Altbaustrecken in Spanien – Teil 3: Zwischen den Pfirsichbäumen
Von Daniel Wipf
Freitag, 31.05.2019Dank eines spanischen Kollegen wusste ich, dass planmässig heute nur die Personenzüge fahren sollten. Dadurch kam am Morgen auch keine Hektik auf und ich öffnete meine Augen kurz vor 8 Uhr. Kurze Dusche, packen, ab die Post. Frühstück hatte ich mir gestern Abend im Supermarkt besorgt und wollte gleich zur ersten Stelle. Diese hatte ich auch gestern Abend auf Google recherchiert und war mir ziemlich sicher, dass da was gehen würde. Nicht mal 5km ausserhalb von Hellin bog ich daher von der Landstrasse ab und folge einem üblen Dreckweg. Am Ende des Weges war eine (Tabak??-) Plantage und gleich dahinter wollte ich einen Hügel hochkraxeln. Leider war die Bahn aber im auserwählten Bereich in einem Einschnitt drin….und vom Hügel runter konnte man den nicht zu 100% einsehen. Es ist also wieder einmal bewiesen, dass man nicht alles auf Google Earth erkennen kann ;-). Schnell spurtete ich wieder runter, setzte mich ins Auto und suchte nach einer Alternative. Glücklicherweise kündigte das RENFE-App gute 45 Minuten Verspätung des ALVIA an, ansonst wäre es jetzt sehr knapp geworden. Ich versuchte auf einem kleinen Strässchen der Bahn zu folgen und stellte mich 2km weiter südlich auf eine Brücke. Diese lag, typischerweise, irgendwo im nirgendwo, war doppelspurig geteert und mündete an beiden Enden in einen Kiesweg. Offensichtlich waren diese Brücke und die dazugehörigen Kieswege jedoch die Hauptzufahrt zur Plantage, den in der Zeit, wo ich oben auf der Brücke stand, kamen 3 oder 4 Sattelschlepper und quälten sich über die engen Wege. Vielleicht steckt hinter der Brückenposition ein tieferer Sinn, ich kann ihn jedoch nicht erkennen. Bei der Fabrik wär alles ein bisschen einfacher gewesen.
Die Wartezeit verkürzte ich mit Beobachtung der heimischen Vogelwelt und schon bald tauchte aus dem Einschnitt eine weisse Front auf. Hä? Wasn das? Sieht aus wie….och, wie unerwartet! Anscheinend haben die Hybrid-Entchen bereits ein alternatives Verbreitungsgebiet als die Strecke Madrid – Galicien gefunden. Naja, ehrlicherweise bietet es sich hier an, ebenso auf der zukünftigen Neubaustrecke Madrid – Granada – Almeria. Mal schauen….
Durch die Verspätung des Entchens wurde mein Zeitplan etwas in Bedrängnis gebracht. Eigentlich wollte ich weiter südlich etwas probieren, doch daher kam auch der Zug. Um etwas Zeit zu gewinnen fuhr ich deshalb an Hellin vorbei und wurde nahe Tobarra fündig.
Die Region mochte zwar schön sein, doch ich hatte mir ehrlicherweise etwas mehr Hügellandschaft erhofft. Nun hatte ich jedoch ein Zeitfenster von rund 3 Stunden und dieses wollte ich nicht auf einer Brücke verbringen. Ich nutzte die Zeit und fuhr der Strecke entlang bis nach Cieza. Die 3 Stunden brauchte ich um die unzähligen Nebensträsschen zu erkunden. Wald- und Feldwege forderten ihren Zeittribut. Die schlussendlich favorisierte Stelle war gefunden, doch der Zug sollte ca. eine halbe Stunde zu früh kommen. Da nützt die beste Stelle nichts, wenn kein Licht da ist. Doof, wenn man die Verspätung mal braucht, dann ist sie nicht da. Etwas in Eile suchte ich mir einen Streckenabschnitt, auf dem die Sonne sicher passen würde. Da sollte es gemäss meinen Recherchen auch eine Stelle geben…doch wie man dahin kommt ist eine andere Frage. Ich peilte den nächstbesten in der Karte eingezeichneten Weg an und ging davon aus, dass ich noch ein paar hundert Meter laufen musste.
Vor Ort sah es dann jedoch etwas anders aus. Der Weg ging weiter als gedacht und endete nahe einem kleinen Hügel. Kurzerhand hochgekraxelt blickte ich von dort oben auf eine Brücke, über welche der Zug in wenigen Minuten fahren sollte. Kaum da tauchte auch schon links von mir eine 334 auf und führte eine kleine Reihe Talgowagen durch die Gegend. Zwar hatte ich den seitlichen Winkel des Lichtes im Auge….doch über den Höhenwinkel habe ich gar nicht nachgedacht. Dass die Fotoposition in der Innenkurve bei Talgo-Wagen (passive Neigetechnik) auch nicht ideal war, wurde mir schlagartig bewusst. Der Zug war auf der Seite einfach nur dunkel. Schade, doch wollte ich das Bild in 3 Stunden wiederholen. Nun ja, im Nachhinein ist man immer schlauer. Das Bild erspar ich euch an dieser Stelle.
Etwas genervt ging ich wieder ins Auto zurück und wollte mir eine Stelle für in 2 Stunden suchen. Dann sollte ein Altaria aus dem Süden kommen. Ich checkte meinen Sonnenstandsrechner und malte mir eine mögliche Fotoposition bei der Brücke aus. Auch hier war wieder das Problem den richtigen Weg zu finden..und so irrte ich mit Hilfe von Osmand und Google Maps durch die Pfirsichplantagen. Der von beiden Navigationsdiensten vorgeschlagene Weg endete an einer Flussdurchfahrt (die Brücke führt eigentlich über einen Fluss / Stausee, es war nur gerade sehr wenig Wasser vorhanden). Zwar war da nur ein Rinnsaal, doch an beiden Ufern war der Boden schön weich und schlammig. Sicher kein Problem für ein Toyota Hilux oder dergleichen…aber mit dem Ibiza kann es klappen, muss aber nicht. Das Risiko war mir zu gross und ich entscheid mich, den 10-minütigen Umweg zu fahren. Die Zeit hatte ich ja. Im Nachhinein hätte ich auch einfach das Auto da abstellen können und zu Fuss rübergehen, parkierte ich doch nachher genau auf der anderen Flussseite. Von da wanderte ich zu Fuss aufs alte Streckentrasse hoch und stellte mich nahe eine Pfirsichplantage auf eine Erhöhung.
Ich eierte ein bisschen hin und her ehe ich die für mich optimale Stelle gefunden hatte. Diese hatte ich mir zwar im Vornhinein etwas anders vorgestellt, doch etwas besseres war hier wohl kaum zu finden. Mein Standplatz beim Brückenkopf war zwar nicht unschön, doch etwas mehr von der Landschaft hätte ich gerne gehabt. Zudem befürchtete ich, dass der Zug hier an der Seite aufgrund der Kurvenüberhöhung ebenfalls dunkel sein konnte. Nach knapp 20 Minuten begann auch das gewummere und der Altaria fuhr mit 334 016 an mir vorbei. Wie befürchtet...so viel Licht war auf der Seite nicht drauf :-(.
Ich weiss nicht wieso, doch meine Intuition liess mich hier warten. Wohl eher aufgrund des unzufriedenen Bildes und der mangelten Verkehrsdichte sass ich da noch ein bisschen und lass meine begonnnen Seiten im Buch zu Ende. Als ich schon im Begriff war aufzustehen und langsam in Richtung Auto zu gehen, begann in der Ferne wieder ein Wummern. Planmässig sollte nichts kommen und ein spanischer Kollege hatte mir heute morgen versichert, dass auch keine Güterzüge geplant waren. Trotzdem war das Wummern nicht weg zu diskutieren und ich wartete gespannt, was da kommen würde.
Dank Kesselwagen war jetzt auch ein bisschen mehr Licht auf dem Zug...und ich war happy mit der Stelle. Das Glück auf einen abermaligen Güterzug werde ich heute wohl nicht haben, so dass ich mich nun zum Stellenwechsel motivieren konnte. Wohin war auch schon klar, wollte ich doch nochmals den Querschuss vom Hügel gegenüber wagen. Dank fortgeschrittener Zeit sollte nun auch mehr Licht auf der Seite sein. Zudem verging noch rund eine Stunde bis zur Zugsdurchfahrt, welche ich abermals mit Lesen verbrachte.
Als nächstes war ein Diesel-Patito in Richtung Norden auf der Programmliste. Da die Sonne mittlerweile schon arg im Süden stand, doch es bot sich ein Nachschuss an. Die Stelle hierfür hatte ich auch schon.
Als nächstes sollten zwei Züge gleich hintereinander in Richtung Süden auf dem Programm stehen. Der eine war eindeutig als Lok mit Wagen zu identifizieren, den zweiten konnte ich nicht zuordnen. Als Zieldestination sollte er nach Aguilas fahren. Eine kurze Recherche im Internet liess mich erschaudern. Baurreihe 449. Urks, alles besser als das :-(.Ich hätte jetzt eine Lok mit schönen IC-Wagen bevorzugt, so als Feriensonderzug oder so ;-). Nun, eine passende Stelle hatte ich ja morgen nördlich von Hellín schon ausgemacht, was eben rund eine Stunde Fahrzeug erfordert. Da es eh meine Richtung war, zögerte ich nicht und brach schnell auf.
Wie befürchtet war der zweite Zug mit Baureihe 449 geführt. Dies mag ja hier auf dem Dieselabschnitt sinnvoll sein, doch zwischen Madrid und Albacete ist er mit Diesel einige hundert Kilometer unter Strom gefahren. Naja, ein Bild ist ein Bild...und in 20 Jahren sind die Plastikdinger sicher von den Schienen verschwunden und das Bild „historisch“. Ein kleiner Trost.
Als Tagesabschluss hatte ich eine Stelle in Pozo Cañada ausgesucht. Oben im hiesigen Windpark sollte man schön auf die Ebene sehen und dort den letzten Talgo bei Tageslicht in Richtung Norden ablichten können. Für morgen stand die Neubaustrecke nach Valencia auf dem Programm, insofern passte die Richtung noch immer. Das Ziel war schnell erreicht und die notwendigen 500m zu Fuss schnell zurückgelegt. Nur der Zug liess zur Fahrplanzeit auf sich warten. Aufgrund der fortgeschrittenen Tageszeit wuchsen die Schatten von Minute zu Minute und drohten immer näher an die Gleise zu gelangen. Es kam wie es kommen muss. Der Zug hatte mehr Verspätung als für die Stelle gesund war und als die Schatten das Gleis endgültig in Dunkelheit hüllten, gab ich auf. Schade!
Im Dorfeingang von Pozo Cañada fand ich eine Kompromissstelle und erwischte den Talgo mit rund 25 Minuten Verspätung im allerletzten Büchsenlicht. 25 Minuten die mir schlussendlich wieder beim Abendessen bzw. 25 Minuten die mir dann auch wieder an Schlaf fehlen werden :-(. Wie unnötig!
Dank dem Hinweis eines grossen Reiseportales wusste ich über ein Hotel in der Nähe von Almansa Bescheid, rund eine halbe Stunde Fahrzeit entfernt. Dank Autobahn, automatischer Spurerkennung und guter Musik im Radio verging diese jedoch auch wie im Flug und schon bald stand ich in kompletter Dunkelheit vor dem Hotel. Auto am Strassenrand parkiert (das Hotel liegt in einem Industriepark und morgen war Samstag und somit hier garantiert nichts los), Gepäck ausgeladen und bei der Reception vorbeigeschaut. Schnell bekam ich ein günstiges Zimmer im Nachbargebäude und ging gleich mit Verzicht auf die Dusche runter ins zugehörige Restaurant. Mit Freude stellte ich fest, dass auch nach 22:30 noch einiges los war. Hünchenschnitzel mit Pommes und Grünzeugs stand auf dem Tagesmenü, welches ich gerne bestellte. Dazu ein obligates kühles Bierchen. Das Geplaudere mit meinem Tischnachbar liess die Minuten wie im Flug vergehen und ehe ich mich versah, war Mitternacht. Höchste Zeit fürs Bett. Gn8