos und Eisenbahn.

Zurück blieb eine Wüste in der Wüste! Zerstörte Träume, zerstörte Existenzen, zerstörte Infrastruktur.

Und wenn auch jetzt, rund 4 Jahre später, vieles wiederhergestellt ist, die Narben bleiben unübersehbar. Am Bahnhof in Diego fehlen einige Viertel, wo früher mal Holzhäuser und Hütten standen. Die ehemalige Trasse der „Schwarzlokbahn“ inkl. der Einfädelung in die alte Hauptstrecke sind nur mehr schwer oder gar nicht mehr zu erkennen. Die Anlagen des Bahnhofs weitgehend unter einer Decke aus Erde verschwunden und die Drehscheibe „fachgerecht“ verfüllt.

Einzig das freigeschobene Hauptgleis irritiert und gibt kurzzeitig Anlass zur Hoffnung. Geht hier vielleicht doch nochmal irgendwas? Vielleicht auf der Verbindung zu Mina Planta Franke?





Auf den ersten Blick sieht alles normal aus, im Bahnhof von Diego de Almagro. Die Gleise vor dem ehemaligen Stationsgebäude sind geräumt, und auch das Signal und der rostige Wasserbehälter ragen in den blauen Himmel wie eh und je. Doch wer genauer hinsieht, kann die Folgen der Verwüstung durch die Sturzflut erkennen, die El-Niño im Jahr 2015 verursacht hat. Die ehemaligen Gütergleise sind zur Gänze verschwunden und auch die Drehscheibengrube wurde „verfüllt“.






Lassen wir die Vergangenheit nochmal aufleben, als hier, in diesem Eck der Wüste, noch einer der Anziehungspunkte für Eisenbahnfreunde aus der ganzen Welt lag.





Noch reger Betrieb herrschte im Juli 2013 im Tal des Rio Salado. Mit einem Kesselzug haben 91 und 401 Diego de Almagro erreicht. Noch befinden sie sich auf den Gleisen der Minenbahn nach Potrerillos. Gleich werden sie in die ehemalige Hauptbahn einfädeln und dann auf deren im Vordergrund sichtbarem Gleis rückwärts in den Bahnhof drücken.







Im Bahnhof angekommen, müssen die beiden Maschinen ihren Zug aufgrund des Fahrtrichtungswechsels umlaufen.







Anschließend geht es mit mächtig Getöse über die alte Hauptbahn zur Mina Franke. Links neben dem Silo-LKW unser rotes Spielmobil, mit dem wir in den kommenden Stunden den Zug bis zum Tor der Mine verfolgen werden. Wohl eine der unvergesslichsten Jagden in Südamerika, bis dato.







Uns würde ja schon noch brennend interessieren, wie es weiter hinten in Llanta aussieht. Was ist von der großen Werkstatt noch übrig und hat dort noch Rollmaterial überlebt?

Aber wir haben noch rund 400 km vor uns, und da es gleich 16:00 Uhr wird ist sowieso klar, es wird ein langer Tag und eine lange Fahrt durch die Nacht. Denn die Sonne wird wohl bald hinter dem Horizont verschwinden. Also biegen wir brav nach Westen ab, in Richtung Hauptstraße.

Hinter Diego de Almagro ist die Strecke noch einige Zeit freigeschoben und die Schienenköpfe scheinen sogar in der tiefstehenden Sonne zu glänzen. Doch bereits am Bahnübergang vor der Abzweigstation Emplame 2 wird klar, dass hier nichts rollen kann. Die verschütteten Gleise sprechen eine klare Sprache. Die Estación, in der sich die Hauptbahn und die Minenstrecke zum Hafen in Barquito trennen, liegt scheinbar unberührt da. Zumindest sieht es von der Straße her so aus. Einen Antrag auf „mal schnell hinüberlaufen“ spar ich mir aufgrund des heute noch zu bewältigenden Programms. Und schließlich habe dich vor sechs Jahren für eine ähnliche Aktion schon Mecker bekommen! Das will ich heute nochmal riskieren…. *grins* Also, begnügen wir uns mit den Bildern von damals.





Während die links abzweigende Hauptbahn nach Copiapó und La Calera 2013 schon still lag, gab es auf der Strecke nach Chañaral und Barquito noch regelmäßigen Zugbetrieb.







Blick zurück in Richtung Diego de Almagro







Die Estación selbst war schon massiv zurückgebaut und nur mehr ein Schatten ihrer selbst.














Links von uns breitet sich eine durchfurchte Mondlandschaft aus. Das Wasser der Sturzflut und die Bauarbeiten für eine Art Kanal, der zukünftiges Unheil verhindern soll, haben den Talboden nachhaltig geschändet. Von der ehemaligen Trasse der Bahn sind nur mehr rudimentäre Fetzen zu sehen.

In El Salado das gleiche Bild. Wüsste man nicht, dass hier einmal ein Bahnhof mit Schienenstrang existiert hat, nie würde man darauf kommen.





So gut wie nichts deutet darauf hin, dass hier mal der Bahnhof von El Salado war. Die früher hier verladene Säure wird schon längst von der Gummikonkurrenz transportiert, wie der Auflieger des vorbeifahrenden LKW zeigt.







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Einzig der völlig zerbeulte Wasserbehälter, den die Flut 2015 über mehrere hundert Meter mitgerissen hatte, zeugt noch davon, dass es in El Salado vor nicht allzu langer Zeit mal regen Eisenbahnbetrieb gegeben hat.







Auch von der ehemalige Säure-Verladeanlage sind nicht mehr als ein Häufchen Dreck und verbogene Metallreste geblieben. Sechs Jahre zuvor konnte man hier noch GR12 und Vertreter der älteren G12 einträchtig miteinander im Dienst erleben.






Während der Rest des Güterzuges auf dem Streckengleis zurück geblieben sind, rangieren 409 und 83 am 25.07.2013 eine Reihe Kesselwagen an die Säureumladestation.







Das Pärchen aus den Loks 83 und 409 beim Rangieren in El Salado. Während sich der Sechsachser damals noch fast makellos in Ferronor-Farben zeigt, hat sich die G12 schon fast komplett der „Schwarzlok-Bahn-Optik“ angepasst.







Wehmut über das Vergangene kommt auf, während wir weiter in Richtung Meer rollen. Und Freude darüber, dass wir zumindest diese Eisenbahnlinie noch im Betrieb erleben durften.

Endlich fädeln wir wieder in die Pan Americana ein. Ab jetzt geht es nach Norden, auf direktem Weg nach Antofagasta. Durchziehen ist jetzt angesagt, schließlich wollen wir morgen Früh am Cumbre stehen und die ersten „Fahraufnahmen“ in diesem Urlaub machen. Das Programm bisher war ja ganz nett, aber da sollte doch bald schon mehr kommen.

Lange geht’s aber nicht vorwärts, denn Gubi meldet einen Betriebshalt an. Er ist durch. Verständlich nach der langen Zeit, die er jetzt gefahren ist. Und da auch seine Ablösung nicht lange durchhält, sehe ich mich unversehens hinterm Lenkrad sitzen und in den letzten Strahlen einer untergehenden Wintersonne durch eine traumhaft beleuchtete Wüstenregion fahren.

Dann ist es dunkel, Sterne erscheinen in Massen am Himmel und die Konversation im Wagen stirbt, bis es bis auf die leise, verrauschte Musik und das Brummen des Motors völlig ruhig ist. Auf der Straße herrscht auch wenig Verkehr, überraschend wenig. Was an sich ja jetzt gut ist, denn kein langsamer LKW hemmt unser Vorwärtskommen, aber andererseits entfaltet so die meist schnurgerade Straße durch die Wüste noch mehr ihre einschläfernde Wirkung. Ein graues Band, mit hellen Rändern, erleuchtet eben so weit, wie die Scheinwerfer reichen.

Kilometer weit ist mir schon nichts mehr entgegengekommen. Es scheint fast so, als wäre ich der einzige Mensch auf diesem Wüsten Planeten. Ich, und die beiden leise vor sich hin schnarchelnden Wesen neben mir, im Dunkel der Kabine. Nur die Scheinwerfer vor mir und die Lichter der Armaturen spenden mir noch etwas Trost in dem Schwarz meiner Umgebung.

Ich bin platt und die Blase drückt. Genau der richtige Zeitpunkt rechts raus in die sandige Fläche zu fahren und raus in die frische Luft zu treten. Kopf in den Nacken und „aaaaaaah“!

DA ist er! Dieser unvergleichliche, eindrucksvolle, unbeschreibliche Sternenhimmel. Millionen und Abermillionen kleiner Lichtpunkte strahlen, funkeln, leuchten auf uns herab. Schon vor sechs Jahren war dieser Anblick etwas, was ich seitdem nie mehr vergessen, von was ich seitdem unzählige Male mit Begeisterung und glänzenden Augen erzählt habe. Etwas was ich unbedingt wiedersehen wollte und was, zugegebenermaßen, zumindest für mich, auch einer der Hauptgründe für diese Reise war! Der Himmel, dieser unglaubliche Sternenhimmel, über dieser absoluten Schwärze, die uns umfangen hat, seit auch die letzten Lichter unseres Autos erloschen sind!

Still stehen wir da, meine Begleiter und ich, denn mittlerweile sind auch sie dem Fahrzeug entstiegen. Still, voller Begeisterung und Ehrfurcht vor der Größe der Natur und der Einmaligkeit dieses Augenblicks.

Jetzt, nach der Pause, herrscht wieder Leben in der Bude. Was so 20 Minuten frische Luft ausmachen können. Und irgendwie hat man das Gefühl, wir drei sind jetzt so richtig im Urlaub angekommen.

Wenige Kilometer weiter treffen wir dann auch auf den Grund, warum uns gerade so lange ungestört Zeit blieb, die Wüstennacht zu genießen. Eine lange Baustelle mit Ampelregelung blockiert den Verkehr und auch wir stellen uns, gleich an 1.Stelle, brav an die rote Ampel. Währenddessen ist fachsimpeln angesagt. Nutzen Gubi und ich doch die Pause, um gebeugt über das Tablett die Streckenlinien zu verfolgen, welche auf der Karte in rauen Mengen eingezeichnet sind. Welche ist die Hauptbahn von Süden her und wo kreuzt die eigentlich die Linie rüber nach Argentinien und die Strecken der FCAB, welche sind Minenanschlüsse in Meterspur und welche gehören noch zu den Bahnen, die hier mal einst mit noch schmalerer Spur betrieben und schon längst aufgelöst wurden?

Stoff genug, um das Abspulen der Kilometer bis zur Hafenstadt am Pazifik wieder erträglich zu machen und spannend genug, um sogar einen Abstecher nach Osten mit einzubauen, führt doch dort laut Karte, unweit der Straße, eine Strecke entlang. Da könnte man doch glatt mal schauen, wie es da aussieht und ob es Hinweise auf Verkehr gibt.

Nil kann dem Vorhaben nur wenig abgewinnen, aber was will er machen *grins* Aussteigen und am Straßenrand eine rauchen bis wir wieder da sind? Nein, das ist jetzt auch nicht so sein Ding. Also bleibt er sitzen, die kurze Stippvisite, fast, klanglos über sich ergehen lassend.

Der Bahnübergang mitten im Nichts ist über eine Sandpiste auch schnell erreicht. Und siehe da, die Gleise sehen tatsächlich nicht wirklich unbefahren aus. Daraus schließen, dass es hier rollt, wollen wir aber im Umkehrschluss auch nicht mit Bestimmtheit. Das ist ja die Krux von Strecken hier in der Wüste. Linien, die noch recht gut ausschauen, haben seit Jahren keinen Verkehr mehr gesehen, und bei anderen, bei denen man die Gleise fast nicht mehr erkennen kann, schiebt sich gleich der nächste Zug um die Ecke.

Zurück auf der Hauptstraße setzen wir zum Schlussspurt an, vorbei an den riesigen Industriekomplexen in La Negra, in denen es geheimnisvoll blitzt, blinkt und leuchtet, biegen wir nach links auf die Straße hinunter nach Antofagasta.

Zusammen mit der FCAB-Strecke geht es runter zum Meer. Am Stadtrand der nordchilenischen Metropole laufen wir dabei auf einen Zug mit Kupferplatten auf, der sich neben uns das Gefälle hinab tastet, nur schwach erleuchtet durch die Lichter der Häuser und mit dem Zucken der blauen Warnlampen auf dem Dach des Führerhauses.

Schon einige Zeit bevor wir die Stadt erreicht haben, habe ich den Antrag gestellt, dass wir gezielt das IBIS anfahren. Das liegt für uns sehr günstig im Süden der Stadt und gleich an der Hauptstraße, auf der wir jetzt entlangrollen. Rechts das Meer der erleuchteten Häuser, dahinter das grau-schwarz der Berge, links die bleigraue Fläche des Pazifiks, dessen Wellen rhythmisch ans Ufer schlagen. Zum lange Herumsuchen nach einer anderen Herberge habe ich ehrlich gesagt keinen Nerv mehr und keine Lust. Außerdem breitet sich schon seit geraumer Zeit Hunger in meinen Eingeweiden aus, was denn Drang bald anzukommen, noch verstärkt.

Und so geh ich auch nur grummelnd kurz vor dem Ziel auf dem Parkplatz eines anderen Hotels in Stellung. Hier checkt Gubi via Internet schnell was der Kasten vor uns kostet, „vergiss es“, und ob im IBIS überhaupt noch etwas frei wäre, „ja, ist!“. Also schnell gebucht, unter etwas freizügiger Auslegung der hiesigen Straßenverkehrsordnung gewendet und schon stehen wir, müde, verschwitzt und leicht angestaubt, vor der Rezeption des Hauses, in dem wir auch schon 2013 genächtigt hatten. Leider gibt es diesmal kein Zimmer mit Panoramafenster hinaus auf den Ozean, aber immerhin, wir bekommen Meerseite.

Schnell frisch machen und dann zu Fuß in Richtung Essen. Die beiden jüngeren checken, ganz alterskonform, das Gastronomieangebot der Umgebung per Handy, während ich nur an den richtigen Stellen zu nicken brauche, um meine Zustimmung Kund zu tun.

Dann sitzen wir auch schon bei leckerem Essen und Bier, in dem Gefühl alles richtig gemacht zu haben und in der Vorfreude auf den morgigen Tag!

Im Hotel noch duschen, dann geht’s auch schon ab in die Federn. Die Nacht wird kurz! Und das im Urlaub!

Dann mal schöne Träume und bis morgen!