Betrunkene Finnen und verregnete Trolle 6: Mit 160 km/h übers Fjell
Von David Gubler
Mittwoch, 14.9.2016Der Wecker schmiss uns um halb sechs aus dem Bett, schliesslich hatten wir heute noch was vor. Rasch zusammengepackt und die Zimmerkarten in die Box beim Ausgang geworfen, begrüssten uns schon die noch ruhigen Strassen Oslos. Nicht zuletzt wegen dem heutigen Morgen haben wir uns ein Hotel gleich beim Hauptbahnhof gesucht, denn wir hätten jetzt beide schüüüli keine Lust auf einen längeren Marsch zum Bahnhof…
Der Regiontog stand schon bereit, und wir bekamen, wie gebucht, zwei vis-à-vis-Plätze im Vierer in der Wagenmitte. Pünktlich auf die Minute ging es los durch den Stadttunnel. Die anderthalbstündige Fahrt nach Hønefoss warf einmal mehr die Frage auf, wann für die 40 km Distanz ab Oslo endlich eine Neubaustrecke gebaut wird… über eine Stunde Fahrzeitersparnis nach Bergen wäre nicht verkehrt. Wir überlegten uns auch, ob es auf dem Rückweg (da hatten wir zuviel Zeit in Oslo) möglich wäre, hier zur Gjøvikbahn rüber zu wechseln; ein Blick in den Fahrplan offenbarte aber leider, dass der Personenverkehr zwischen Hønefoss und Roa eingestellt ist; für Güterverkehr wird die Strecke jedoch nach wie vor benutzt.
Weiter ging es durch endlose Wälder. Ich war die Strecke vor zwei Jahren schon mit Pascal gefahren, konnte mich aber an diesen Abschnitt kaum erinnern - Habe ich wohl zweimal verpennt… Landschaftlich wäre die Gegend durchaus interessant, alles relativ gebirgig, aber der ewige Wald nimmt einem jegliche Lust, da auf Fotostellensuche zu gehen. Mag sein, dass irgendwo mal was geht - aber um das zu finden sucht man sich zu Tode.
Das Wetter unterwegs war wechselhaft, von leichtem Nieselregen bis Sonnenschein war alles dabei. Hinter Geilo wurde es spannend, der Wald lichtete sich und wechselte sich mit zahllosen Seen ab. Diese Gegend hier würden wir allerdings für diesmal fotografisch überspringen, denn das war ein Fall für ein Auto, das wir diesmal nicht hatten.
In Haugastøl gab es eine kurze Pause, zunächst kreuzten wir einen Regiontog in die Gegenrichtung, anschliessend einen CargoNet-Güterzug. Huerz nutzte die Gelegenheit.
Bei der Fahrt über das Fell wurde das Wetter immer schlechter. Mit wenig Verspätung spuckte uns der Regiontog schliesslich um 11 Uhr in Finse aus, und wir versuchten, unser Zimmer zu entern. Dieses war jedoch noch belegt, und so deponierten wir erst mal unser Gepäck.
Obwohl das Wetter nicht viel versprach liefen wir mal runter in Richtung Haugastøl. In der Gegend hier weiss man ja nie, wie sich das Wetter entwickelt - in einer halben Stunde kann es schon ganz anders aussehen…
Kaum waren wir losgelaufen überraschte uns schon eine weitere CargoNet-Leistung von Bergen her, gezogen von einer El 16. Für ein Bild reichte es nicht. Schade, die Loks sind typisch für Norwegen und viele Bilder davon habe ich auch nicht… Ein wenig seltsam war, dass der Zug überhaupt um diese Zeit fuhr; an sich gab es vormittags eine Bausperre zwischen Voss und Bergen; jetzt hatten wir Mittag - wo kam der Zug also her?
Als der Rallarvegen unter der Bahn durch ging liefen wir mal querfeldein weiter. Es stand ein Regiontog von Oslo her an. Das Wetter hatte sich inzwischen zu „wechselhaft“ weiterentwickelt; aktuell gerade wäre eitel Sonnenschein aber sowieso schlecht gewesen, denn das Licht hätte dann hinten und vorne nicht gepasst. Schlussendlich kam der Regiontog in interessanter Lichtstimmung vorbei. So haben wir das gerne!
Die Züge sind in diesem Abschnitt mit 160 km/h unterwegs, was ganz ordentlich schnell ist, angesichts dessen, dass die Strecke jetzt nicht an eine typische Hochgeschwindigkeitsstrecke erinnert. Die Strecke wurde seit den 90ern Abschnittsweise neu trassiert. Dies sehr zum Vorteil für uns Fotografen: Auf alten Karten ist ersichtlich, dass der alte Streckenverlauf zu grossen Teilen mit Schneeschutzgalerien eingehaust war. Die neue Trassierung auf einem Damm verhindert das Ansammeln zu grosser Schneemengen auf dem Trasse, und macht daher die Galerien überflüssig. Die Neutrassierung schlägt so gleich mehrere Fliegen mit einer Klappe.
Wir bewegten uns etwas weiter zum nächsten Hügel. Das war gar nicht so einfach, denn zwischendurch war der Fluss direkt am Bahndamm. Zur Querung des Flusses gab es an passender Stelle eine kleine Brücke, die auch vom Rallarvegen her zugänglich war.
Das Wetter war inzwischen ziemlich gut, wir hatten hinter uns ein blaues Loch, das sich gut hielt, und vor uns weiterhin eine Wolkenwand. Allerdings kamen immer mal wieder Wolkenflusen vorbei - würde es (entgegen unserer Erwartungen heute morgen) doch ein Sonnenbild vom nächsten Regiontog aus Bergen geben?
Zwischenzeitlich hatten wir mal ausgiebig die Live-Karte des norwegischen Infrastrukturbetreibers getestet. Ja, Live-Karte - der Bereich hier ist komplett mit Handynetz versorgt! Diese sagte neben dem Regiontog auch einen Güterzug von Oslo her voraus. Welcher würde wohl zuerst kommen? Die Glaskugel konnte die Live-Karte leider auch nicht ersetzen.
Der Regiontog kam zuerst - in der Sonne!
Damit war der heutige Tag schon ein voller Erfolg!
Sehr kurz darauf tauchte der CargoNet-Güterzug auf, gezogen von einer El 14. Und zwar so kurz darauf, dass wir uns fragten, wo die wohl gekreuzt haben - Haugastøl war doch irgendwie noch ziemlich weit weg?!?
Auch der Güterzug kam in der Sonne, wenn auch aufgrund der Richtung nicht ganz so schön umzusetzen wie der Regiontog.
Der Fahrplan sagte als nächstes wieder einen Regiontog voraus, wieder von Oslo her. Hier wollten wir den nicht fotografieren, denn das Licht passte nicht so richtig, und wir hatten ja schon den Güterzug; aber rund 3 km weiter gegen Haugastøl drehte die Strecke, und so liefen wir mal dort runter.
Die Fotostelle war sehr nett; ich stellte mich mal direkt am Wasser auf (mit Hoffnung auf Spiegelung), Peter wartete etwas weiter oben. Das Wetter entwickelte sich weiter positiv, und so gab es gleich das nächste Sonnenbild!
Damit war der heutige Tag jetzt aber fahrplantechnisch gelaufen; auch die Live-Karte kannte keine Güterzüge in der Gegend mehr. Wir machten uns daher auf den anderthalbstündigen Fussmarsch zurück nach Finse.
Dort war inzwischen unser Zimmer bereit. Kurz vor dem Abendessen gingen wir nochmal raus für einen weiteren Regiontog - Wetter und Sonnenstand versprachen zwar nichts, aber es kostet uns ja auch nichts, also wieso nicht.
Das anschliessende Abendessen war unerwartet unkompliziert, es gab nämlich exakt ein Menü, von Vorspeise bis Dessert. Dieses war zwar nicht nach meinem Geschmack (Spargelsuppe, Lamm, Pilzrisotto), aber abgesehen vom Pilzrisotto konnte ich mich dann doch noch damit anfreunden. Insgesamt wars aber sehr fein und schön angerichtet.
Noch zu Klären war das Programm für Morgen. Die Wetterprognosen waren so richtig gut! Die letzte Amtshandlung war daher die Reservation zweier Fahrräder für den morgen Tag. Dies mutete zwar relativ komisch an, standen doch mehr als genügend Drahtesel bereit (>200 Stück), aber wir sollen trotzdem reservieren. Uns egal.
Damit war der Tag dann endgültig beendet. Was wir morgen mit den beiden Drahteseln anstellten, erzählt euch dann Huerz.