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Schaut mal die Zwei! Sind das nicht He Fu Bao und Bei Ho Thsai? - Teil 8

Von

Chifeng – Chifeng


Heute ist es mal nicht das Stakkato fortwährender Explosionen, dass mich aus meinem plüschig weichen Traumland in die Harte Wirklichkeit zerrt, es ist das Gema freie, sphärische Gedudel meines Handys. Wer um Himmels willen, denkt sich nur diese ganzen quälenden Tonfolgen aus, die man so auf seinem tragbaren Telefon findet? Gut, es ist noch das am wenigsten nervende von allen und hörte sich im wachen Zustand auch noch am gehörfreundlichsten an. Aber jetzt? Jetzt könnte ich mein kleines Telefon quer durchs Zimmer werfen, einzig, es kann ja nichts dafür.

Also Augen auf, „hallo Welt, ich komme!“, ……. und Augen schnell wieder zu! Draußen, vorm großen Panoramafenster steht nämlich ein guter, alter Bekannter von uns. Das Tief im Westen!

„Tief im Westen“? Gab’s da nicht sogar mal ein Lied darüber? Ach ne, das hatte eher was mit einer Stadt im Ruhrgebiet und weniger mit der aktuellen Wetterlage in der Inneren Mongolei zu tun. Unser Tief kommt aus der russischen Taiga und der westlichen Mongolei herüber gezogen und liegt schon die ganzen Tage unverändert mit seinem Rand in der Gegend um Hohhot. Eigentlich weit genug von uns weg und maximal für die weitere Reisplanung interessant, würde es nicht immer wieder mal dicke Wolkenfelder zu uns schicken, quasi als Gruß und Voraussage, was uns noch blühen würde, sollten wir uns in seinen Hoheitsbereich begeben. Und genau das haben wir eigentlich gemäß unserer Grobplanung vor. Während ich mir in der Dusche wohlig warmes Wasser über meinen Astralleib rieseln lasse, erkennt ihr den Fehler im gerade geschriebenen Text *grins* , lasse ich meine Gedanken schweifen. Was wäre wenn wir anstatt nach Westen einen Schwung nach Osten machen in eher unbekanntes Land? Danach ein Bogen über den Süden zurück nach Beijing? Könnte eine Option sein und würde wettertechnisch eindeutig besser kommen. Doch in unserer Truppe ist der ein oder andere bei dem die Hauptstrecke von Beijing nach Westen gaaaaaanz dick und gaaaaaanz oben auf dem Zettel steht. Daher wird meine Idee wohl nicht mehrheitsfähig sein. Zudem, ich geb’s ja zu, reizt auch mich der Gedanke, mit recht viel Glück noch eine 8K zu erwischen. Gut, die Wahrscheinlichkeit dass das klappt schätze ich jetzt äußerst gering ein, aber wenn man es jetzt nicht versucht, besser wird es bestimmt nicht mehr. Und außerdem, vielleicht liegen ja die trüben Aussichten gerade eben auch nur an den trüben Scheiben unseres Panoramafensters.

Liegen Sie natürlich nicht! Spätestens als der Programmpunkt „Sammeln bei den Fahrzeugen“ ansteht und wir unsere Ausrüstung und uns selber in selbige wuchten. Denn es ist auch ohne Blick durch die angelaufenen, verdreckten Fenster unserer Behausung nicht besser. Grau-grüne Loks, in grau-grüner Landschaft, unter grau-braunem Himmel fotografieren! Welch ein Spaß!

Gut, alles hat auch seine guten Seiten. Zumindest müssen wir uns heute bei der Auswahl der Standorte keine Gedanken um den Sonnenstand machen *lach* . Ne mal im Ernst! Bei einer Strecke die am Hang läuft ein nicht unbedingt zu unterschätzender Umstand. Zudem sollte man es vermeiden, zu viel überstrahlten Himmel im Hintergrund zu haben. Und was folgt daraus? Möglichst immer rauf und dann von oben runter halten. Eine Vorgehensweise die dem Schweizer Anteil der Truppe ja im Blut liegt. Ein Tag ohne irgendwo rauf ist kein guter Tag.

Mittlerweile haben wir Chifeng auf leeren Straßen durchquert, für chinesische Verhältnisse könnte man schon fast sagen, sie lagen wie ausgestorben da, und rollen auf der bekannten Landstraße unserem ersten Ziel entgegen. Nach den durchaus mauen Ergebnissen der Erkundungsfahrt von gestern, haben sich die Luftraumspäher am Abend über ihre Geräte gehängt, im Versuch mögliche Fotostellen zu finden. So hat auch jetzt mein sprechendes Navigationsgeräte Marke Nil wieder die Leitung übernommen und unser Auto die Rolle als Führungsfahrzeug. Gut, viel braucht er am Anfang nicht zu sagen, es geht immer nur stur geradeaus. Und meine wiederholt geäußerte, aufgrund der frühen Uhrzeit doch recht quengelig hervorgebrachte Frage „Sind wir schon da’aaa?“, quittiert er immer wieder aufs Neue mit einem souveränen, gleichmütigen und stoischen „GLEICH!“.

Ja, auch so kann man Morgenzeit im Auto verbringen! Und bis wir uns versehen, also gefühlte drei Stunden später *gähn* , biegen wir auch schon von der Hauptstraße ab, in ein pittoreskes kleines Örtchen namens Laofu, das neben seinen kleinen Häuschen auch eine Bahnstation und vor allem eine Brücke sein Eigen nennt. Und letztere ist das Ziel unseres morgendlichen Strebens.

Der erste Versuch bequem dorthin zu kommen scheitert an der Umzäunung des kleinen Bahnhofs, denn auch diese abgelegene Station niederer Bedeutung, an der am Tag nicht mal eine Handvoll Züge pro Richtung hält, ist hermetisch abgeschlossen, wie viele Stationen in China. Also zurück und durch den Ort. Dazu zapft mein Navigator das Internet an und leitet mittels Luftbild. So kommen wir gut durch das Gewirr der Gässchen und betonierten Fahrwege, bei denen man inständig hofft es möge einem keiner entgegenkommen, da dann ein endloses Palaver droht, bevor einer hunderte von Meter rückwärtsfahren muss. Und das auf Pisten die gerade mal einige Handbreit breiter sind als das Fahrzeug und deren Oberkante gut 20 cm über dem umliegenden Gelände liegt. Abrutschen daher unangenehm und dringendst zu vermeiden.

Doch es ist ruhig in Laofu an diesem Morgen, niemand zu sehen und nur das Bellen der Hunde zerreißt die Stille. Hinter der Brücke gibt es abseits des Sandwegs den wir mittlerweile befahren auch genug Platz zum Parken. Nun muss aber auch alles schnell gehen, denn der erste Zug des Tages drückt schon! Es ist der Bummler, den Nil gestern zur Flucht vor König Dampf nutzen wollte. Einzig die Tatsache, dass er dafür in aller Herrgottsfrühe sein Nachtlager hätte verlassen müssen und dass keiner von uns bereit war, selbiges zu tun um ihn zum Bahnhof zu karren, machte den Plan zunichte.





Mit dem Regionalzug 6030 ist DF4D 0259 auf dem Weg von Chifeng in Richtung Chengde.




Kommt gut so eine rot-beige Maschine an einem solch trüben Tag! Obwohl, eine orange DF4B hätte sich vor der Garnitur und dem Hintergrund jetzt auch ganz hübsch gemacht. Bleib auf dem Teppich Hofbauer! Schulter lieber deinen Rucksack und steig den anderen nach. Die sind nämlich, wen wundert‘s, schon wieder weiter auf dem Weg nach oben. Immer bis zur Geländekante, immer! Vorher hören wir nicht auf!

Gut! Zugegeben! Der Blick von ganz oben ist nun auch nicht zu verachten. Weder der hinunter auf die Bahn, noch der in die umliegende Landschaft. Nur den nach oben, den sparen wir uns jetzt lieber…

Und gut liegen kann man hier oben auch. Darum lagern wir uns malerisch und schon nach kurzem verebben die Gespräche. Hört man da nicht sogar jemanden leise vor sich hin schnarchen? Leider hält die Ruhe nicht lange, der nächste Zug steht an. Diesmal ist es ein Schnellzug mit bunter Garnitur der in Richtung Beijing rollt. An der Spitze wieder eine DF4D.





DF4D 0344 hat mit ihrem Schnellzug Laofu erreicht






Blick „hinter die Kulissen“






Na, das war doch ein Tagesauftakt wie er sich sehen lassen kann. Und die Bilder kommen bei der ersten Durchsicht auf dem Kameradisplay sogar besser wie befürchtet. Am heimischen Computer noch etwas dran geschraubt und man kann sie durchaus anschauen. Jetzt heißt es gemütlich zurück lehnen und auf die große Güterzugshow warten. Nun, da die beiden Schnellzüge durch sind, wird es wohl gleich aus der einen oder anderen Richtung brummen. Also jetzt, ne doch nicht, aber jetzt, Mist, wieder nicht, na dann jetzt, nein auch nicht! Langsam gleiten die Zeiger über die Uhr, die Augen zu und wieder ist leises Schnarchen zu hören. Ansonsten Stille! Es rollt nichts auf den Schienen unter uns! Keine HXN3, keine DF4D und schon gar keine der erträumten HXN5. Er kurz vor 12.00 Uhr lässt dumpfes Brummen und schweres rollen unsere Sinne wieder hochfahren. Von links schiebt sich ein grau-grüner unförmiger Kasten ums Eck, am Haken einen langen, schweren Güterzug.





Einen langen Güterzug schleppt HXN 30200 durch den Bahnhof von Laofu nach Chifeng.






Eigentlich ja ganz nett auf unserem Feldherrnhügel und zudem ist es eine Zweirichtungsstelle bei dem Licht. Aber andererseits haben wir nun beide Richtungen auch fotografisch schon durch. Und wenn jetzt wieder so eine lange Pause ist bis zur nächsten Zugfahrt, dann können wir uns auch ganz gemütlich etwas anderes suchen. Also Proviant, Bücher, Laptops, und was sonst noch so aus den Rucksäcken hervorgezaubert wurde, eingepackt, und hinunter zu den Autos. Ein konkretes Ziel haben wir nicht, aber es wird sich schon was ergeben. Augen auf die Strecke und man wird sehen. Und man sieht! Nein, keine Stelle, einen Militärzug! Der schiebt sich nämlich gerade auf DIE Brücke, oberhalb der wir noch von 10 Minuten gesessen sind. Blöd jetzt! Da kommt erst drei Stunden nichts und dann diese Hektik. Nur ein bisschen länger warten!

Oder aber jetzt Gas geben und versuchen vor ihm an eine Stelle zu kommen. Nur, so langsam ist der nicht. Gut, ich könnte auch den Chinesen in mir raus lassen und bedingungslos auf den Stempel drücken, aber irgendwas hält mich davon ab. Und während mein Beifahrer mit den Händen ringend den Blick zwischen Güterzug und meiner nur mäßig bewegten Tachonadel hin und her springen lässt, der Ohnmacht nahe ob meines zurückhaltenden Fahrstils, gibt mir der Anblick der sich uns hinter der nächste Biegung bietet Recht.

Unversehens befinden wir uns nämlich mitten auf dem Schauplatz eines symbolhaften Kampfes. Dem Kampf zwischen dem alten China und dem der Moderne. Beschaulichkeit gegen Turbokapitalismus, fühlendes Lebewesen gegen seelenlose Maschine, Muli gegen LKW. Und so wie das traditionelle China immer mehr in der Moderne versinkt, schier zusammen bricht unter der Last des neuen, kalten Strebens nach immer schneller und immer mehr, so endet auch dieser Vergleich tragisch für das Althergebrachte. Noch stolz im Tod liegt er da, er, der nicht weichen wollte, der, der für die alten Werte stand und für sie gekämpft hat. Abgeprallt am harten, unerbittlichen Stahl. Gefällt von dem Werkzeug eines kalten Gesellschaftssystems, das statt Gemeinschaft und Wärme nur mehr die Macht des Stärkeren kennt! Eine kleine Träne tritt mir in die Augen und leichte Beklommenheit macht sich breit, Gedanken über das Sein und das Vergehen sickern ein in die Windungen meines Gehirns!

Und während Fahrer und Besitzer noch darüber diskutieren, wer nun Schuld am Fall des edlen Tieres hat, eilen weiter hinten schon die Bewohner der nahen Ansiedlung herbei, um, bewaffnet mit allerlei Schüsseln und Trögen, die Messer griffbereit, den armen Muli in den Kreislauf des Lebens, oder sollte man besser sagen der Verdauung, zurück zu führen. Denn in einem Land in dem man fast alles isst, bleibt auch ein Muli auf der Straße nicht lange alleine… Helm ab zum Gebet!

Ach ja, Helm! Gutes Stichwort! Was mach eigentlich unser Militärtransport? Wir haben ihn trotz allem tatsächlich eingeholt, nein, sogar ein Stück vor ihm sind wir mittlerweile. Aber nicht genug. Denn die Strecke läuft über uns am Hang. Und wenn man so auf die Karte schaut, die Chancen mehr Vorsprung zu bekommen um sich ordentlich zu stellen sind mehr als gering. Also voller Stopp und Notschuss. Von unten hoch auf eine Brücke. Ganz ehrlich, hätte man auch bleiben lassen können, denn das Foto taugt nicht mal zu dokumentarischen Zwecken. Aber, wir haben‘s versucht.

Auch wenn uns kein schlaues Foto gelungen ist, ein gutes hat der Zug trotzdem, er blockiert jetzt erstmal die Strecke. Das heißt, wir können uns was Ordentliches suchen und dort für den nächsten aufstellen. Wo wissen wir schon grob. Etwas weiter in Richtung Beijing zeigt die Karte einen Stausee. Den im Hintergrund, das wäre fein. So biegen wir bei Ji Dai Gou Men ab und schlagen uns buchstäblich in die Büsche. Und noch während wir uns auf machen eine gute Position zu finden, wummert es schon wieder aus Richtung Chifeng.





HXN 30145 schleppt einen schweren Güterzug in Richtung Beijing






Wirklich nett hier. Einzig das immer mehr ins „matschige“ abgleitende Licht trübt die Freude in etwa so wie die Landschaft um uns herum. Aber schließlich sind wir ja nicht zum Spaß hier, oder? Also noch ein wenig auf den verschlungenen Betonbändern der Fahrwege gekurvt. Ich kann mir nicht helfen, dass Fahren auf diesen grauen Bändern, die sich in unzähligen Kurven auf und ab durchs Gelände schlängeln, erinnert mich immer an Volksfest und Kindheit. Bin ich doch damals begeistert in den Fahrgeschäften gefahren, in denen spurgeführte Autos auf ebensolchen Bändern, nur aus Holz, durch Miniaturlandschaften rollen. Diesmal etwas höher und näher am Gleis stellen wir uns erneut auf. Kommt bei solchem Licht immer gut. Und lange lässt uns die CNR auch diesmal nicht warten.





Entlang des Erdaohe Zishuiku kommt HXN30027 mit einem Güterzug von Chifeng her.






Holla die Waldfee! Die Zugdichte ist jetzt ja mal nicht von schlechten Eltern! Und immer aus der richtigen Richtung! Was will man eigentlich mehr. Und wenn ich ehrlich bin, auch wenn ich sie noch immer für unförmig halte und für eine Designkatastrophe, irgendwie entwickeln die Kisten doch so langsam einen gewissen Reiz. Und fürs Ohr sind sie auf alle Fälle was, dass lässt sich jetzt nicht wegdiskutieren.

Weiter geht’s entlang der Schienen. Immer grob „in Richtung Beijing“. Doch während sich die Strecke in diesem Abschnitt etwas in die Hügel zurückzieht, hoppeln wir von …. ja wie soll man es nennen? Furt ohne Wasser? Absenkungen des Betonweges um im Falle von regenartigen Niederschlägen quer zum Fahrbahnverlauf befindliche Wasserläufe ungehindert passieren zu lassen? Trifft’s wohl am ehesten, ist aber etwas sperrig. Ach, egal wie man es nennt, es ist nervig. Erst spät zu sehen bei der Kombination aus grauer Fahrbahn und grauem Licht, zwingen sie einen stetig zum Bremsen. Dann geht’s abrupt in die künstliche Senke, gleich wieder heraus, und spätestens 40 m weiter wiederholt sich das gleiche Spiel erneut. Nervig!

Übrigens, nervig werden sie einige Tage später immer noch sein, aber da haben wir dann wenigstens die Sache mit der Benennung zufriedenstellend gelöst. „Gubinator“, so lautet ab dann nämlich die zutreffende Bezeichnung. Kurz und prägnant, eben wie das verzweifelte Bremsmanöver das der Taufe voraus ging. Aber das ist eine andere Geschichte. Später davon mehr.

Wir parken jetzt erstmal nahe der kleinen Ansiedlung Jiangjiawan unser Auto und laufen einen Sandweg hin zur Strecke. Warum wir das tun? Na weil wir da Züge fotografieren wollen. Was? Ach warum wir nicht fahren? Tja, das kann ich auch nicht beantworten. Fortgeschrittene Ermüdung oder sind wir schon so abgestumpft, dass unsere Beurteilungsfähigkeit leidet. Ich weiß es nicht! Vielleicht sind nur alle der Meinung etwas Bewegung täte gut. Na wenigsten brauchen wir nicht lange darüber nachgrübeln warum wir hier dumm rum stehen, anstatt in unseren Autositzen gemütlich zu lümmeln, kaum da, rollt es nämlich schon wieder.





Fest in Händen der HXN3 ist der Güterverkehr zwischen Chifeng und Beijing. Jetzt ist es 30212 die bei Jiangjiawan in Richtung der chinesischen Hauptstadt unterwegs ist. Meine Hoffnung auf etwas Abwechslung in Gestalt einer HXN5 habe ich zwischenzeitlich aufgegeben. *schnief*






Mittlerweile geht es auf halb drei zu. Die lautstark vorgebrachten Versuche eines Einheimischen unsere Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen ignorierend, schleichen wir wieder zu unseren beiden Transportgefäßen. Der Elan ist irgendwie dahin. Das frühe Aufstehen, der dauertrübe Tag, die langsam einsetzende Monotonie bei den Fahrzeugen, alles zehrt an der Substanz. Also was tun? Weiter der Strecke nach tingeln. Grad keine Option. Einen Platz suchen der nett ist und wo man mal eine Zeit lang gemütlich warten und ruhen kann? Schon eher! Da hätten wir doch was im Angebot. Die große Brücke, die wir gestern schon auf unseren elektronischen Karten getaggt hatten. Die ist nicht weit von hier. Zudem verspricht der Fahrplan in einer Stunde den nächsten Schnellzug aus der richtigen Richtung. Also dann mal nichts wie hin!

Und wieder tauchen wir ein in das China abseits der Magistralen. Durchqueren, kommend aus dem engen, landwirtschaftlich geprägten Tal, eine kleinere Stadt, in der selbst die Hauptstraße eine holprige, von großen Löchern übersäte Sandpiste ist, auf der der 40tonner Tanklastzug vor uns haarsträubende Schaukelbewegungen vollführt und dabei mehr als einmal nur knapp an irgendwelchen Häuserecken, Lichtmasten oder entgegenkommenden Fahrzeugen vorbei schrammt. Hinten raus wieder Beton und Asphalt, ausgefahren, mit tiefen Spurrinnen und ausgefransten Kanten. Auch der wohlbekannte Duft von verfaulendem Kohl liegt wieder in der Luft. Gut das die Brücke selbst etwas ab vom Schuss ist.











Hoch zum Brückenkopf müssen wir erst die Talseite wechseln, was unter anderem mittels einer kleinen Brücke geschieht, die nur aus zwei Betonplanken besteht, die im passenden Abstand parallel über einen Wasserlauf gelegt sind. Dann geht’s den ausgewaschenen Sandweg hoch zur Bahn. Mit Vollgas, weil wenn schon schauckeln und hobsen, dann aber richtig. Gubi ist nicht so offroad affine in diesem Moment und parkt sein Vehikel unten am Rande des Talgrunds, lässt seine Mitfahrer aussteigen und zu uns hoch latschen. Angekommen wird etwas von „faulen Säcken gemurmelt, die nicht laufen wollen“. Nil und ich üben uns im Wettgrinsen. Wenn man schon ein teilgeländegängiges Fahrzeug hat, dann muss man das auch ausnutzen. Außerdem: „Wer hat sein Auto jetzt mitten im Motiv geparkt? Hä?? Na wer??? Na wir auf jeden Fall nicht!“ Aber Ruhe jetzt, der nächste Zug naht. Dumpf orgelnd macht er sich von der gegenüberliegenden Talseite bemerkbar.





Äch, wieder ne HXN3 *grumpf* Diesmal ist es die 30030, die einen Güterzug in Richtung Südwesten am Haken hat. Könnten auch mal was anderes schicken die Jungs.






Also recht viel finsterer dürfte es aber jetzt nicht mehr werden! Hey Mr. Beleuchtermann, mach da oben doch mal die Lichter an!

Aber der da oben scheint nicht da zu sein. Oder nicht zuständig. Oder gerade mit etwas wichtigerem beschäftigt, als mit den Wünschen von 5 langnasigen Eisenbahnfotografen. Schwer zu sagen, aber letzteres wird’s wohl sein. Immerhin, einen Hauch hellt es auf. Und man ist ja schon mit Kleinigkeiten zufrieden an so einem Tag. Zudem hat uns die CNR lieb und schickt mal wieder eine bunte Garnitur mit schmuck lackierter Lok auf die Reise.





Mit K276 von Manzhouli nach Hohhot am Haken, rollt DF4D 0128 über das Viadukt bei Hexi.






Hm, da drüben am Gegenhang ließe sich sicherlich auch ganz hervorragend stehen, oder? Und wie passend, dass der nächste Schnellzug von Beijing her kommt. Da könnte man doch…

Aber erst wird noch die Tunnelausfahrt hinter uns gecheckt. So eine rot-beige DF4D wie sie aus dem Tunnelmund hervor bricht… Das könnte schon gefallen! Doch da geht nichts. Zu verwachsen das alles. Also ab in die Autos und das Tal durchmessen. Hinter dem kleinen Straßendurchlass, gleich am Ende der Kurve hinterm Viadukt, da wollen wir die Autos parken und hinauf auf den Hügel klettern. Äch, schon wieder bergan. Hört das denn nie auf.

Kaum draußen aus dem Auto, brummelt es schon wieder. Das ging aber jetzt schnell mit der Kreuzung. Oder haben wir so gebummelt? Schließlich ist der nächste Bahnhof so einige Kilometer weg. Egal, wichtiger ist jetzt, was tun! Während einige die Treppen an der Brücke hinauf hasten, bleibt Gubi unten und produziert Stillleben! Keine seiner schlechtesten Ideen muss ich sagen.




Einen Zug aus Leerwagen bringt HXN30043 nach Norden zu den Kohlegruben.







Deutlich gefälliger wirkt aus dieser Perspektive die von Haus aus etwas unförmig geratene Maschine.






Jetzt geht’s nach oben und der Fotorucksack drückt. Eile haben wir nicht, denn bis zur geschätzten Durchfahrt des K275 ist noch genug Zeit. Ja richtig, K275, es ist der Gegenzug zu dem eben fotografierten Schnellzug nach Hohhot. Diesmal die Leistung gen Osten.





DF4D 0343 mit dem K275 auf dem Weg in Richtung Osten. Der nächste planmäßige Halt ist Chifeng.






Lange schauen wir dem Zug nach, bis er endlich unseren Blicken entschwindet. Dann ist Aufbruch. Noch mehr DuBis, also Dunkelbilder, von HXN3 braucht nun kein Mensch mehr. Es geht zurück nach Chifeng. Stellt sich nur die Frage auf welchem Weg. Wieder durchs Kohlland mit seinen ganz speziellen Aromen in der staubgetränkten Luft? NEIN, definitiv nicht. Da lieber von Gubinator zu Gubinator hoppelnd die Strecke wieder zurück die wir gekommen sind, und damit auch wieder zur Stelle des tragischen Unglücks von heute Morgen. Nicht mehr viel da ist von dem einst edlen Lasttier. Rückgrat, Darm und noch ein paar Kleinigkeiten zieren noch die Straße. Der Rest ist längst in heimische Kühlschränke oder Kochtöpfe gewandert.

Noch ein kurzer Stopp bei der „Acht-Trolle-Station“, dann geht es hinein in die Stadt. Erstmal Geld fassen. Denn morgen soll es weiter gen Norden gehen und da könnte Bargeld existenziell sein.





Es ist schon vertrackt, dieses schreiben in fremden Sprachen. Und so wird durch Weglassen eines „W“ und der Silbe „Con“ ganz schnell aus einer Wiegestation eine Acht-Trolle-Station. Aber wir wollen hier an dieser Stelle nicht lästern! Wer weiß wieviel hippe europäische Mädels mit „Süß-sauer Suppe mit Nudeln und Tofu“ im Nackenbereich herumlaufen und noch stolz auf die exotischen Schriftzeichen sind, die sie, glaubt man der Aussage des Tätowierers ihres Vertrauens, als Angehörige einer alten Chinesischen Kaste ausweisen.






Ich weiß nicht wer nach dem Geldfassen auf diese gloreiche Idee gekommen ist, aber wenn ich es raus bekomme, dann gnade demjenigen Gott. Denn bevor ich mich richtig versehe, sitzen wir, vor uns ein Mix aus labbrigen, geschmacklosen Hühnerbrötchen, bei einem internationalen Geflügelbrater mit drei Buchstaben. Ich bin in der Hölle.

Im Gegensatz zu Pascal, der ist im Himmel. Und nutzt das in Form von einem zweiten Tablettgang auch maximal aus! Der morgige Abmarsch in die Weiten der nördlichen Inneren Mongolei lassen bei ihm wohl alle Alarmglocken klingeln. Droht doch damit verbunden, tagelang nur mehr chinesisches Essen. Da will man doch vorsorgen und Reserven anlegen!

Ich zwinge mich, mich irgendwo zwischen leidlicher Sättigung des Magens und gerade noch beherrschbarem Würgereiz einzupendeln und stelle dann die Nahrungsaufnahme, wenn man in diesem Zusammenhang überhaupt von Nahrung sprechen möchte, ein!





Da hätte der Übersetzer des Warnschildes vorher mal besser in der Bücherabteilung nach einem Wörterbuch geschaut. Kleine Impression aus dem Einkaufzentrum, eingefangen von Gubi.






Für artgerechte Unterhaltung sorgt derweil übrigens eine grüne DF4B, die, von Gubi während des Bummels durch das angeschlossenen Einkaufszentrum käuflich erworben, zwar nicht ganz maßstäblich ist und auch mit der Fahrfähigkeit auf Schienen hapert es gewaltig, dafür kann sie nach Betätigung eines Schiebeschalters, welcher an der Seite heraus steht, durch andere Gimmicks brillieren! So erklingt unverzüglich ein motordarstellendes Brummen und die Spitzenlichter blinken, landestypisch, wie wild! Also wohlgemerkt landestypisch, nicht typisch für die Staatsbahn.

Die Krönung des Ganzen ist aber der zweite Teil der Soundeffekte. Der kleine Plastikscheiß stößt nämlich ein solch infernalisches Hupen aus, das selbst die toten Hühnchen in den Packungen rings um uns herum entsetzt die Flucht ergreifen!

Für uns aber das ideale *trööööööt* Hintergrundgeräusch, um uns in den *trööööööt* Schlaf zu geleiten. Denn morgen ist es soweit! Blauer Himmel und Abfahrt hinauf an die JiTong Linie!

Ob und was davon wirklich Wirklichkeit wird, man wird es lesen im nächsten Teil. Gute Nacht!