Flucht in die spanische Wärme – Teil 3: Viele Güterzüge am Werktag, oder nicht?
Von Daniel Wipf
Montag, 13.05.2019Die erste heute angepeilte Fotostelle war gleich um die Ecke. Fussläufig erreichbar, stellte ich mich auf der anderen Gleisseite meines Hostels auf einen Hügel und wartet auf den ersten Alvia aus Gijon. Während die Tage angenehm warm waren, wurde es in der Nacht ordentlich Kühl. So waren die Pflanzen draussen und meine Autoscheibe von einer hauchdünnen Eisschicht überzogen. Ein Schicksal, welchem ich in meinem ungeheiztem Hotelzimmer gefühlt nur knapp entgangen bin. Zum Glück war ein zweites Bett im Zimmer…wo auch eine zweite Wolldecke zu finden war ;-).
Die Sonne wurde jedoch immer stärker und der Boden taute immer mehr auf. Mit der steigenden Sonne verkürzten sich auch die Schatten und die Fotostelle wurde mit jeder Sekunde fotogener. Alvia 4070 nach Madrid fuhr dann kurz vor 9 wie geplant vor meine Linse.
Die Fotostelle liess ich auch noch von weiter oben umsetzen, was ich ebenfalls noch probieren wollte. Hierfür bot sich der rund eine Stunde nach dem Alvia 4070 folgende Alvia 661. Dieser stellte einmal pro Tag eine Direktverbindung von Asturien nach Barcelona her. Schnell ging ich den hinter mir liegenden Hügel hoch und suchte mir eine passende Stelle. Gar nicht so einfach mit all den Büschen und Bäumen…doch der gewünschte Blick wurde gefunden. Pünktlich erschien kurz vor 10 ein weiterer Patito am Ende der Kurve.
Bereits beim Warten bemerkte ich den in den Bahnhof Villamanín einfahrenden Güterzug. Dieser wartete den Alvia ab und machte sich nach dessen Durchfahrt auf in Richtung Busdongo.
Kurz auf den Güterzug folge der erste Alvia des Tages aus Madrid.
Da ich wieder einmal auf einen Güterzug aus Norden hoffte, liess mich die Stelle nicht los. Wie bereits gestern wurde ich jedoch enttäuscht, am Morgen schienen keine Güterzüge von Nord nach Süd zu fahren. Komisch, da hatte ich doch andere Erinnerungen an meinen letzten Besuch im Jahr 2010 (bei fast ausschliesslich schlechtem Wetter…)
Auch der tägliche Regio darf nicht fehlen. Ein Triebwagen der Baureihe 470 als RE12101 auf dem Weg nach Gijon
3-fach Traktion eines etwas kurz geratenen Flachwagenzuges. Eine unbekannte 251 schleppt ihre beiden Schwestern und die wenigen Wagen den Berg hoch
Nach der Dreifachtraktion nutzte ich die Gelegenheit und fuhr im Windschatten des Zuges nach Busdongo. Das Licht wurde eh immer spitzer und es schien nicht so, dass noch ein Güterzug kommt. Ich sollte Recht behalten, denn im Bahnhof Busdongo konnte ich bei der Vorbeifahrt nichts erblicken. Ich parkierte mein Auto wie gestern bereits ausgekundschaftet vor dem Bahnübergang bei der Einfahrt Busdongo, packte mein Rucksack mit Getränke und Buch und spurtete den Berg hinauf. Zum Glück war hier ein gut begehbarer Weg und ich war rasch auf der gewünschten Position angekommen. Kaum angekommen und ausgeruht erschien nämlich bereits der nächste Alvia nach Madrid beim Tunnelportal des Pajares Scheiteltunnels.
Alvia 4110 hat soeben den Pajares Scheiteltunnel verlassen und fährt nun bergabwärts in Richtung Castellon. Die Fahrt von Gijon nach Castellon dauert rund 9 Stunden.
Heute wollte ich mich nicht von den Güterzügen vereseln lassen, so dass ich die Stelle nicht verlassen wollte, ehe der gestrige Stahlzug um 13:35 durchgerollt war. Eine gute Entscheidung wie ich im Nachgang feststellen musste.
Holz wird in vollen E-Wagen über den Pajarespass geführt. Baureihe 251 mit einer langen Wagenschlange kurz vor Busdongo.
Der erwartete Stahlzug kam heute ein bisschen später als gestern. Macht nichts, das Bild gefällt trotzdem!
So, mehr konnte an dieser Stelle wohl kaum kommen. Gegen 15 Uhr erwartete ich den nächsten Alvia aus Madrid. Stellenmässig noch immer schwierig für nordwärts fahrende Züge, wählte ich den Ort mit der besten West-Ost-Ausrichtung aus. Kurz vor Busdongo verlief die Bahn in einer Kurve über ein Strassentunnel ehe sie wieder in eine Lawinengalerie verschwand. Eine sehr weitwinklige Fotoposition, welcher mir bei der Begehung gefiel.
Ich musste gut anderthalb Stunden warten, ehe sich auf der Strecke wieder ein Rad bewegte. Da ich heute Morgen noch keine Möglichkeit hatte mir etwas Essbares zu kaufen, musste die „Notreserve“ daran glauben….eine Packung Tuc mit Speckgeschmack war schnell weg…und die ebenfalls in der Reserve befindliche 1.5l Flasche Wasser ebenfalls.
Vom morgendlichen Frost war in der Mittagshitze nichts mehr zu spüren und die Sonne brannte gnadenlos auf meinen Kopf. Ein Schattenplätzchen war leider auch nirgends zu sehen, wodurch der Wille an der Stelle zu bleiben relativ gering war. Plan war den nächsten Alvia aus dem Hotelzimmer zu fotografieren, wo er gegen 16:10 vorbeifahren sollte. Genug Zeit um hier noch abzuwarten was passiert.
Was jetzt folgte wäre im Nachhinein eigentlich absehbar gewesen. Da wusste ich es noch nicht…und ärgerte mich an der Stelle ordentlich. Als erstes kreuzte der vorhin fotografierte Alvia in Busdongo mit einem Güterzug (ich hatte den Stahlzug ja auf der Talfahrt gesehen…und als ich mit dem Auto durch bin, hatte ich ihn auch in Busdongo sehen müssen). Dieser Güterzug fuhr mir nun in den Rücken und war an der Stelle unfotografierbar. Vom Hotelzimmer aus wäre er jedoch PERFEKT gewesen! Na gut, ein Zug vermasselt…es gibt schlimmeres. Ich wollte noch warten ob der Güterzug in Villamanín mit einem Gegenzug kreuzte. So gab ich dem Geschehen weitere 20 Minuten Zeit, was eigentlich ohne Probleme hätte locken sollen. Die Berechnung für die 20 Minuten basiert auf der zu erwarteten Kreuzungszeit mit einem potenziell bergwärts fahrenden Güterzug und dem gegen 16:10 talwärts fahrenden Alvia. Na gut…nach 25 Minuten kam noch immer nichts, Zeit also schnellstmöglich ins Hotelzimmer zu verschwinden. Als ich von der Stelle ins Auto lief, hatte ich den Tunnelausgang stets im Blick. Ich hätte theoretisch noch den Berg hochspringen können wenn was gekommen wäre. Es kam aber nichts. Also rein ins Auto, Gang eingelegt und losgefahren. Es kam wie es kommen musste. 30 Sekunden später erschien im Tunnelausgang eine Lokfront mit grellen Lichtern. !?#&%!!# AARGH! Wieso dauerte das soooo lange? Wieso nicht eine Minute schneller? Fragen über Fragen…aber mein Gefluche im Wagen war köstlich.
Verärgert ging ich auf mein Zimmer, öffnete die Fenster und lag auf mein Bett. Natürlich hatte der Alvia Verspätung, da je der Güterzug entgegen meinen Berechnungen zu spät kam. Dies übertrug sich in Busdongo auf den Alvia, welcher nach weiteren 15 Minuten vor meinem Fenster vorbeifuhr.
Alvia 4160 fährt am Hostel Golpejar vorbei. Zimmer 2 im ersten Stock kann ich für Fotos bestens empfehlen!
Gefrustet wartete ich ab, ob noch ein Gegenzug auftaucht. Diesen wollte ich an der Nordrampe fotografieren. Bei den zwei Zügen die ich gerade verdödelt hatte kam natürlich nichts mehr…und so fuhr ich pünktlich auf den nächsten nordwärts fahrenden Alvia nach Pajares hoch.
Alvia 4541 hat soeben den Pajares Scheiteltunnel verlassen und begibt sich auf die lange und kurvenreiche Abfahrt in Richtung Gijon
Die Strasse auf dieser Seite des Passes war zwar spektakulär, doch die Bahn ist in diesem Bereich nicht zu übertreffen. So gilt die Nordrampe des Passes als eins der kühnsten Bauvorhaben der spanischen Eisenbahngeschichte. Hier galt es von Pola de Lena nach Busdongo rund 800 Höhenmeter auf einer Länge von nur 22km zu überwinden. Dies war natürlich nicht möglich, so dass die Weglänge stark verlängert werden musste. Rund 10.000 Arbeiter schlugen zwischen 1881 und 1884 unzählige Tunnels in die Berge und errichteten spektakuläre Brücken. Dadurch konnte die Bahn auf eine Distanz von rund 60km verlängert werden, was auch von damaligen Lokomotiven bewältigt werden konnte. (Mehr geschichtliches ist auf dem passenden Wikipedia Artikel zu finden). Leider wurden mit der Elektrifizierung oder aber auch aufgrund der Lawinengefahr viele Brücken durch Dämme ersetzt und die Bahn verläuft grösstenteils von der Strasse aus unzugänglich am Berg. Des Weiteren staut sich hier oft feuchte Luft aus der Biskaya, wodurch die Vegetation einen idealen Nährboden fand und dichter Bewuchs resultierte. Schade, doch wenn man hier mehr Zeit und eine Heckenschere bzw. Baumschere mitbringen würde, gäbe es sicher das eine oder andere erlaufbare Motiv!
Ich entscheid mich weiter talabwärts für eine bei Flicker erspähte Stelle nahe Casorvida. Um die Stelle zu erreichen musste ich erstmals ganz ins Tal runter fahren, um dann wieder auf einem engen Strässchen die Bergflanke hoch zu fahren. In Puente de los Fierros konnte ich noch einen fahrbereiten Stahlzug erblicken, welcher ich mir nach dem Alvia erhoffte. Auf der Strasse war noch eine Baustelle, welche mich gute 15 Minuten kostete, so dass es für den Alvia knapp zu werden drohte. Casorvida war ein enges Bergdörfchen, in welchem die Strasse auch endete. Ich fuhr bis es nicht mehr ging und rannte auf die vermeintliche Fotoposition. Natürlich galt es noch einen Zaun mit Stacheldraht zu überwinden, den Bauer in seiner Scheine um Erlaubnis zu fragen (ja, der Zufall wollte es, dass der Bauer genau zur richtigen Zeit im Stall vor die Tür trat) und die richtige Stelle zu finden. Kaum angekommen quietschte es auch schon in den Schienen und der vermeintlich später fahrende Stahlrollenzug tauchte mit 2 253er auf.
253 099 und ihre Schwesterlok zogen den schweren Stahlrollenzug die 27 Promille Rampe auf den Pajarespass hoch
Natürlich stand mein Auto inmitten der „Strasse“. Es war ein etwas breiterer Wanderweg, welcher aus der vermeintlichen „Hauptstrasse“ entstand. Zum Schluss wurde dieser Weg immer enger und die Mauern links und rechts hatten zu meinen Rückspiegeln nur noch knapp Luft. Da keine wende- oder parkiermöglichkeit da war, entschloss ich mich das Auto einfach auf dem Weg abzustellen. Dieser sah nicht so aus, als würde hier regelmässig jemand vorbeifahren.
Tja, da hatte ich wohl nicht die Rechnung mit dem örtlichen Bauern etwas unterhalb von meiner Position gemacht. Als ich auf den Alvia wartete, ertönte hinter mir das Knattern eines Treckers. Och nö, dass muss jetzt nicht! Glücklicherweise erschien genau in diesem Moment der Alvia in der Kurve und ich konnte das gewünschte Foto ungehindert machen.
Alvia 4180 hat soeben den steilen Anstieg nach Busdongo begonnen und durchquert das idyllische Örtchen Casorvida
Kaum war der Zug vorbei, rannte ich zu meinem Auto wo sich der Bauer gerade begann aufzuregen. Da ich keine Wendemöglichkeit sah, blieb mir nichts anderes übrig als dem Weg noch ein bisschen weiter zu folgen und eine enge Auffahrt zu einer Wiese hochzufahren. Das kleine bisschen SUV im Mokka drückte durch und ich hatte zum Glück kein Problem mit der Bodenfreiheit. Der Trecker konnte vorbei, doch ich musste nun alles wieder rückwärts ins Dorf auf die Strasse zurück. Es waren zwar nur 300m, doch die waren auch rückwärts genau so eng wie vorwärts. Zum Glück hatte ich durch meine LKW-Fahrerei kein Problem mit „Fahren nach Spiegeln“…und so fand mein Auto auch den Rückweg wieder ohne Kratzer, dafür mit einem schweissgebadeten Fahrer. Im Nachhinein ist man ja immer schlauer….und so musste ich feststellen, dass ich vom Kirchenparkplatz genau so leicht an die Stelle gekommen wäre.
Die Sonne verschwand hinter den Bergen und ich musste noch eine gute Stunde zurückfahren. Ich schaltete ordentlich Musik ein und wollte noch eine Stelle in Linares anschauen. Da auch dort die Strasse in einem engen Kiesweg endete, hatte ich herzlich wenig Interesse nochmals in eine Sackgasse zu fahren. Schlussendlich war ich kurz nach 8 in Busdongo wo zwei Stahlzüge gerade am Rangieren waren. Wunderbar, bei meiner Unterkunft sollte ja noch bis ca. 21:00 Sonnenlicht sein. Da ich nicht gleich mit einer Abfahrt rechnete, fuhr ich noch nach Villamanín um meinen Tank und meine Notvorräte für morgen zu füllen und stellte mich dann in die Einfahrt von Villamanín.
Die Sonne sank immer weiter runter und verschwand schlussendlich kurz vor 21:00 Uhr beinahe komplett hinter den Bergen. Gerade zur letzten Minute erschien ein Güterzug mit 251-030 an meiner Fotoposition. Danach war Sonnenuntergang und der Fototag hiermit für mich beendet.
RENFE 251-030 mit einem kurzen Stahlrollenzug erschien im letzten Sonnenlicht des Tages an meiner Fotostelle nahe dem Hostal Gopejar
Keine 5 Minuten im Hotel angekommen freute ich mich auf die reinigende Dusche und frische Klamotten. Kurz nachdem ich aus der Dusche entstiegen war fuhr auch der erwartete Stahlzug druch…gezogen von 4 (!!) Traxxen des Typs 253. Schade, der Zug hätte gerne eine halbe Stunde früher kommen dürfen .
Zum Abendbrot gab es Milanesa de Pollo mit Kartoffeln, gemischtem Salat und Milchreis als Nachspeise.
Fazit des Tages: Eigentlich hatte ich mit mehr Güterzügen gerechnet. Gerade die Tatsache, dass am Morgen vor 13:30 nichts in Richtung Süden fahren wollte, enttäuschte mich ein bisschen. Die schönen Stellen waren alles Morgenstellen…und die hätte ich gerne auch mit einem Güterzug gehabt. Andersrum waren sämtliche erblickten Güterzüge ziemlich versprayt, so dass ein Alvia doch etwas schöner anzusehen war. Trotzdem war ich heute zufrieden und freute mich, dass ich morgen noch den ganzen Tag vor mir hatte. Gn8