Norwegischer Winter - Teil 1: Anreise
Von Daniel Wipf
PrologEs ist zwar schon etwas länger her, doch ich möchte euch den Reisebericht meiner Norwegenreise im Jahre 2018 nicht vorenthalten. Schon etwas länger planten meine bessere Hälfte sowie ich einen Aufenthalt an der Westküste des Landes. Auslöser war ein Musikprojekt, welche sie in Bergen für ein Wochenende wahrnehmen wollte, wodurch sie schon mal im Land war. Zwischen Bergen und Trondheim gab es noch viele schwarze Flecken auf der eigenen Entdeckungskarte, welche im Anschluss auf das Wochenende gefüllt werden wollte.
Der grobe Plan sah vor, dass ich Sonntag gegen Mittag in Bergen sein wollte und wir danach die Westküste unsicher machen konnten. Nach gut 2 Wochen eisenbahnfreien Urlaub sollte es dann in Trondheim Reisepartnerwechsel geben. Während meine Freundin nach Hause musste, sollten Gubi und Hofi mit demselben Flieger in Trondheim ankommen.
Mittwoch, 09. Mai 2018
Die nahe Arbeitsstelle beinhaltet mehrere Vorteile was Reisen anbelangt. Zum einen kann man den ganzen Arbeitstag noch nutzen um am Abend schnell irgendwo hin fliegen zu können, zum anderen kann man jedoch bei Verspätungen auch noch im Büro sitzen bleiben und steht nicht dumm am Flughafen rum. Verspätungen waren heute glücklicherweise keine prognostiziert, und so fuhr ich pünktlich gegen 16 Uhr mit der S-Bahn zum Flughafen Zürich. Für die geplante Abflugzeit um 16:55 war ich genau richtig und das Boarding startete bereits, als ich beim Gate ankam. Leider war der Direktflug nach Oslo sehr teuer, weshalb ich mich für eine Umsteigeverbindung via München entschied. Die Verbindung Zürich – München – Oslo – Zürich war so zu erschwinglichen 300€ zu haben obwohl ich erst eine Woche vor Abflug gebucht hatte. Ich wollte mir bezüglich Wetter die Option offen halten, erst am Wochenende nach Oslo zu reisen und so wartete ich bis zum letzten Drücker.
Der Flug von Zürich nach München mit einer alten Fokker100 von Helvetic war von Turbulenzen durchzogen und dadurch sehr wackelig. Auf ein Boardservice wurde verzichtet, was ich gut verkraften konnte. Der Flughafen München war für mich eine Premiere, verzichte ich ansonst bei geschäftlichen Reisen ins nahegelegene Ausland (München, Frankfurt, Paris, etc.) gerne aufs Flugzeug und steige lieber in den Zug. Nun ja, was soll ich sagen. Ein Flughafen wie jeder andere. Die gut 2 Stunden Aufenthalt nutzte ich um ein paar überteuerte Weisswürste zu verköstigen und mit einem grossen Weissbier den Durst zu stillen. Wenn man schon mal da ist…. ;-).
Im Gegensatz zum ersten Flug war die Weiterreise nach Oslo eher gemütlicher Natur und wir setzten pünktlich um 21:15 in Gardemoen auf. Hier erstand ich im Duty-Free noch eine Flasche norwegischen Gin (dieser soll im Land um einiges teurer sein) und eine grosse Packung Kvikk Lunsj – das norwegische Pendant zu KitKat. Nachdem das Gepäck abgeholt war fuhr ich mit der S-Bahn zum Hauptbahnhof. Wiederrum eine Premiere für mich, hatte ich doch bis jetzt die norwegischen Flirts nur von aussen gesehen. Sehr angenehm war es!
In Oslo hatte ich mir für eine Nacht ein Zimmer im Hotel Citybox für gut 850 Kronen gemietet. Ein Schnäppchen im Vergleich zu allen anderen Häusern rund um den Bahnhof rum. Das Zimmer war grosszügig, modern und sehr sauber. Gute Nacht!
Donnerstag, 10. Mai 2018
Eine zweite Chance hatte jeder verdient, oder? So waren jedenfalls meine Ansichten heute bezüglich der Jugendherberge in Mjølfjell. Wieso zweite Chance? Mehr dazu später. Das Haus am östlichen Ende der Strasse aus Voss war jedenfalls mein Tagesziel für heute. Das Wetter sollte gemäss Wetterbericht eher durchzogen sein, doch die nächsten Tage sollte blauer Himmel überwiegen. Gut gelaunt ging es entsprechend gegen 8 Uhr zur Oslo Sentralstasjon, wo die EL18 mit einer langen Wagenschlange auf mich wartete. Zu meiner Freude wurden sämtliche Züge über die Bergenbahn mit Lok + Wagen geführt und nicht mehr wie anno 2007 mit einzelnen Einsätzen von Bm73.
Ich genoss die Landschaft, den Anstieg aufs Fjell und die anschliessende Gebirgsüberquerung sehr. Die Bergenbahn ist und bleibt für mich (und wohl auch für all die asiatischen Touristen um mich herum) eine der schönsten Bahnstrecken auf der Welt und alleine eine Reise nach Norwegen wert! Nach gut 4.5h Fahrt erreichten wir bei strahlendem Sonnenschein den Bahnhof Myrdal, wo ich auf den Regionalzug umsteigen musste. Den Aufenthalten von gut einer Stunde nutzte ich um mir die Beine zu vertreten und einige Bilder von der Flambahn zu machen, welche hier ihren Ausgangspunkt für die steile Abfahrt zum Aurlandsfjord hatte. Seit ein paar Jahren werden auch diese Züge von einem EL18-Sandwich gefahren, welche die 2007 noch fahrenden EL17 abgelöst haben.
Einen Ticketautomaten suchte ich am Bahnhof vergebens und so löste ich meinen Fahrschein direkt beim Schaffner. Auf die Aussage, dass ich nach Ørneberget stasjon müsse, wurde ich erst einmal schief angeschaut und gefragt, ob ich mir da sicher sei. Ich bejahte dies und meinte, ich hätte ein Zimmer in der Jugendherberge. Nun ja, dies wurde so akzeptiert, ich wurde aber darauf hingewiesen, ganz vorne im Zug einen Sitzplatz einzunehmen. Wieso sollte ich gleich erfahren. Die Fahrt ging nur wenige Minuten, wurden die Berge hier doch durch den rund 5km langen Gravhals-Tunnel durchquert. Im Sommer kann man dies wunderbar zu Fuss oder mittels Bike oben drüber machen, doch jetzt lag da wohl meterhoch Schnee. Kurz vor Ørneberget wurde ich angewiesen, dass wir gleich da seien und ich mich bereit machen sollte. Ich war, wenig verwunderlich, der einzige Fahrgast, der hier raus wollte. Ein Dorf war nämlich weit und breit nicht und entsprechend der „Bahnhof“ aus spartanisch eingerichtet. Zielgenau hielt der Lokführer in einer kleinen Lücke zwischen dem Kleivane und dem Ljosandalen-Tunnel so an, dass die vorderste Tür bei einer hin gezimmerten Schwelle zum Halten kam und sich öffnete. Ich stieg über die Schwelle ins Schotterbett und wartete darauf, dass der Zug davonbrauste. Nun hiess es eine Abstiegsmöglichkeit zu suchen, befand ich mich doch eigentlich auf einem Lehnenviadukt. Am anderen Ende der Lücke, gleich beim Tunnelportal fand ich einen entsprechenden „Weg“, welcher nach unten führte. Der Abstieg ins Tal mit dem schweren Gepäck (ja, es sollet für 4 Wochen reichen) war eine Katastrophe, die Schneeschmelze der letzten Tage richtete den Weg entsprechend zu und auch die gespannten Stahlseile nützten nichts, dass ich nicht 2x ausrutschte und schlussendlich von oben bis unten schlammig war. Willkommen in der Wildnis. Entsprechend war ich froh, dass ich unten ohne Brüche ankam und freute mich schon auf eine Dusche. Doch…nanu, Tür zu. Die Buchung wurde bestätigt, entsprechend sollten hier alle informiert sein, dass ich komme. Nun ja, vielleicht am späteren Nachmittag dann, war ich doch etwas sehr früh hier. Ich hinterliess mein Gepäck im Hauseingang, kritzelte schnell meine Telefonnummer und meine weiteren Absichten auf ein Blatt Papier und holte meine Schneeschuhe aus dem Gepäck. Angst, dass hier irgendetwas abhandenkommt, hatte ich nicht. Wir sind ja in Norwegen.
Zu Fuss machte ich mich auf den Weg in Richtung Vieren, sollten doch heute Nachmittag noch 2 Regionalzüge sowie der spätere Schnellzug nach Bergen kommen. Der Weg war nicht besonders arg, doch fehlende Spuren und die stark vorangeschrittene Schneeschmelze machten es nicht einfach. Ziel war eigentlich den Bach bzw. den See zu überqueren, doch da war bereits alles aufgetaut. Ich lief weiter entlang dem Rallarvegen und entschloss mich, an einer einigermassen geeigneten Stelle den Regionalzug abzuwarten.
Leider zog der Himmel nach dem Regionalzug immer stärker zu. Zudem war die Stelle für mich eher mittelmässig, weshalb ich mich nach gut 2 Stunden entschloss wieder in Richtung Herberge zu wandern, welche ich gegen 16:00 auch erreichte. Mein Gepäck lag noch immer da, die Hütte war noch immer abgeschlossen und niemand aufzufinden. Nun ja, wenigstens Handyempfang war gegeben, so dass ich versuchte einige Nummern anzurufen. Ich erwischte wohl die richtige, denn nach 2 oder 3 Telefonaten meinte jemand, er kümmere sich darum. Kurz darauf rief mich der Besitzer an. Leider sei er momentan im Urlaub und hätte meine Buchung nicht gesehen. Ich solle doch zu Fuss zur nächsten Unterkunft etwas talwärts gehen, diese sei nur etwa 30 Minuten zu Fuss, also 5 km. Toll, also 5km mit Gepäck dauern definitiv länger als 30 Minuten.
Ein Blick auf den Fahrplan liess ein Lachen auf mein Gesicht zaubern. Da soll in gut 30 Minuten ein Zug fahren. Hmm, 30 Minuten da hoch…machbar, aber schwierig. Schnell die Schneeschuhe verstaut (die brachten hier im Geröll/Schlamm nichts) und das Gepäck gesattelt. Zügigen Schrittes ging ich wieder den Hang hoch (aufwärts geht’s immer besser als abwärts, oder?) und erreichte keuchend und total am Ende 2 Minuten vor Zugdurchfahrt die Schwelle am Ende des Lehnenviadukts. Doch woher soll der Lf wissen, dass er zwischen den Tunnels anhalten soll weil da per Zufall alle Schaltjahre mal ein Fahrgast steht. Mit der Lampe des Handys begann ich zu winken und machte auf mich aufmerksam, als der Zug im Tunnel zu hören war. Mit der letzten Tür kam der Flirt dann auch zum Stehen und liess mich zusteigen. Das Zugpersonal war sehr verwundert, zumal ich nur ein Ticket ins nahegelegene Mjølfjell benötigte. Während der Fahrt dachte ich über die Gesamtlage nach (von Mjølfjell waren es nochmals 2km zurück) und entschloss mich, dass dies hier keine Zukunft hatte. Zum einen hatte ich keine Lust am nächsten Tag 5km hin und 5km zurück zu latschen um überhaupt an den Ausgangspunkt der beabsichtigten Wanderung hoch nach Upsete zu kommen, zum anderen verunmöglichte die fortgeschrittene Schneeschmelze so oder so was ich vor hatte. In Mjølfjell kurz aus der Tür gekuckt entschloss ich mich meine Fahrt bis nach Voss weiterzuführen. Dank Internet im Zug hatte ich mir noch die Jugendherberge in Voss als mögliche Übernachtung eruiert und so genoss ich die wohlige Wärme des Zuges eine weitere halbe Stunde.
Etwas frustriert über das Tagesergebnis bezüglich Fotoausbeute nahm ich in Voss den letzten Kilometer bis zur Jugendherberge zu Fuss unter die Sohlen. Zu meinem Erstaunen war der Bahnhof eine riesige Baustelle. Hier soll zukünftig ein neuer Bahnhof inkl. Talstation einer neuen 3S-Bahn auf den nahegelegenen Ausflugsberg entstehen.
Da in der Jugendherberge kein Essen zu bekommen war, ging ich am Abend nochmals ins Dorf zurück und verköstigte mich im örtlichen Burgerladen.
Achja, das Thema mit der 2. Chance ist noch offen. Als ich damals mit Neel 2007 in Norwegen unterwegs war, erkoren wir die Jugendherberge von Mjølfjell ebenfalls als idealer Ausgangspunkt für die westliche Rampe der Bergenbahn. Damals informierten wir uns wohl zu wenig bzw. konnten uns die Lage im Tal nicht ganz vorstellen. So tief und weit weg von der Bahn gelegen hatten wir das nicht angedacht. Als dann zu allem Übel das reservierte Zimmer auch nicht verfügbar war, entschlossen wir damals ebenfalls eine Alternative aufzusuchen. Naja, vielleicht sind ja alle guten Dinge deren Drei und die Unterkunft kriegt nochmals eine Chance. Wenn man zu Fuss oder mit dem Rad unterwegs ist, liegt sie nämlich gar nicht so schlecht.
Freitag, 11. Mai 2018
Neuer Tag, neues Glück. Gestern Abend sinnierte ich noch über meine in Voss gewonnen Zeit. Da ich am Abend in Finse reserviert hatte, blieb davon aber nicht allzu viel über. So entschloss ich mich angesichts des tollen Wetters mit dem Zug eine Station westlich zu fahren und von dort zu Fuss eine am morgen nicht befahrene Haltestelle zu erreiche. Das Gepäck schloss ich in Voss ein und kaufte mir das notwendige Ticket am Automaten. Während ich wartete und dem Treiben auf der Baustelle zuschaute, erreichte ein Güterzug aus Bergen den Bahnhof Voss. Hoffentlich nicht der letzte am Vormittag.
Die Fahrt mit dem Regionalzug dauerte nicht lange und der anschliessende 5km Fussmarsch tat gut (besser hier als in Ørneberget im Schnee). Von Schnee war nämlich in Voss keine Spur mehr. Ich tobte mich an den Stellen rund um den Haltepunkt xxx aus und erwischte den einen oder anderen Zug. Leider platzierte sich jeweils genau im falschen Moment eine Wolke vor der Sonne, sodass Güterzug und Fernverkehr im Wolkenschatten vorbeirauschten. Gegen 16:00 stand ich auf der hölzernen Plattform bereit, wo mich der Regionalzug einsammelte und nach Voss zu meinem Gepäck brachte.
Nachdem mein Gepäck aus dem Schliessfach befreit war, blieb noch kurz Zeit im Bahnhofsrestaurant einen Hotdog zu bestellen. Mit gefülltem Magen wartete ich auf den Regiotog nach Oslo, welcher auch pünktlich auf die Minute erschien.
Die Zugfahrt nach Finse war kurzweilig und der Zug rappelvoll mit asiatischen Touristen. Irgendwie hatte ich das nicht so extrem in Erinnerung von früher, aber ist ja schön konnte die Auslastung gesteigert werden. Ich genoss die Fahrt durch die atemberaubende Landschaft und erreicht Finse ebenfalls pünktlich. Bezüglich Unterkunft in Finse hat man ja sehr wenige Möglichkeiten. Da die im Bahnhof gelegene Unterkunft jedoch meine Preisvorstellung um ein Vielfaches überbot und zudem sehr schlecht kurzfristig zu buchen war, suchte ich vorgängig nach Alternativen. Diese fand ich in Form einer Hütte für Tourengänger des norwegischen Bergsportvereins. Für einen relativ kleinen Jahresbeitrag wurde ich vorgängig Mitglied (wird beim DAV oder SAC anerkannt) und erhielt so Zugang zu einer Vielzahl von norwegischen Hütten. Eine davon befand sich in Finse (glaube sogar die grösste), bei welcher ich vorhergehend ein Zweierzimmer reservierte.
Der Weg zur Hütte führte nur wenige hundert Meter vom Bahnhof über einen schneebedeckten Weg, ehe ich mich inmitten einer Schar von Tourenskifahrer wiederfand. Die Anmeldung war schnell gemacht und ein schönes Zimmer habe ich auch gekriegt, inkl. Bahnblick. Da ich ein Zweierzimmer reserviert hatte, konnte jederzeit noch jemand kommen, doch aktuell sei nichts geplant, meinte die Chefin. Schliesslich sei am Sonntag der letzte Tag an dem die Hütte offen sei, danach ginge es in die Frühjahrspause. Nachtessen gab es in zwei Schichten, wobei ich mich in die zweite einteilen liess. Dies ermöglichte mir zum einen draussen zu bleiben solange Sonnenlicht war, zum anderen aber auch im Anschluss ans Essen noch gemütlich sitzen zu bleiben.
Da draussen noch ordentlich Licht war und sich im Fahrplan ein Zug ankündigte, band ich wieder meine Schneeschuhe unter die Füsse und machte mich auf die Suche nach einer passenden Stelle. Diese fand ich auch gleich beim Tunneleingang östlich von Finse, wo die Bahn in einer Linkskurve nochmals ins Sonnenlicht drehen würde.
Nachdem der Regiotog 63 im Kasten war kündigte sich glücklicherweise nichts mehr an, denn es war Zeit für ein Abendessen. Hunger war ausreichend vorhanden und so war ich ganz froh, dass ich nicht mal mehr Zeit für eine Dusche hatte.
Anstelle von schickimicki im dicken Bahnhofshotel herrscht ganz nach meinem Geschmack in der Hütte Alpenhüttenfeeling. Das Essen kommt im Topf auf den Tisch. Es gab leckeren Fisch mit Kartoffeln und Gemüse (irgendeinen Kohl inkl. Lauch, etc.). Sehr lecker das Ganze und neue Tischbekanntschaften wurden auch sofort geschlossen. Es scheint so, als wäre ich der einzige nicht Skandinavier hier, was die Kommunikation anfänglich immer etwas schwieriger machte. Irgendwann entschloss sich jedoch mein Tisch ins Englische zu wechseln und es entstanden nette Gespräche. Mein Plan später noch etwas Sterne fotografieren zu gehen, verflüssigte sich im Bier und einem Gespräch. Gn8