Sorry, this content is not available in english.

However, we can run this page through Google Translate for you. Just click here.

Schaut mal die Zwei! Sind das nicht He Fu Bao und Bai Ho Tsai? – Teil 16

Von

Ulanqap – Datong, 24.07.2016



Häufchen gmacht! Es scheint geregnet zu haben heute Nacht. Davon zeugen wenigstens die kleinen Erdhäufchen, die rund um bzw. unter unseren Autos liegen. Es sind aber die einzigen Spuren von Niederschlag. Ansonsten ist nämlich alles trocken. Auch die Dreckkrusten auf den beiden Schmuddelkindern, die so gar nicht zu den blitzblank gewienerten Großkarossen passen wollen, die links und rechts davon geparkt sind.











Ein bisschen könnten man sich schon schämen, in so einer Umgebung. Aber es ist ja nicht das erste Mal, dass wir mit Fahrzeugen ähnlichen outfits irgendwo hineinplatzen, wo man uns rein optisch nicht vermuten oder zuordnen würde. So nette Auftritte hatten wir auch in Port Elisabeth, wo die zwei dreckverschmierten Pickups auf der überdachten Auffahrt direkt vor dem gläsernen Hoteleingang standen. Oder in Antofagasta, wo wir zwei von der Atacama-Wüste schwer gezeichnete Fahrzeuge in die Tiefgarage des Hotels direkt an der Uferpromenade bugsierten, dabei jeweils einen Mitreisenden auf jeder Ladefläche dessen Job es war, die langen Peitschenstange des Minenwimpels nieder zu halten! Auch hier sahen die beiden dann aus wie Aliens, so neben den ganzen glänzenden Mercedes, BMW, Audi, etc.

Heute haben wir zwar nicht nur Vertreter der deutschen Autobaukunst als Nachbarn, es mischen sich auch Japaner und Chinesen unter die anwesenden Blechkarren, aber alle eben strahlend in der dunstigen Morgensonne glänzend, als wäre die letzte Wäsche nur Minuten her.

Dunstig ist übrigens gleich ein gutes Stichwort! Der Niederschlag von heute Nacht hat sich nämlich, die Wesensart eines gepflegten Saunaaufgusses annehmend, in die höheren Luftschichten verzogen, wo er jetzt schweißtreibend fleißig umherwabert. Darum bin ich auch recht dankbar, für den durch die offenen Fenster hereinströmenden Fahrtwind, als wir den ansonsten sauber gefegten Hotelparkplatz verlassen, auf dem nur noch einige Dreckhäufchen von unser Anwesenheit zeugen.

Heute ist Fahrtag. Sprich, wir wollen uns, mit einigen passend eingestreuten Fotostopps, großräumig in Richtung Beijing verschieben. Acht Fototage haben wir noch, einschließlich dem, an dessen Abend wir uns schon am Flughafen der chinesischen Hauptstadt einfinden müssen, um dann nach Mitternacht wieder gen Heimat zu entschwinden.

Acht Tage also. Halt, diesen heute müssen wir ja noch abziehen. Also sieben Tage bleiben uns noch effektiv, die mit nochmal einer Hauptstrecke gefüllt werden sollen, und, wenn es sich zeitlich ausgeht, mit der eindrucksvollen Dieselstrecke durch die Berge südwestlich von Beijing. Ach ja, und die Linie hoch an die chinesische Mauer wäre ja auch noch. Also die alte Hauptstrecke in Richtung Mongolei. Da würd ich persönlich mal gerne kucken, was da so läuft. Tauchen doch bei dem Gedanken an den Verkehr auf dieser mittlerweile zur Stichbahn verkommenen Route unweigerlich DF4B in meinen Träumen auf. Andere wären dagegen schon auch noch scharf auf die in Ost-West-Richtung verlaufende Kohlemagistrale, die im Norden der Metropole kühn das Gebirge durchschneidet. Zuviel „wünsch Dir was“ für zu wenig Zeit. Und ein Hort für unzählige Diskussionen in den letzten Tagen dazu.

Ob es jetzt an der Überforderung durch die Vielzahl der noch offenen Wünsche, die im Raum stehen liegt, oder einfach doch nur an den drückenden klimatischen Verhältnissen, es will so richtig nicht vorwärts gehen. Und so ist es mehr als folgerichtig, dass wir schon kurz nach dem Start, auf der Suche nach der ersten Fotostelle des Tages, auch schon wieder durch ein chinesisches Dorf hoppeln. Suojiacun heißt die Ansammlung gepflegter Häuser, und die wenigen anwesenden Bewohner werden noch lange den nachfolgenden Generationen von dem Tag erzählen können, als fünf komische große Menschen, Rucksäcke geschultert den Ort durchmessen und den anschließenden Hügel erklommen haben. Was sie da suchten oder taten? Keiner weiß es! Und vielleicht will es auch keiner wissen! Denn an mach schrecklichem Geheimnis soll man nicht rühren.

Großartiges kann es jedenfalls nicht gewesen sein, denn binnen einer knappen halben Stunde waren sie wieder da, verstauten ihr Gepäck und verschwanden genauso im Staub der Zufahrtsstraße wie sie gekommen waren!

Tja, der Grund für den Kurzbesuch ist profan. Zwar schließt sich hinter Suojiacun ein eigentlich netter Einschnitt an, nur fotografisch umsetzen kann man ihn nicht. Das ist jetzt nun schad, aber auch nicht zu ändern.

Also rollen wir wieder zurück auf die Hauptstraße und in Richtung Datong. Mindestens so lange, bis mein Navigator meint, mich nach links in die Botanik jagen zu müssen. Gut, es hat ein Betonband was da durch die Landschaft läuft. Aber wie schon an anderen Stellen ist es gerade mal so breit wie das Auto. Da wünscht du dir keinen Gegenverkehr. Und die Ortsdurchfahrten sind auch herzallerliebst. Ein Wackler am Lenkrad und man ist bei Tante Cheng in der Küche zum Kaffee.

Macht aber auch irgendwie Spaß. Erst recht, als sich das Betonband in einen gepflegten und dann eher ungepflegten, weil ausgeschwemmten und umgepflügten, Sandweg verwandelt. 30 km/h, mehr geht nicht. Und trotzdem fühlst du dich wie eine Cocktailkirsche in einem Shaker. „Man bringe mir den Übelkübel, sonst wird mir ohne Kübel übel!“

Nein, im Ernst, Gelände fahren macht mir ja Spaß. Also, eigentlich ja mehr so fliegen über eine Schotterpiste. Aber das einzige was hier wohl fliegen würde, würde ich auch nur 10 km/h schneller fahren, wären die Einzelteile von unserem SUV. Und vielleicht die Wasserflasche meines Beifahrers an meinen Kopf.

Mittlerweile haben wir längst die Bahn wieder erreicht, ein Zug ist auch schon über uns hinweg gezogen, während wir über die Buckelpiste schaukeln, ein Flussbett queren und eine Sandgrube passieren, deren LKW wohl der Grund für die ausgefahrenen Spuren sind. Bald darauf wird’s auch schlagartig besser und wir erreichen in jetzt durchaus flotter Fahrt eine Brücke, die sich hier durch Talgrund zieht.

Autos darunter geparkt und Hühner gesattelt. Rüber solls gehen, auf die andere Seite eines kleinen Wasserlaufs und hoch auf eine Anhöhe. Von dort oben sollte man einen guten Blick haben. Pascal mag sich aufgrund des Wetters nun gar nicht so recht motivieren und bleibt lieber im Wagen. Internet auswringen und vor sich hindösen. Na gut, jedem Tierchen sein Pläsierchen. Und so wirklich Bock zum fotografieren hab ich jetzt eigentlich auch nicht. Aber wenn man schon mal da ist. Zudem, dort oben auf der Anhöhe gemütlich herumlümmeln, mit den Anderen quasseln und dabei den Blick über Chinas Lande schweifen zu lassen ist nun auch nicht das verkehrteste.

Kaum haben wir ein Maisfeld umrundet und den ersten Arm des seichten Wasserlaufes durchschritten, rollt auch schon ein Zug heran. Und klar geht die Kamera nach oben! Egal wie unspektakulär das dargebotene auch ist.





HXD3C 0735 ist nahe Xinanzhuang mit einem Schnellzug unterwegs in Richtung Datong.






Weiter geht’s über die Sandbank und durch, durch die restlichen Ausläufer des kleinen Flusses, dann noch den steilen Hang hoch auf das kleine Plateau, und schon können wir uns, die Rucksäcke von uns werfend, ins Gras fallen lassen und das Leben genießen. Gemütlich hier, auch oder gerade weil sich die CNR plötzlich betteln lässt und eine halbe Stunde erstmal nichts schickt. Und als es dann innerhalb der folgenden gut 30 Minuten immerhin gleich dreimal rollt, hätte man sich aus Fotografen Sicht doch etwas spannenderes gewünscht.






HXD21344 mit einem langen Kohlezug, bestehend aus „Kippwagen“. Die Fuhre wird ab Hudong dann Teil eines dieser 20.000t Züge, die via Daqin-Linie zu den Häfen in und um Qinhuangdao fahren.






Und nachdem ein weiterer Kohlezug mit einer HXD2.1 an der Spitze, diesmal bestehend aus E-Wagen, durchgerollt ist, gibt sich HXD3C 0599 mit einem weiteren Schnellzug in Richtung Datong die Ehre.






Hm, irgendwie überschaubar der Zugverkehr hier. Und komischerweise ist in der ganzen Zeit die wir hier sind, kein einziger nach Norden gefahren.

Halb eins durch ist es jetzt mittlerweile und wir sind, für einen Tag an dem nichts so wirklich etwas passiert ist, doch recht faul und müde. So könnten wir hier auch noch durchaus etwas liegen bleiben, dösen und gelegentlich mal ein Bild machen, doch so schön es auch ist, eines fehlt ganz gewaltig! Das Essen!

Unsere eh schon bescheidenen Vorräte, die wir hier auf die Anhöhe mitgenommen haben, sind längst aufgebraucht. Nachschub tut not, wie uns unsere vernehmlich knurrenden Mägen deutlich Kund getan haben. Also hat Gubi schon mal geschaut, wo die nächste größere Siedlung ist, an der man Proviant aufnehmen könnte. Und dabei ist er auf etwas Interessantes gestoßen. Nahe Fengzhen, so heißt die Stadt in der Milch und Honig fließen sollen, gibt es ein großes Wirrwar aus Gleisen. Jede Menge Stränge und Kreuzungen. Und danach laufen zwei Linien in Richtung Datong. Wieder eine Streckenteilung, wie wir sie auf unseren Touren im letzten und in diesem Jahr schon öfter gesehen haben? So das Prinzip: Man baut keine einspurige Strecke um auf Doppelspur, sondern man legt einfach für das zweite Gleis eine neue, wenn möglich gleich begradigte Route an. Schaut man auf die Karte und auf die beiden Trassenverläufe würde so einiges dafürsprechen.

Genug zum Diskutieren, während wir als wilde Rotte über den Steilhang hinab steigen zum Fluss. Und irgendwie spricht aktuell plötzlich niemand mehr vom Strecke machen am heutigen Tag. Der Forschergeist in uns ist geweckt.

Bleibt nur die Frage, an welche der beiden Strecken, soll, will man sich stellen. Lichttechnisch brauchen wir Züge in Richtung Süden. Und da hier Linksverkehr herrscht, wäre es folglich die östliche der beiden Trassen, die wir anpeilen sollten. Aber wie sicher kann man sein in einem Land, in dem die linke Trasse auch gerne mal die rechte sein kann, weil man bei der begradigten Linienführung die alte gewundene Strecke einfach gekreuzt hat. Hier scheint es aber deutlich, und so machen wir uns über einen nun besseren Schotterweg als auf der Herfahrt, geschwind und Staubfahnen hinter uns herziehend, auf nach Fengzhen Ost. Nicht aber ohne vorher unseren beiden Autos in Xinsheng auf der örtlichen Kfz-Meile ein Schlückchen Treibstoff gegönnt zu haben.






Die Gummikonkurrenz schläft auch in China nicht…







…..auch wenn der ein oder andere ihrer Vertreter seine besten Zeiten schon hinter sich zu haben scheint und durch fachkundige Hände in ausgesuchten Spezialwerkstätten geflickt werden muss.






Am Stadtzentrum von Fengzhen mogeln wir uns vorbei, queren auf einer schmalen Brücke den Yuhe, und landen nach Umrundung eines schier bodenlosen Schlaglochs mitten zwischen geduckten, staubigen und meist unverputzten Ziegelhäusern vor dem lokalen Discounter, nur um Sekunden später, schnatternd und uns streckend in das kleine Lädchen einzufallen. Naja, so klein ist es eigentlich gar nicht. Also wenigstens in Relation zu den chinesischen Kramerläden die wir so kennen. Trotzdem ist die Auswahl, zumindest was die Ingredienzen für eine schmackhafte Brotzeit angeht, äußerst überschaubar. Kekse, süße Abpackbrötchen, Chips, Getränke, das alles wandert in unsere Arme. Den Sack Reis lassen wir dagegen unbeachtet. Ebenso das dargeboten Fleisch. Man weiß ja nie, ob es einem beim Hinausgehen nicht freudig voraus zu den Autos läuft. Immerhin sind wir so mutig und plündern die Eis Truhe. Und das alleine grenzt schon fast an Todessehnsucht.

Fröhlich schwatzend geht’s aus dem Laden und bähm, beinahe fällt mir der ganze Berg Trinken und Knabberzeug aus meinen Armen und auf den Boden. Gleich gegenüber, keine 100 m entfernt ziehen hinter den kleinen, geduckten Häusern zwei ….. ja was sind es eigentlich? …. SS4-irgendwas oder wie? …. an uns vorbei!

Augenblicklich herrscht Leben, grassiert die Hektik. Türen fliegen auf, Esswaren und Getränke verschwinden in hohem Bogen in den Autos, Motoren heulen auf, Reifen mahlen, Sand staubt und los geht die wilde Jagd. Hinterher, hinterher, immer hinterher! Hinter den letzten Wagen des Kohlezuges, der uns eben passiert hat und der ein ordentliches Tempo vorlegt.

Längst hängt Nil über dem Handy, versucht eine Stelle auszumachen, an der wir uns, sollte es uns gelingen die lange Schlange zu überholen, stellen können. Ich konzentriere mich derweil nur auf’s fahren. Und kaum sind die letzten Häuser passiert, prügle ich unsere Kiste auch schon über den löchrigen Asphalt. Tempo, Tempo! Einzig und alleine, es hilft nichts. Wir kommen nur unmerklich näher. Und dann taucht auch schon die nächste Siedlung auf. Also herunter mit der Geschwindigkeit Kein noch so schönes Bild auf der Welt ist es wert, dass dafür jemand zu Schaden kommt.

Oben, hinter dem Ort unsere letzte Chance. Ein Bahnhof! Wenn er nun hier hält. Schließlich ist die Strecke eingleisig. Und kurz glauben wir auch, dass die Schlange langsamer wird. Aber nein, er zieht durch. Kein Bild! Den kurz darauf biegt die Straße ab, geht unter der Bahn durch und wir haben jetzt jede Menge Zeit uns auf dem Sandhügel neben dem Gleis häuslich einzurichten und zu schauen, was zum Teufel wir da gerade denn überhaupt gejagt haben!

Ein Hoch auf das Internet ein Hoch auf die chinesischen SIM-Karten und ein Hoch auf das vorhandene Datenvolumen! Also mal schauen, was spricht die Liste der chinesischen Lokomotiven, die es im Netz zu sehen gibt.

Das was da vorbeigezogen ist, sah aus wie eine SS4G. Also genauer wie zwei. Logisch! Aber um das geht es jetzt nicht. Also, wo waren wir? Wie eine SS4G! Zumindest was die Kastenform anging. Die Lackierung war aber eine gänzlich andere. Nicht wäscheblau-beige, nein eher blau-rot-silber, irgendwie. Es ging ja alles so schnell. Auf was sind wir da bloß gestoßen?!?

Etwas hin und her, Bilder mit Erinnerungen verglichen, mit den anderen gesprochen, dann ist es klar. Wir haben gerade wirklich zwei SS4 gesehen. Nur eben keine G, sondern B. Diese nahezu zeitgleich zur Staatbahnvariante bei Zhuzhou mit einer Stückzahl von nur 130 Exemplaren gebaute Reihe ist eine spezielle Entwicklung für Werksbahnen. Dabei unterscheiden sich die beiden Typen äußerlich, wenn überhaupt, wohl nur geringfügig voneinander. Der markanteste Unterschied ist die Lackierung.

Soweit so gut! Hab ich doch gegen einen weiteren Vertreter der Shaoshan-Lokfamilie nichts einzuwenden. Nicht verwunderlich also, dass ich augenblicklich einen verstärkten Drang zum hierbleiben entwickle. Möchte ich doch nun, nachdem ich von der Existenz dieser Reihe weiß, und nachdem mir gerade Vertreter derselbigen quasi unter den Nasenhaaren durchgefahren sind, zumindest ein Bild, ich korrigiere, ein gutes Bild, oder noch besser, viele gute Bilder haben.

Und da die anderem dem auch nicht abgeneigt sind, gehen urplötzlich alle unsere weiteren Reiseplanungen in Schall und Rauch auf. Denn schaut man auf die Uhr und gen Himmel ist eins klar: Egal was heute noch so passiert, wir werden wohl den morgigen Tag auch in dieser Ecke verbringen und versuchen, unsere Archive mit den neuen Lieblingen zu füllen.

Erstmal heißt es aber den richtigen Standort auf unserem Hügel finden und dann warten. Lange dauert es nicht und es summt! Nur leider von der falschen Seite, von hinten. Ein Verzweiflungsnachschuss und ein kleiner Fluch, dann schauen wir uns die Augen wieder aus in Richtung des Bahnhofs, den wir bei der Herfahrt passiert haben und durch den der nächste Zug in unsere Richtung bitte kommen sollte.

Oh, wie Minuten doch zu Stunden werden können, wenn man auf etwas wartet. Und schon als ich glaube die Uhr auf meinem Handy wäre stehen geblieben, lässt sich endlich am anderen Bahnhofsende, ganz weit hinten, eine Bewegung erkennen. Leider ist es zwischenzeitlich so richtig dunkel geworden, und zudem ist das, was jetzt auf uns zu rollt, nicht wirklich das, auf was ich gewartet habe.





Nur 8 Exemplare der HXD1.7 wurden zwischen 2006 und 2012 gebaut. Hier zieht HXD17152 der Shenhua Railway einen langen Kohlezug in Richtung Datong.






Musste es jetzt unbedingt ein moderner Drehstromer sein? Na gut, zur Ehrenrettung der durchaus ansehnlichen Lok muss man sagen, dass es sich auch bei ihr um eine Vertreterin einer Baureihe handelt, die uns bisher noch nicht über den Weg gefahren ist. Zudem ist sie so nett und bringt uns durch ihre Seitenbeschriftung auf die richtige Spur zur Klärung der Frage, was haben wir hier eigentlich vor uns. Und so lösen sich später dann auch gleich zwei Geheimnisse.

Zum einen, bei dem was gerade an uns vorübergezogen ist, handelt es sich um eine der acht zwischen 2006 und 2012 bei Zhuzhou gebauten, 2x 4.800 kW starken, Loks der Reihe HXD1.7.

Zum anderen, sie läuft, wie unschwer zu lesen war auf den Seitenflächen, für die Shenhua Group oder genauer, für deren Bahngesellschaft. Bei Shenhua selbst handelt es sich um das größte Kohleproduktionsunternehmen, das neben Minen auch Infrastruktur besitzt und zumindest an diversen Kraftwerken, Häfen und Eisenbahnstrecken mit beteiligt ist. So gehören die Gleise vor uns auch nicht, wie zuerst angenommen, zum Staatsbahnnetz, sondern es handelt sich um eine Shenhua eigene Linie, die die mehr als 100 km entfernten Minen mit der Stadt Datong verbindet. Sowas nenn ich mal eine Werksbahn!

Und während die einen noch fleißig am Sammeln von Hintergrundinformationen sind, andere sich den weiteren Streckenverlauf anschauen und mögliche Übernachtungsmöglichkeiten im nahen Datong, kommt vor uns wieder Bewegung in die Sache und kurz danach ist das erste vernünftige SS4B Bild im Kasten.





Zusammen mit ihrer Schwester SS4B 0168 bringt die führende 0166 einen beladenen Kohlezug nach Datong.






Mittlerweile ist die Hotelsuche abgeschlossen. Ein Handybild wir herum gezeigt: „Was meint Ihr? O.k., oder?“. „Jepp, sieht gut aus!“, also buchen. Die Lage ist auch nicht schlecht. Nicht weit weg vom vermeintlichen Zentrum und gleich schräg gegenüber vom Bahnhof. Hui, sollte es da wohl mit etwas Glück Bahnhofsblick geben?

Auch die Streckenspäher waren nicht untätig. Auf Grund der Uhrzeit, es ist mittlerweile halb vier durch, haben sie sich dabei auf den Abschnitt zwischen hier und Datong beschränkt. Und da springt ihnen besonders eine Stelle ins Auge, wo Staatsbahnstrecke und Kohlebahn nur von dem Yuhe-Fluss getrennt werden. Noch schnell das Satellitenbild gecheckt. Ja, sollte was gehen. Also wenn man den richtigen Zugang zu dem Feldweg findet, der da so ungefähr dem Hügel hinführt, der evtl. als Fotostandort dienen könnte und zu dem man dann anschließend noch etwas laufen müsste.

Wenn’s klappt bestimmt spannend. Und da jetzt auch noch die Sonne raus kommt, geht es auch gleich los. Fenster auf, den Fahrtwind spüren, im Radio chinesischer Pop und irgendwie alle Zeit der Welt habend. Ich kann mir ein Grinsen nicht ganz verkneifen. Das Leben ist schön.

Halb durch Fengzhen, dann über die Hauptstraße, so geht es in Richtung Süden. Unterwegs kreuzen wir dabei auch die Doppelspur Linie der Staatsbahn. Links gekuckt, rechts gekuckt, nur ein kleiner leerer Bahnhof lässt sich erspähen. Dann wird es knifflig. Nicht nur dass man die Abzweigung der holprigen Sandpiste erstmal finden muss, auf der wir jetzt unterwegs sind, nein, der Regen der letzten Nacht hat auch hier sein Werk getan. Phasenweise mit Schlammlöchern übersäht präsentiert sich der Fahrweg teils elendiglich glitschig. Was es schon bei normalem Gefälle nicht einfach macht, aber als er kurz danach hinter einer Kuppe steil hinunter in eine Senke abkippt, stellt sich schon die Frage, ob man auf dem Rückweg da je wieder hochkommt. Also sicherheitshalber auf halber Strecke ein trockenes, möglichst ebenes Stückchen Wiese gesucht und lieber etwas weiter gelaufen. So kommt man auch ans Ziel und vor allem, gut wieder nach Hause.

Und so sitzen wir wenig später, mehr oder weniger stark schnaufend, auf der Kuppe eines wie hin bestellten Fotohügels, mit bestem Blick auf die beiden Strecken unter uns. Zwei kleine Schönheitsfehler hat die Sache allerdings. Der eine ist, dass unter uns ein Staudamm ist. Und dort springen immer mal wieder irgendwelche Männchen herum. Und da wir jetzt nicht wissen, wie entspannt die es sehen, wenn da fünf Typen mit Fotoapparaten immerzu auf ihr Gelände und ihre Einrichtung halten, ziehen wir uns lieber einige Schritte in eine kleine Senke zurück. Die Erfahrung von Gestern lässt grüßen.

Der zweite Fehler lässt sich nicht so leicht durch uns aktiv beheben. Nämlich der, dass wir hier oben nun zwar eine top Fotostelle vor uns haben, aber da unten nichts fährt! Und so sitzen wir, während sich die Sonne oben am Himmel durch den Schlonz kämpft, tatenlos da, Kameras griffbereit und Blick hinunter auf die Strecken, während die ersten Fliegeviecher uns als willkommene Abwechslung auf ihrem Speiseplan entdecken.

Es ist fast halb fünf als es wieder rollt, drüben auf der Kohlebahn, und zwei SS4B mit einer Schlange Wagen gefahren kommen. Zwei SS4B die leider wieder unerkannt bleiben, da ich, was ich im Nachhinein nicht verstehen kann, mal wieder nicht die Zweitkamera mit dem großen Tele für den Nummernschuss bereitgelegt habe. Mist! Faulheit? Oder das Vertrauen darauf das die Vollformatkamera genug Auflösung hat um in jedes Bild gestochen scharf rein zoomen zu können? Beides würde ich sagen! Nur die Erkenntnis hilft mir im Nachhinein auch nicht weiter.





Zwei SS4B in Diensten von Shenhua rollen mit einer langen Schlange aus beladenen „Kippwagen“ entlang des Yuhe-Flusses nach Datong.






Hey, cool! Und sogar mit Sonne! Da kannste nich meckern, wa? Nö, nicht wirklich. Aber kaum ist der Zug durch, schmiert es über uns auch schon wieder zu. Und wenn wir ehrlich sind, zum Warten ob sich was ändert haben wir heute irgendwie alle keine Lust mehr. Also Hügel merken und Aufbruch. Heute machen wir mal eher Dienstschluss. Dafür können wir dann morgen eher raus und sind auch noch abends fit, wenn wir nach einem hoffentlich erfolgreichen Fototag noch unseren „langen Marsch“ nach Osten machen.

Oh Gott, was haben wir nur für naive Vorstellungen! Wenn wir wüssten, wie dass alles letztendlich wirklich wird….

Erstmal geht es aber zurück zu den Autos. Ein flaues Gefühl habe ich schon. Ob wir denn wohl jetzt die Matschpiste hochkommen? Geht am Ende doch ganz gut, wenn auch teilweise schlingernd und am Rand des Stillstandes. Aber im richtigen Moment einige herausstehende Steine als Kletterhilfe genommen, schaffen wir’s dann beide wieder zurück auf die Straße.

An einer großen Kreuzung am Rand der Millionenstadt, mit üppig bepflanzten Grünflächen, geht plötzlich nichts mehr. Stau! Und während sich beiderseits die landestypischen Drängeleien abspielen, wird vor uns der Grund für den totalen Stopp sichtbar. Von links nach rechts schiebt sich ein Militärfahrzeug nach dem anderen in unser Blickfeld…und noch eins…und noch eins…und jetzt….Ende….nein, da kommt schon das nächste….und danach wieder eins…..! Es scheint, als wäre die komplette Volksbefreiungsarmee auf Reisen und bestrebt, sich uns zu präsentieren. So stehen wir gute 20 Minuten wie angenagelt und auch um uns herum hat es sich beruhigt, stehen doch die Fahrzeuge, wie in China üblich, im Bestreben unbedingt der Erste zu sein, nun teilweise so verkeilt, dass es ewig braucht, bis der Verkehr wieder zu fließen beginnt.

Über uns hat es sich mittlerweile eingetrübt. Und irgendwie herrscht eine Lichtstimmung, die nichts Gutes vermuten lässt. Das sich die, eben noch so ansehnliche Straße mittlerweile in eine Staubpiste verwandelt hat, mit trister Bebauung links und rechts, rundet diesen Eindruck noch vollends ab. Irgendetwas scheint in der Luft zu liegen. Grau, bedrohlich, einschüchternd.





Staubig und trist ist die Einfahrt in die Millionenstadt Datong an diesem Spätnachmittag.






Und irgendwie setzt sich das bei unserem Hotel fort. Nein, es ist keine üble Absteige, bei weitem nicht. Aber der reale Anblick, der sich uns nun bietet, weicht so weit von dem Foto im Netz ab, dass wir erstmal sportlich vorbeifahren. Parken muss man letztendlich auf dem Gehsteig. Wobei das ein Vorteil sein wird, wie wir später noch erfahren werden. Innen im Hotel bestätigt sich der erste Eindruck. Die gute Unterkunft hat einiges von ihrem früher wohl vorhandenem Glanz verloren. Nochmal, es ist sauber, es ist voll o.k., nur macht alles einen echt abgewohnten Eindruck. Mit dem Bahnblick wird’s auch nichts, wir schauen auf den Hinterhof und Wohntürme. Aber egal, wir sind ja nicht der Aussicht wegen hier.

Erstmal wird Kriegsrat gehalten. Mal wieder! Das wir morgenl noch an die Strecke fahren, war ja irgendwie klar. Nur die Frage wie lange und wohin. Da es jetzt für unsere Verhältnisse noch früh am Tage ist, kann man das ja mal in Ruhe diskutieren. Eigentlich herrscht prinzipiell Einigkeit, nur die nachmittägliche Abmarschzeit bietet noch Grund für Kontroversen. Schließlich beschließen wir das morgen spontan zu entscheiden und uns jetzt erstmal aufzumachen in Richtung Essen. Fussläufig sollte es da was geben.

Also Schmutz, Schweiß und Staub aus den Poren geschruppt, in urbane Bekleidung der Sorte „leicht“ geworfen und raus aus dem Hotel. Hm, ganz schön duster für die Uhrzeit. Und Luft scheint zu stehen. Aber tut sie das nicht immer. Egal, wir schlendern nun mal los.

Weit kommen wir nicht, nur einige hundert Meter, vorbei an fahrbaren Ständen, die so allerlei leckeres anbieten, denen wir aber in Sachen Hygiene und Verträglichkeit mit verwöhnten europäischen Verdauungssystemen nicht trauen. Sicher ist sicher. Dann lockt von rechts plötzlich „Onkel Hong“. Die Nudelbudenkette, die wir schon des Öfteren frequentiert haben.

Wir Vier sind dafür, Nudeln in lecker Brühe gehen schließlich immer, Pascal aber mag sich nun gar nicht damit anfreunden. Und so verlässt er uns kurz darauf und strebt solo zu einem „nahen“ Fastfood Tempel, zu dem ihn das Internet lockt. Auch gut, Nudeln schmecken auch zu Viert.

Sonderlich motiviert ist das Personal bei unserem Eintreten nicht. Gut, jetzt nicht wirklich etwas Neues in der chinesischen Gastronomie, wo das Leben sooo schön sein könnte, würden nur nicht immer diese lästigen Gäste stören. Aber die Truppe hier, die scheint durch unser Auftauchen wirklich genervt. Hatten sich wohl bestimmt schon auf einen ruhigen Abend gefreut, denn der Schuppen ist fast leer. Und jetzt tauchen diese vier komischen Typen auf und wollen doch allen Ernstes auch noch bedient werden.

Immerhin, wir bekommen Trinken und Essen, was uns sehr freut. Und kaum stehen vor uns die dampfenden Schüsseln, werden die Gespräche gedämpfter und ein allgemeines Schlürfen und Schmatzen erfüllt den Raum, nur gestört von dem immer stärker werdenden Rütteln an den Fensterläden!

Und so bleibt es nicht aus, dass der Erste mal den Kopf wendet und durch die Scheiben blickt. Boah! Was geht denn da ab?

Ich habe in meinen etwas mehr als 50 Lebensjahren ja schon einiges an Unwettern erlebt. Aber was sich da gerade vor den Fenstern abspielt, ist unvergleichlich. Es regnet nicht, es schüttet nicht, es ist auch kein Platzregen! Nein, es ist, als wären wir gefangen in einer überdimensionalen Waschstraße, in der das Spülprogramm und das Trockengebläse gleichzeitig laufen. Schier unglaubliche Wassermassen ergießen sich vom Himmel. Nein! Nein, sie werden vom orkanartigen Wind waagerecht durch die Luft gepeitscht! Lampen wackeln wie Blätter im Wind, die Stämme der Bäume biegen sich in Richtung C, Blitze zucken im Sekundentakt, erhellen die Szenerie unter uns, wo die eben noch so friedlich bruzzelnden Straßenverkäufer zwischen kippenden Wagen und umherpurzelnden Gegenständen verzweifelt versuchen zu retten, was längst nicht mehr zu retten ist. Und spätestens als einer ihrer Sonnenschirme auf unserer Höhe, am ersten Stock des Restaurants vorbei geflogen kommt, ist dem letzten klar, dass das kein kleiner Sommerschauer ist.

Kurz lässt der Sturm leicht nach und aus irgendeinem Grund treibt es uns raus. Ob es daran liegt, dass wir fürchten hier länger fest zu sitzen sollte der Sturm noch länger dauern, oder weil es langsam kalt wird bei den deutlich gesunkenen Temperaturen in unseren dünnen Klamotten oder weil wir in der irrwitzigen Annahme, dass es zum Hotel ja nicht weit ist und wir es bestimmt schaffen ohne übermäßig nass zu werden wenn wir nur schnell genug laufen, den Versuch starten wollen, in selbiges zurück zu rennen? Egal, wir stehen draußen vor der Tür, mit dem Rücken an eine Häuserfront gepresst. Kein Dach schützt uns, doch immerhin treibt der wieder böig auffrischende Wind die Wasserschwaden über uns weg. Gubi und Gunar lösen sich als erstes, laufen los, während Nil und ich noch zögern. Dann, als wir fast soweit sind uns auch in den Regen zu stürzen, stehen die Zwei unvermittelt wieder vor uns. Klitsch nass und außer Atem!

Wie frisch aus der Wanne sehen sie aus, nur mit Klamotten! Nein, es wäre kein Durchkommen. Auch wenn sich unser Hotelturm da hinten ab und an schon erahnen lässt. Ca. 150 bis maximal 200 m dürften es sein. Also keine Minute Laufweg. Eigentlich!

Lange stehen wir so da bis die Erkenntnis reift, dass wir auch so nicht trockener werden. Dann nochmal kurz gepeilt, und raus geht es aus der Deckung.

Es ist apokalyptisch! Das Hotel ist links von mir und ich laufe mit vollem Tempo nach rechts. Also, nicht weil ich will, nein, es ist fast unmöglich sich gegen den Wind zu stemmen. Es ist eine Mischung aus Hochdruckwasserstrahl und Windkanal. Sehen kann man nichts, so peitscht einem das Wasser in die Augen das es schmerzt. Und trotz aller Mühen bleibt man wahrhaftig einfach stehen, wenn der Wind wieder mit voller Kraft zuschlägt.

Und so werden aus der einen Minute für den Weg, viele Minuten, in denen man sich halbblind und mit aller Kraft durch Wasser bis hoch zur Wade kämpft. So viel steht nämlich mittlerweile auf Straßen und Bahnhofsvorplatz.

Es ist eigentlich übel so durch die Brühe zu laufen und dabei nicht sehen zu können wohin man tritt. Aber ein zurück gibt es nicht mehr, jetzt müssen wir durch bis zum Hotel. Noch kurz über die Straße vor dem Eingang, flatsch, weg ist der Fuß bis hoch zum Knie, dann haben wir das Dach des Eingangsbereichs erreicht. Surreal der Anblick als wir uns umdrehen, um wie die vielen anderen die hier stehen, hinaus ins Chaos zu blicken. Autos, bis an die Radkästen im Wasser, Busse, Bugwellen vor sich her schiebend, rennende Menschen, und, man glaubt es kaum, Elektroroller alles in heillosem Durcheinander wie es scheint.

Das müssen wir uns noch genauer geben. Aber erstmal ab nach oben und rein in trockene Klamotten.

Spontaner Beifall brandet unvermittelt auf als wir, durch die große Drehtür kommend, das Foyer betreten. Bestimmt 50 – 60 dort ausharrende Chinesen schauen uns belustigt an, wie wir am ganzen Leib tropfend plötzlich in ihrer Mitte stehen. In ihren Blicken spiegelt sich eine Mischung aus freundlicher Schadenfreude und echter Anerkennung. Daumen hoch und zurücklachend nehmen wir die Ovationen routiniert entgegen, um dann gen Aufzug zu verschwinden.

Oben dann der Kampf aus den nassen Kleidern zu kommen. Gar nicht so einfach, denn alles klebt an uns dran. Nass bis auf die Knochen! So treffend wie heute war dieser Ausspruch noch nie zuvor.

Als wir trocken gelegt wieder runterkommen und unterm Vordach hinaus auf die Eingangstreppe treten, hat sich der Sturm verzogen. Nur das Feuerwerk der Blitze, der knallende Donner und das nun schnell ablaufende Wasser zeugen noch von dem Inferno, welches bis eben hier getobt hat.

Und so gibt das folgende kleine Video auch nur mehr einen unzureichenden, aber vielleicht trotzdem interessanten Eindruck, von dem, was sich hier abgespielt hat.






Zwar ist schon einiges an Wasser abgelaufen, trotzdem branden noch kleine Wellen an die Gestade unseres Hoteleingangs.




Noch etwas schauen wir dem Treiben zu, dann geht es, vorbei an dem armen Mitarbeiter, der immer wieder neue Pfützen aufwischen muss, die im Foyer durch die nun hereinströmenden Zuschauer hinterlassen werden, hoch ins Zimmer. Noch ein kurzes Briefing am Flur, dann liegt ich auch schon in den Federn, fest eingemummelt in meine Decke. Die Nässe von vorhin und die zentral gesteuert laufende Klimaanlage lassen gerade so gar kein Wohlfühl-feeling aufkommen. Da hilft nur eins: Augen zu und durch? Nein, aber so ähnlich! Augen zu und schlafen!

Gute Nacht!