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Tere tulemast Eesti - Teil 2

Von

Freitag, 13.05.2016

Was sind die natürlichen Feinde des Eisenbahnfotografen? Außer den Wolken meine ich jetzt. Richtig! Die Frühstückszeiten in den meisten Gasthöfen und Hotels. Wenigstens gilt das wenn man nicht gerade im Winter unterwegs oder ein Frühstückmuffel ist. Ansonsten bleibt einem nur, dass beim Verlassen des Hotels schon im Aufbau befindliche Buffet links liegen zu lassen oder die ersten Züge bei Licht zu verpassen. Eine grausame Wahl.

Warum sollte es also hier in Rakvere anders sein? Weil man hier meinem enttäuschten Gesichtsausdruck einfach nicht wiederstehen kann. Und so marschiere ich statt um 8.00 Uhr nun eine Stunde früher Richtung Bar. Ein bisschen ein schlechtes Gewissen habe ich schon, aber es wurde mir ja gestern Abend angeboten.
Spannend ist dann das, was in der Bar angerichtete ist und sich „Frühstücks Buffet“ nennt. Gut, dass es auf einen runden Tisch passt spricht schon mal nicht dafür, dass es recht umfangreich ist. Aber dafür ist für jeden irgendetwas dabei. Für Wurst- und Käseliebhaber, für Kenner Osteuropäischer Buffets in Form von Roten Rüben und Mayonnaise, für Liebhaber von Obst und geschmacklosem Joghurt. Ja auch an die ist gedacht, die eher auf „adliges Essen“ stehen. Finden sich doch einige Teile des Abendessens „VON gestern“ auch mit im Angebot. Sprich, bei genügend Flexibilität in Sachen Nahrungsaufnahme am Morgen lässt sich genug finden um sich richtig satt zu essen. So strebe ich bei Zeiten gut genährt und gestärkt für den Tag aus dem Haus. Ziel? Irgendwo östlich von Rakvere etwas suchen zum nachschießen des Triebzugs aus Narva. Mehr ist bei dem Sonnenstand für diese Richtung nicht drin. Und da die Zeit etwas drängt, fahre ich direkt den kleinen Bahnhof von Vaeküla an. Sowjetische Signaltechnik im Zusammenspiel mit Schweizer Fahrzeugtechnik, Stahl gegen Plaste, das ergibt doch auch für einen Nachschuss einen ganz netten Spannungsbogen.




Ohne Halt durcheilt Zug 223 auf dem Weg nach Tallinn die kleine Station von Vaeküla. An diesem Morgen hat sich 2313 auf den Weg von der russischen Grenze in Richtung Hauptstadt gemacht.





Der Bahnhofshund feuert mich mit seinem Gebell rhythmisch an als ich zum Auto zurück laufe, ansonsten ist es noch ganz ruhig in dem kleinen verschlafenen Ort. Einmal raus aus auf die Hauptstraße, den nächsten Wald umkurvt, dann über eine breite Schotterpiste zurück zur Bahn. In Sichtweite zum östlichen Einfahrtssignal von Vaeküla zur linken und einem Blocksignal zur rechten, mache ich es mir mit Buch und Getränk gemütlich bis…. ja bis wann eigentlich? Vor meinem geistigen Auge rollt gerade ein Güterzug heran. Rot leuchtet die C36 im Sonnenlicht oder wird es eine blaue 2TE116 sein? Mir wäre es egal, Hauptsache es rollt etwas. Und wenn nichts kommt, dann bleibt mir immer noch der nächste Personenzug. Diesmal der nach Narva. Aber vor dem läuft bestimmt noch was, sage ich mir selber. Schließlich muss man sich am frühen Morgen ja noch motivieren.

Still ist es in Estlands Wäldern, still bin ich beim Lesen meines Buches und still ist es auf den Schienen. Totenstill! Nur die Zeiger der Uhr zeugen in ihrem steten Voranschreiten von der Vergänglichkeit des Augenblicks, scheint doch ansonsten die Zeit um mich herum still zu stehen. Und während auch ich in Kontemplation verharre, kommen mein Geist und meine Seele zur Ruhe, schöpfe ich in meinem innersten Kraft, erlebe ich die ganze Herrlichkeit des Seins und langsam wächst die tiefe Erkenntnis.....

...."das wird vorm Regio nix mehr!"

Der kommt nämlich gleich in Rakvere an und es ist äußerst unwahrscheinlich, dass man kurz vorher noch einen Güterzug auf die Strecke schickt. Gleiches gilt dafür, ihn in Vaeküla an den Rand zu stellen. Nicht bei der äußerst übersichtlichen Streckenbelegung.




Fast zwei Stunden herrschte Ruhe auf der ehemals so dicht befahrenen Strecke zwischen Tapa und Narva. Dann durchbricht endlich 2320 die Stille. Als Zug 220 kommt er aus der estnischen Hauptstadt und ist auf dem Weg zur russischen Grenze.





So, jetzt mal etwas überlegt. In rund eineinhalb Stunden sollte der Schnellzug aus Moskau hier vorbei kommen, oder? Mal die Fahrzeiten und die Karten angeschaut, jepp, müsste passen. Das heißt, wenn jetzt etwas Güterzug technisches unterwegs sein sollte, dann müsste es in nächster Zeit auftauchen. Entweder gleich hinter dem Personenzug her in Richtung Osten oder mit etwas Verzögerung von dort gen Rakvere. Ich weiß nicht, irgendwie bin ich mir sicher das gleich was kommt! Prompt geht auch schon das Blocksignal zur rechten wieder auf grün! Ein eindeutiger Beweis für die Richtigkeit meines Gefühls? Nein, das nicht. Aber ein Indiz, denn wenn etwas von Osten her unterwegs wäre, wäre es nicht auf grün gesprungen. Gut! Etwas verstellt, weil die Baumschatten vor mir mittlerweile schon ein Stück weit ins Motiv gehen, so, jetzt passt's besser, nach rechts geschaut und schau, schau..... das Blocksignal ist aus! Wie jetzt??? Gerade eben war‘s doch noch an!?! Blick nach links.... Tatsache, jetzt ist auch das Einfahrtssignal von Vaeküla auf grün gesprungen. Ja so ein Mist, für einen Zug aus der Richtung passt das Licht hier aber nicht wirklich. Oder nur bei einem Schuss sehr, sehr quer stehend. Hilft aber nix. Also in aller Hektik eine andere Position gesucht, probiert, umgestellt, äch, nicht das wahre, und zu guter Letzt die Stelle genommen die am wenigsten schlecht aussieht. Alles schnell, schnell. Und alles völlig sinnlos, denn es kommt nichts! Hm?

Wieder ist nur das Zwitschern der Vögel zu hören und das Rauschen des Waldes im aufkommenden Wind, der leider mittlerweile immer dicker werdende Wolken heran trägt und vor die Sonne schiebt. Mittels Fahrzeiten der Personenzüge und der Karte versuche ich zu ermitteln, wann und wo gekreuzt hätte werden können und wann dann mit dem Güterzug zu rechnen sei. Eine recht ungenaue Methode. Sind doch die Güterzüge recht langsam unterwegs, während die Personenzüge ein durchaus ordentliches Tempo vorlegen. Ganz verwirrend wird es, bringt man den Schnellzug mit ins Spiel der mittlerweile auch in einer Stunde oder so ansteht! Und da wird es mir plötzlich klar: Die haben die Strecke bereits jetzt für den Zug aus Moskau durchgeschaltet!

Schnell geschätzt wie lange der von hier bis Tapa brauchen könnte, kommt hin, dann überlegt ob das Warten hier noch Sinn macht. Definitiv nein! Einen Querschuss gab's schon gestern. Das muss man nicht zwanghaft wiederholen. Und etwas Frontlicht wäre auch mal ganz nett. Dafür gibt es aber nur eine Stelle, die kurz vor Tapa, da wo ich gestern den Nahgüterzug verarztet habe. Schnell das Navi gefüttert, ob es bis dahin noch reicht. Jepp, wenn auch knapp, gerademal fünf, sechs Minuten dürfte ich Puffer haben, aber das sollte klappen. Schon bin ich auf dem Weg.




Gut gepokert! Wenige Minuten nach dem ich nahe Tapa Position bezogen habe, rollt TEP70-0237 von GoRail mit dem Schnellzug 33 aus Moskau mit Kurswagen aus St. Petersburg das Gefälle nach Tapa herunter.





Yes! Wenn das mal nicht Maßarbeit war! Und ich muss sagen, die Kombination aus GoRail Maschine, deren Lackierung mir auf den meisten Bildern bisher eigentlich nicht so gut gefallen hat, und den RZD-Wagen macht was her.

Na, auch wenn bisher der Güterzug aus blieb, dass nenn ich doch mal eine nette Ausbeute bis hier hin. Und wie nun weiter? Proviant kaufen in dem kleinen Markt, den ich schon gestern besucht habe, und dann mal an die zweigleisige Strecke westlich von Tapa schauen. Und während ich noch überlege, wo da jetzt die Sonne passen könnte, grummelt es leise aber vernehmlich und ein amerikanisches Horn schallt durch den Wald. Kein Zweifel, ein Ami verlässt gerade den Bahnhof. Bleibt nur die Frage, wohin geht's? In Richtung Süden gen Tartu oder an mir vorbei in Richtung Narva. Die Antwort lässt nicht lange auf sich warten. Unten schiebt sich eine C36 um die Kurve, am Haken einen langen gemischten Güterzug.



Unendlich langsam und mit viel Getöse kommt 1542 die Steigung hinter Tapa herauf. Und wem das Wummern des Motors noch nicht genügt, der bekommt mit dem markanten Horn zusätzlich noch die Ohren beschallt.





Endlich hat's geklappt mit einem Ami-Diesel, mit Güterzug hinten dran und bei Sonne. Wobei, die steht ja eigentlich nicht wirklich richtig. Zwar hilft die niedrige Nase etwas den Frontschatten zu mildern, aber so mit Licht und aus einer anderen Perspektive, dass wäre schon noch was. Und da hab ich auch schon eine Idee dafür. Eine Brücke bei Kadrina. Schaff ich das bis dahin vor dem Zug? Probieren!

Noch während die letzten Wagen des Güterzugs an mir vorbei rollen, hopple ich schon über eine ausgefahrene Spur gen Straße. Gilt es doch auch noch vor dem amerikanischen Armee Tanklaster los zu kommen, ansonsten wird das mit dem Zug nichts. Hoch lebe das geländegängige Auto! Vor zur Hauptstraße, dann Tempomat rein auf Anschlag und los. Ich fahr 90 km/h, der Güterzug maximal 50-60 km/h. Das sollte sich ausgehen. Aber! Ich muss noch irgendwie auf die Brücke hoch. Und da hab ich noch keinen Plan wie. Kurz vor Kadrina geht's links ab. Ich lass noch höflich den Gegenverkehr durch, manch einer meiner sonstigen Reisebegleiter würde jetzt gerade die Krise kriegen denk ich dabei und muss grinsen, dann geht's auf der Nebenstraße bis unter das Bauwerk. Boah, die Rampe am Widerlager ist betoniert und sau steil. Da rauf? Never! Mal auf der anderen Seite schauen. Ah, eine breite Treppe mit Handlauf! Ja, so lob ich mir das. Komfort pur! Da hab ich aber jetzt mal Glück gehabt. Schnell rauf, zweimal über Leitplanken gehüpft, schon steh ich da und merke, ich hab noch unendlich viel Zeit. Denn noch ist der Zug nicht mal zu hören. Blick nach oben, Himmel blau, Sonnenstand passt soweit, besser wird es im weiteren Verlauf der Strecke eh nicht mehr, und schon hört man den Großdiesel arbeiten.




Ordentlich quälen muss sich 1542 um den Güterzug nach Osten zu schleppen. Und so wirklich auf Tempo kommt sie dabei, zumindest auf diesem Streckenabschnitt, auch nicht. Da drängt sich der Verdacht auf, dass die Maschinen für die Anhängelasten doch etwas schwach auf der Brust sind. Eine zweite täte sicherlich gut, würde aber zusätzliche Kosten verursachen. Also geht es langsam vorwärts, was bei der geringen Streckenbelegung wohl aber auch niemanden stören dürfte.





Hände reibend steige ich hinunter zum Auto. Erst 13.00 Uhr und schon fünf Sonnenbilder im Kasten. Herz was willst du mehr! Jetzt erstmal Proviant fassen, dann Bahnhofsguck in Tapa, anschließend eine nette Stelle im Wald suchen, da wo die Strecke zweispurig ist.

Im Lebensmittelgeschäft gibt es ein Lächeln des Erkennens, "schon wieder der komische Typ von gestern", und eine gestenreiche Konversation die unter anderem die Frage beinhaltet, ob ich denn gerne eine Tüte für meine ganzen Einkäufe hätte. Aber sicher doch.

Weniger erfreulich geht's am Bahnhof zu. Anwesend sind nur die gelbe Hummel einer Baufirma, die sich bei meiner Ankunft aber gleich schamhaft hinter einem Gebäude versteckt, und eine TEM-TMH der EVR, die es auch vorzieht, hinter Bäumen zu bleiben.




Etwas versteckt wartet TEM-TMH 059 der EVR auf ihren nächsten Einsatz als Bahnhofshobel.





Eigentlich sollten ja die neuen Chinesen den Bahnhofsverschub und den Übergabedienst modernisieren. Scheint aber wohl nichts zu werden und man wendet sich lieber wieder der bewährten Technik aus Russland zu. Jedenfalls spuckt das Netz Informationen aus, die in dieses Richtung gehen. Ob man das nun schade findet oder nicht, das bleibt dem individuellen Geschmack überlassen.

Für mich geht's nun durch den Ort raus an die Strecke. In weitem Bogen, vorbei am ausgedehnten Truppenübungsplatz der Erinnerungen an früher aufkommen lässt, erreicht man bei Lehtse wieder die Bahn. Recht verwachsen alles hier. Maximal Lok und ein paar Wagen ließen sich ablichten. Oder man wählt die „baltische Alternative“. Eine Positionierung wie sie gerade oft in Estland angewandt wird. Sprich, man stellt sich auf den Bahnübergang und fotografiert in die Gerade hinein. Auf Dauer definitiv keine ideale Option, also weiter. Eine Entscheidung die nicht nur meinen Magen zum Knurren bringt, muss er doch so noch etwas länger auf die längst fällige Atzung warten, sondern auch mich, rollt doch kurz darauf ein Kesselzug durch. Was vorne dran ist weiß ich nicht, die Buschreihe steht mir im Weg. Umkehren und hinterherfahren bringt‘s auch nicht, denn fährt er in Tapa durch, hab ich keine Ahnung auf welche der beiden Strecken er abbiegt. Und überholen schaffe ich durch den Umweg auf der Straße nie im Leben. Also etwas in meinen Dreitagebart gemurrt und weiter. Doch leider lässt sich etwas Gescheites auch weiter hinten nichts finden. Ein Bahnübergang im Wald ist mittlerweile aufgelöst und zudem verwachsen, genauso sieht es in Janeda aus. Also lande ich schließlich am Haltepunkt Nelijärve, an der Stelle also, die ich gestern als Alternative für den Nachmittagsschnellzug im Auge hatte. Irgendwie wäre es schon nicht schlecht, doch auch hier sprießt die Vegetation an den unmöglichsten Stellen. Voll doof, dass im Wald immer so viele Bäume stehen müssen. Könnte man das nicht ändern? Weiter fahren möchte ich aber nun auch nicht mehr, erstens kommen bald die nächsten Personenzüge, und zweitens habe ich Hunger. Also teile ich mir den kleinen Hang mit jeder Menge Ameisen und harre der Dinge die da kommen.




Mit 2236 und 2237 rollen zwei Vertreter der kürzesten Variante der Dieselflirts auf den Haltepunkt von Nelijärve zu. Die Sonne hat es nicht ganz hinter den mittlerweile wieder zahlreich ziehenden Wolken hervor geschafft. Trotzdem hab ich abgedrückt, waren doch die beiden, die ersten "zweiteiligen" Flirts die ich gesehen habe.






Nach dem im Osten üblichen Achtungspfiff hat sich 2320 wieder in Bewegung gesetzt.






Erst "zweiteilig", dann "dreiteilig" und jetzt "vierteilig". 2428 auf seinem Weg in Richtung Tapa kompletiert die Stadler-Fahrzeugschau an dieser Stelle. Wer sich jetzt an meiner Zählweise stört, irgendwie zähl ich immer die "Motoreinheit" nicht mit.





"Ein Männlein steht im Walde ganz still und stumm, die Ameisen die krabbeln um ihn rum. Sag wer mag das Männlein sein, dass da steht im Wald allein, und warte voller Sehnsucht auf ein Zügelein!"

Tja, und das Männlein wartet und wartet. Das was ab und zu brummt ist ein Lastwagen auf der nahen Straße, sonst nichts. Da hat man eine Doppelspur vor sich und nix rollt. Das kann schon frustrierend sein. Aber es ist die logische Konsequenz daraus, das von ehemals mehr als 30 Zugpaaren mittlerweile nur mehr 6 Güterzugpaare täglich übrig geblieben sind. So wenigstens die unlängst gemachte Aussage des estnischen Verkehrsministers. Gut dass wenigstens der Schnellzug wieder fährt. Etwas richtige Eisenbahn nach meinem Geschmack, mit der man zudem auch planen kann. Mal Fahrplan kucken. Wann genau kommt er hier in diese Ecke? Hm, mal schätzen. Und überlegen wo die Sonne passt. Da gibt's nicht viel Auswahl. Und das was es gibt ist auch nicht frei von Kompromissen. Eigentlich bleibt nur eine Stelle in dieser Ecke, die Gerade hinter Tapa. Kennen wir doch schon, oder? Dort auf dem Damm quer? Etwas gewagt, aber der Schmodder oben am Himmel könnte in dem Fall sogar helfen. Streulicht!

Mit offenen Fenster wird zurück gecruised. Die Wiese neben der Bahn kennt mich ja schon, hier lässt es sich gemütlich warten. Und lesen! Man, wann bin ich das letzte Mal soviel zum lesen gekommen?




Wie die Tage zuvor ist von den drei Maschinen über die GoRail verfügt wieder TEP70 0237 vor dem Schnellzug nach Moskau im Einsatz.





Hm, schade! Ein bisschen hatte ich schon drauf gehofft, dass GoRail heute mal eine ihrer beiden anderen Maschinen schickt. Wegen Nummern sammeln und so. Aber leider! Dann ist aber auch klar, was morgen an der Rückleistung hängt. So wie weiter? Nicht weiter! Einfach hier stehen bleiben. Denn wenn ich nach den Beobachtungen von Gestern und heute gehe, dann kommt jetzt entweder ein Güterzug dem Schnellzug hinterher oder es herrscht wieder Stille bis zum Nahgüterzug. Wer möchte raten? Es bleibt bei der Variante „Stille“ und so gibt es einmal Nahgüterzug an derselben Stelle wie gestern, mit leicht geänderten Blickwinkel. Wieder lange Seite voraus und wieder im schönsten Abendlicht! Und gut dass ich mich nicht bewegt habe, ist die Fuhre doch heute früher dran als am Tag davor. Überfahren wäre also durchaus eine Option gewesen.




Heute ist 1510 mit dem abendlichen Nahgüterzug unterwegs. Mit ihrer kurzen Fuhre hat sie gerade den Brechpunkt überwunden und rollt nun hinunter nach Tapa.






Einmal mit Tele, einmal etwas quer, so ist es auch nicht sooo schlimm, dass 1510 auch mit der langen Nase voraus unterwegs ist.






Eine halbe Stunde bleibe ich noch, dann geht’s ab in Richtung Hotel. Beim leckeren Abendessen mit noch leckerem regionalem Bier ziehe ich ein erstes Resümee. Wenn man sich erstmal darauf eingestellt hat das wenig rollt, kann man in diesem Land eine sehr entspannende Eisenbahntour erleben. Und mit etwas Glück in Sachen Wolken und Wetter ist auch die Ausbeute unterm Strich ganz o.k., wenn auch nicht annähernd zu vergleichen mit früheren Jahren.




Samstag, 14.05.2016

Was hatte ich da doch gleich über das Wetter und Glück geschrieben? Der Blick gestern Abend auf die Vorhersage hat dann die Stimmung doch etwas gedrückt. Ausgerechnet über der Ostsee dreht sich nämlich gerade ein Tief ein und bringt für die nächsten Tage auch in Estland viele Wolken und Regen. In ganz Estland? Nein, nicht in ganz! Eine „kleine“ unbeugsame Stadt ganz im Osten des Landes soll sich den Invasoren am Himmel wiedersetzen und mit Sonne glänzen. Was der Wetterbericht verspricht, bestätigt ein Blick auf das Satellitenbild. Wenn es morgen mehrheitlich blauen Himmel gibt, dann nur ganz im Osten. Denn dort streifen nur noch Ausläufer der Wolkenbandes entlang. Hinter der Grenze, in Russland, soll es sogar wolkenlos sein! Verlockend! So nahe und doch so weit! Den erstens habe ich kein Visum und zweitens hat mir ja die nette Dame bei der Autovermietung erklärt, ich dürfe mit meinem fahrbaren Untersatz zwar im ganzen Baltikum umher fahren, aber eben nicht nach Russland. Immerhin, ich kann mich annähern soweit wie es geht. Und mit ein bisschen Glück gibt es sogar noch Fotos mit RZD Maschinen drauf. Also, auf nach Narva.

Heute Morgen beginnt der Tag eine halbe Stunde später. Nicht etwa weil ich meinen jugendlichen Elan, was für eine „Jugend?“, verloren hätte, der Wetterbericht ist ursächlich schuld. Und nicht zuletzt, das will ich hier auch nicht verheimlichen, mein gutes Herz! Als ich nämlich gestern in Sichtweite des Hotels kam, sprang mir sofort eine der hilfreichen Seelen aus der Küche entgegen um mich zu fragen, ob den morgen wieder Frühstück um „7.00 Uhr nötig sei“. Um es gleich klar zu stellen, die Frage erfolgte sehr freundlich und höflich, und sie hätte mir auch alle Optionen der Antwort gelassen. Aber getrieben von meinem schlechten Gewissen am Morgen bin ich sofort auf den dargebrachten Kompromissvorschlag „7.30 Uhr“ eingegangen. Man hat ja schließlich ein Herz für die Werktätigen der Republik!

Gut, ganz so selbstlos war die Entscheidung ja nun nicht, hat doch der Wetterbericht Gruselwetter für die Region um Rakvere vorhergesagt und damit ist eine Fotosession mit dem Narva-Zug eh obsolet. Da kann man sich bei so einem hübschen Gegenüber leicht den Verständnisvollen geben. *zwinker*

Runter zum Bahnhof bin ich dann aber schon. Mal kucken was es so gibt. Und auch wenn es ziemlich finster war, Bilder von der Ausfahrt des Regio aus Narva wurden auch gemacht. Aber die sind eher zum ankucken im stillen Kämmerlein, als zum Herzeigen. Darum verkneife ich mir das jetzt auch. Also wenigstens hier haben die Wetterlügies mal eine richtige Vorhersage getroffen. Dichtes grau-braunes Gewölk schiebt sich über mir am Himmel entlang. Es ist nass, kalt und bäh. Und das soll einige Kilometer weiter östlich anders werden? Jepp, tut es. Kaum hab ich die ersten Kilometer auf meinem Weg nach Narva nämlich hinter mir, schon zeigt sich am Horizont die Wolkenkante. Danach ist es schmierig blau und hell.

Eilen muss ich mich nicht übermäßig, erst in knapp zwei Stunden kommt der Schnellzug aus Moskau über die Grenze. Das sollte für die rund 100 km locker reichen. Was an dem Zug so interessant ist? Na die RZD Lok. Schreit sie doch förmlich danach abgelichtet zu werden. Wobei ich mir nicht ganz sicher bin, wie das realisiert werde kann. Wie entspannt sind die Esten in Sachen fotografieren im Grenzbahnhof? Zwar geht ein Fußgängersteig über den Bahnhof und von dort gibt es auch Fotos, aber wenige und wenn dann meist von estnischen Fotografen. Und die tun sich in Sachen Dialog mit möglicherweise auftretenden Organen dann doch etwas leichter. Auch aus dem Gleisbereich selber gibt es Fotos. Doch deren Blickwinkel lässt eindeutig auf Eisenbahner schließen, handelt es sich doch oftmals um Bilder, die vom Führerstand aus gemacht sind. Aber vielleicht gibt es ja irgendwo ein Eck an dem man unbemerkt stehen kann. Oder evtl. geht was an der Grenzbrücke?

Solche Gedanken gehen mir durch den Kopf, während ich durch die estnischen Lande rolle, vorbei an der Ostsee, hinein in die Sonne. Denn die kämpft sich nun immer stärker durch den Schlonz oben am Himmel. Ganz aufgerissen hat es nämlich noch nicht als ich in Narva einrolle. Ein weißer Film zieht über das Firmament und taucht die ganze Szenerie in ein helles, grelles Licht. Am Bahnhof selbst das erwartete. Zäune, Absperrungen und eine nahe Polizeidienststelle. Also mal an der Brücke versucht. Aber auch dort geht nichts, und zwar aus zweierlei Gründen. Zum einen sind am Uferbereich Zäune und Postenhäuschen auszumachen, und da ich keine Lust auf Diskussionen habe versuche ich erst gar nicht mich dort zu stellen, zum anderen, und das ist dann der Hauptgrund, ist die Konstruktion der Brücke dergestalt, dass man vom Zug eh nicht viel sehen würde. Also hinter den Bahnhof, auf die Sonnenseite. Dort beginnt der Fußsteig nicht so prominent. Am Ende einer Straße im traditionell gestalteten „hinterm Bahnhofsmilieu“ gelegen böte es alles was man braucht um im Fall der Fälle schnell zu verschwinden, der Betrieb auf dem Steg ist aber nicht unbedingt dafür angetan hier „ewig“ mit Kamera um den Hals herum zu stehen. Wie gesagt, keine Ahnung ob man hier ein Problem mit Eisenbahnfotografen hätte, allein ich habe keine Lust auf Stress und möchte es daher nicht ausprobieren. Denn auch klick and run geht nicht, da ich ja keine genaue Zeit habe wann der Zug von Russland her eintrifft. Also weiter geschaut und siehe da, die typisch sozialistische Garagensiedlung etwas weiter hinten bietet einen idealen Schutz. In den langen Reihen der Parkschachteln klafft nämlich eine Lücke. Und bis auf einen an seinem Auto werkelnden Esten zeigt sich auch sonst keine Menschenseele. Und der achtet nicht auf mich und kümmert sich auch nicht groß. Also mein Gefährt vor der Lücke platziert und dahinter Aufstellung genommen. Gut, der Platz hat nur einen geringen Wohlfühlfaktor. Müll, eine alte Matratze und Spritzen lassen jetzt eher darauf schließen, dass der Platz in der Regel von einer anderen Spezies heimgesucht wird als von Eisenbahnfotografen, aber die paar Minuten werd ich’s aushalten. Erst recht da mittlerweile Bewegung in die Sache auf den Schienen kommt. Denn während die TEP70 von GoRail langsam umsetzt und zu meiner Freude direkt vor mir zum Stehen kommt, ist weiter hinten im Bahnhof die TEP70BS der RZD mit dem Schnellzug angekommen. Nun kann es nur mehr wenige Augenblicke dauern bis sich beide vor mir aufstellen. Soweit so gut, wäre da nur nicht der 2 m hohe Zaun vor mir. Aber mit langen Armen und Auslösen auf Verdacht werde ich auch den überwinden. Mehr nervt, dass der Russendiesel einfach nicht vom Zug absetzen will. *grmbl* Was machen die da? Minuten lang steht man da, ohne dass sich was bewegt, dann der obligatorische Rangierpfiff, wieder nichts, ein Lokführer der aus seinem Führerstand klettert und mit zur Kupplung am ersten Wagen schaut, zurück und wieder der Pfiff, und wieder nichts. Knapp zehn Minuten geht das so, während ich, mittlerweile abgehockt, darauf warte endlich ein Bild machen zu können. Der Spaziergänger der gerade die Lücke passiert und der mich hinter meinem Auto in Hockstellung verharrend sieht, macht sich wohl so seine ganz eigenen Gedanken was ich da treibe. *grins* Vielleicht auch gut so! *lach* Endlich rollt die RZD Lok an und rollt vor auf meine Position.




Nach einer gefühlten Ewigkeit rollt TEP70BS-177 endlich vom Zug und ins Bahnhofsvorfeld. Ich bin ja sowieso ein Fan des neuen Farbkonzepts der RZD, aber diese Baureihe, find ich zumindest, profitiert optisch extrem von der neuen Lackierung.






Aufstellung der Zugloks. Während TEP70BS-177 der RZD den Zug aus Russland herüber gebracht hat, wird TEP70-0237 von GoRail ihn von hier bis in die estnische Hauptstadt bringen.





Zugegeben, mir sind schon bessere Fotos gelungen. Aber dafür dass ich hinter einem hohen Metallzaun stehe und mit ausgestreckten Armen fotografieren muss, ohne Chance etwas anzuvisieren oder gar einzustellen, kann man sie gelten lassen glaub ich. Jetzt aber los, denn als ich so in Hockposition da gesessen bin, habe ich etwas zu Tage gefördert. NEIN, nicht das was der vorbei laufende Spaziergänger vermutet hat, sondern einen Plan wie weiter. Vorne im Bahnhof, in der Nähe des Steges stehen drei 1500er der EVR, und eine davon wird gerade aufgerüstet, wie das mittlerweile so schön heißt. Lässt also die Vermutung zu, dass da in „nächster“ Zeit ein Güterzug abfahren wird. Ob nun einer übernommen wird, der im weiter westlich liegenden Güterbahnhof schon bereit steht oder einer frisch aus Russland herüber kommt, das ist die Frage. Bei Variante zwei ergäbe sich evtl. die Möglichkeit einen weiteren RZD Diesel, diesmal vermutlich eine 2TE116 Spielart, zu erlegen. Allerdings kann auch Variante eins in Frage kommen oder dem Lokführer war nur langweilig oder er ist so pflichtbewusst dass er seine Maschine bereits drei Stunden vor dem Einsatz für diesen bereit macht…… Also, kurz und gut, das Warten auf dieses Vielleicht ist mir zu unsicher! Bleibt die Alternative „raus fahren an die Strecke und versuchen den Schnellzug nochmal zu erwischen, diesmal wieder mit GoRail vorne dran“. Und wenn dann dabei auch noch ein Güterzug hinterher kommt, werd ich mich nicht beschweren.

So lasse ich die drei 1500er auch links liegen und mache mich aus dem Staub. Lange zieht sich die Ortsdurchfahrt von Narva dahin und das ich dann auch noch die richtige Abzweigung verpasse und an der nächst folgenden deshalb eine Ehrenrunde drehen muss, lässt mein Vorhaben nochmal so richtig spannend werden. Und so kommt es am folgenden Bahnübergang auch zu einem fast punktgenauen Dreiergipfel. Regio rechts in der Ausweiche, Schnellzug von links im Anmarsch und ich gerade noch so vor dem Lichtzeichen über den BÜ und Aufstellung genommen.




Vor 40 Minuten hat TEP70-0237 von GoRail den Schnellzug aus Moskau von ihrer russischen Schwester im Grenzbahnhof von Narva übernommen.






Gleich wird sie den Betriebsbahnhof von Auvere durcheilen, in dem der Regio nach Narva auf die Kreuzung wartet.






Kaum ist der Schnellzug durch, man sieht am Ende der Geraden noch den letzten Wagen, setzt sich der Region auch wieder in Bewegung.












Das war ja mal wieder Maßarbeit, nich! Zwei, drei Minuten später und mir wäre nur mehr die Rolle als Zuschauer geblieben. Sooo, watt nu? Recht viel weiter nach Westen fahren bringt es vermutlich wegen des Wetters nicht. Und war da nicht was mit einem möglichen Güterzug von Narva her? Also bleib ich da. Mal wieder Auto ausrichten, Buch raus holen und lesen. Dieser „baltische Bahnübergang“ ist ebenso gut wie jeder andere. Da kann man getrost erstmal hier warten.

Nur gelegentlich wird der Sonnenschein durch kurze Wolkenfelder gestört, ansonsten leuchtet das Grün um mich herum beständig. So auch als nach einigem Warten die klappende Weiche hinter mir signalisiert, gleich bewegt sich wieder was auf den Schienen. Die Frage ist nur, was und von wo? Ich in meinem unerschütterlichen Optimismus gehe natürlich gleich davon aus, es kann sich nur um den Güterzug handeln, für den die 1500er heute Vormittag in Narva hergerichtet wurde. Wäre auch gut, denn für Züge aus Westen passt das Licht mittlerweile nun gar nicht mehr. Prompt gehen die Signale gen Rakvere auf grün. So weit so gut! Dann tauchen Lichter aus Richtung Narva auf. Auch gut, sehr gut sogar! Und ist das nicht rot, was da auf mich zu kommt? NEIN, es ist orange! *meno* „Ach nö“, entfährt es mir, „nicht schon wieder ein Flirt!“ Und kaum ist es raus, da will ich es auch schon wieder runter schlucken. Denn so viel Undankbarkeit hat bestimmt Folgen. Und wirklich, kaum ist der Zug in Schussweite, schiebt sich eine dicke Wolkenbank vor die Sonne und es wird von jetzt auf gleich dunkel. Und das ändert sich auch nicht bis wenig später der erwartete bzw. erhoffte Güterzug anrollt! So ein Mist! Man sollte halt immer mit dem zufrieden sein was kommt und keine übertriebenen Ansprüche stellen. Sowas wird sofort bestraft wie man sieht!




Den ersten reinen Kesselzug den ich in den bisherigen Tagen sehe hat hier 1501 am Haken.






Und wieder läuft die Maschine mit der langen Schnauze voraus! Hm….






Blick auf die russischen Kesselwagen.





Das war ja jetzt mal a bisserle doof! Ich mein, es rollt schon eh nicht viel. Und wenn dann dass, was unterwegs ist, Anstalten macht mit dem Hintergrund zu verschmelzen, dann ist das gelinde gesagt, sub-optimal. Hinterher? Nein, die Chancen den Zug nochmal abzupassen sind zu gering. Zudem wird ja weiter westlich das Wetter nicht besser. Obwohl, da hinten zeigt sich ein hellerer Streifen. Mal in die Karte schauen. Da gibt es einmal einen landestypischen „Wald-Bahnübergang“ und einmal den Bahnhof von Vaivara. Zwei dort abgehende Strecken die sehr nach Werksbahnen ausschauen, könnten ja durchaus für Betrieb sorgen. Denn zumindest der Zweig in Richtung des Hafens von Sillamae sah heute Morgen durchaus so aus als werde er regelmäßig befahren. Erst aber mal muss ich tanken. Das wird gleich am Ortsrand von Sillamae erledigt. Hier an der Tankstelle herrscht reger Andrang. Und als ich dann endlich an der Säule stehe und den Schlauch versenkt habe, kommt der große Aha-Effekt: Läuft nix! Vielleicht hat die Gutste an der Kasse die Säule nach meinem Vorgänger noch nicht entsperrt, also warte ich und versuche es nochmal. Nichts! Säule kaputt? Bei der nächsten angestellt und gewartet, rangefahren und? Dasselbe! Hm, endgültig stutzig werd ich, als an meiner ursprünglichen Säule ein etwas schräg aussehender Vogel tankt! Warum mir wichtig ist zu erwähnen dass der schräg aussah? Ich komm gleich nochmal darauf zurück. Jetzt beobachte ich erst einmal die anderen. Jeder der tanken will, verschwindet zuerst im Laden, kommt nach einer Minute wieder raus und zapft fröhlich Sprit. Also geh ich doch auch mal rein, stell mich an und sage dann der netten Dame hinter dem Tresen, dass ich auch gerne etwas von ihrem Benzin ab hätte. Schnell zwei-, dreimal auf den Bildschirm vor ihr getippt und schon geht’s. Aah! Man muss sich hier die Säule also frei geben lassen! Muss man erstmal wissen! War übrigens die einzige Tanke auf meinem Trip wo das nötig war. Ob es an der gleich nebenan verlaufenden Hauptstraße gen Russland und etwaig dort reisenden „Tanktouristen“ liegt, die gerne mal vergessen zu zahlen, weiß ich nicht. Auffällig war es aber schon.

Fertig mit dem Auffüllen der Kraftstoffreserven betrete ich wieder das Geschäft, noch kalte Getränke gekrallt und was zu knabbern, dann steh ich an der Kasse. Und siehe da, vor mir der schräge Typ von eben. Also recht „ansprechend“ sieht er nicht gerade aus und auch seine Art und Weise zu zahlen ist eher, wie soll ich sagen, unkonventionell. Er hat nämlich einen Stoffbeutel auf der Theke abgelegt und jetzt zählt er, darin herumkramend, den vollen Betrag in 20 und 50 Cent Münzen ab. Und auf seiner Rechnung stehen, neben Benzin für’s Auto, auch drei kurze Klare und eine Flasche Whiskey. Das zieht sich dann schon mal ein bisschen bis man das in kleinen Münzen raus hat. Die Dame hinter dem Tresen schickt Augen rollend Blicke zum Himmel, muss sich aber auf die langwierige Prozedur einlassen, was sie auch durchaus geduldig tut. Ich frage mich derweil, wo um alles in der Welt man so viele Münzen her haben kann. Denn um es klar zu stellen, der Beutel ist noch lang nicht leer, als er schwer behangen von dannen zieht. Als ich dann endlich an der Reihe bin kann ich mir den kleinen Gag nicht verkneifen, der Kassiererin mitzuteilen, sie bräuchte keine Angst haben, ich würde mit Scheinen zahlen. Eine Bemerkung die ein amüsiertes Grinsen hervorzaubert.

Die Hauptstraße querend mach ich mich nun auf den Weg nach Vaivara. Und es hat sich rentiert. Meine Spekulation geht auf. Hier, vor dem Kesselzug den 1501 am Haken hatte, steht TEM TMX 033 der Sillamäe Sadam, also von der Anschlussbahn des Hafenbetreibers. Die 1501 selbst hat schon auf die andere Seite umgesetzt. Egal, wenn die jetzt leer zurück fährt, dann hol ich sie eh nicht mehr ein. Also wende ich mich ausschließlich der TEM zu. Ein ausgesprochen blöder Plan, sollte doch die 1501 einige Zeit später mit einem Zug aus Schüttgutwagen wieder gen Narva brummen. Schön in der Sonne und von mir erst bemerkt, als sich die Wagenschlange in Bewegung gesetzt hat. Eigentor würde ich sagen, die Rangiertätigkeiten des Ami-Diesels nicht zu beobachten. Aber wie gesagt, ich konzentriere mich ganz allein auf die TEM und warte, auf der Rampe der abgebauten Brücke sitzende, darauf, dass sich die Maschine samt Zug in Richtung Hafen in Bewegung setzt. Doch nichts passiert und das macht mich kirre! Wieder scheint es an den Bremsen zu klemmen, denn einige Male ertönt der Achtungspfiff, dann hört man Luft abblasen und gut ist. So geht das Minute um Minute bis es endlich soweit ist und die Wolkenbank sich vor die Sonne schiebt. Merde, wie der Franzose sagt! Etwas angenervt sitzt ich nun hier oben auf meinem Feldherrenhügel und schaue zu wie die Landschaft um mich herum in trübes Grau versinkt. Nur hinten am Horizont, ungefähr dort wo Narva ist, da ist es noch blau. Also gibt es nur eins, schnell runter zum Bahnhof, das nächste kleine Wolkenloch ausgenutzt, die TEM fotografiert und dann zurück nach Narva. Dort habe ich zwar keine Stelle und auch nicht wirklich einen Plan, aber besser wie hier doof rum zu sitzen ist es alle mal.




Blick der Länge nach in den Bahnhof von Vaivara mit der TEM TMX 033 von Sillamäe Sadam. Ja und mit der 1501, die ich aus mir jetzt unerfindlichen Gründen irgendwie ignoriert habe.





Ich habe diesen Winkel für das Bild gewählt, da mir für einen Schuss von der Seite die rechts sichtbaren blauen Wagen im Weg stehen. Ach ne, halt! Jetzt setzen sie sich mit einem Ruck langsam in Bewegung. Hey, super! Äh, ne….. gar nicht super! Voll blöd! Erst jetzt realisiere ich, dass sich 1501 mit der Leergarnitur wieder auf dem Weg nach Narva macht! In der Sonne versteht sich!

Gerade hab ich anscheinend keinen guten Lauf. Schnell noch ein zweites Bild von der TEM gemacht, dann geht’s hinter der 1501 her. Kurz vor dem Stadtgebiet von Narva gibt es noch einen Bahnübergang, vielleicht hab ich sie bis dahin eingeholt. Vorausgesetzt ich finde die richtige Zufahrt.




Nochmal ein Blick auf die TEM TMX 033 mit ihren aus Russland kommenden Kesselzug, den sie in den nahegelegenen Hafen ziehen wird.





Wie geht nun der Versuch aus, die 1501 nochmal zu erwischen? Naja, ich hab die richtige Abzweigung gefunden und war auch rechtzeitig am Bahnübergang. Nur ging es mir auf der ganzen Strecke wie Hase und Igel: „Ich bin schon da!“ Wenigstens konnten das die Wolken sagen. Auf der kompletten Fahrt hatte ich stets eine sonnenbeschienene Landschaft vor mir, während ich selber im Schatten unterwegs war. Die Wolkenbank zog also brav und im selben Tempo mit. Sowas kann frustrieren sein. Das wars dann halt auch mit einem Bild mit Licht und der 1501 mit kurzer Schnauze voraus. Und das DuBi kann man wegen überstrahltem Himmel auch nicht wirklich herzeigen.

Was bleibt also am Ende des Tages? Eine Rundfahrt durch Narva, über alte, ausgedehnte Industrieanschlüsse, die mit Ausnahme eines einzigen Gleises nicht mehr genutzt werden, hinüber über die Straßenbrücke am Ende des Güterbahnhofs, die ggf. als Fotopunkt für ankommende Güterzüge aus Russland dienen könnte, wobei ich mir immer noch nicht sicher bin, wie man in dem Fall auf einen hier rum stehenden Fotografen reagieren würde, und wieder hinaus aus der Stadt mit Fahrtrichtung Westen. Ziel: Rakvere! Irgendwie ist jetzt der Stecker gezogen für heute. Personenzüge stehen keine mehr an, weiter westlich ist es grau in grau und auch der Bahnhof von Rakvere bietet heute keine Überraschung mehr. Hier hat es allem Anschein nach auch ordentlich geregnet und gestürmt. Wenigstens lassen die großen Wasserlachen auf den Straßen und die abgerissenen Zweige diese Vermutung zu.

Abendessen gibt es wieder im Hotel, anschließend geht’s aufs Zimmer. Mails durchschauen, Wetterprognose für morgen kucken, etwas planen, lesen und dabei den grand prix de eurovision laufen lassen, mit estnischen Kommentaren und estnischen Untertiteln mit Übersetzung der Texte. Ob wohl dort im Saal einige bekannte und für ihre ESC-Liebe berüchtigte Eisenbahnfreunde tapfer das deutsche Fähnlein schwingen oder gerade dabei sind, sich mit Fangruppen anderer Nationen aktiv zu verbrüdern? Vielleicht wird man es lesen.

Ich klinke mich nach dem deutschen Titel aus, schließe die Augen und träume mich in einen neuen Tag. Wiedermal soll es in Richtung Narva schön sein, also werde ich wohl wiedermal in Richtung Narva fahren. Und hier hab ich auch schon eine Stelle! Die Brücke in Vaivara!

Gute Nacht!