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Tere tulemast Eesti - Teil 1

Von

Mittwoch, 11.05.2016

Es ist wie es immer ist, eine eilige Anfrage da, ein Problem dort, und dann noch ein Auftrag der ganz schnell gemacht werden muss. So wird es wieder nichts mit dem völlig entspannten Wechsel vom Schreibtisch zum Flughafen. Um 19.00 Uhr solls nach Frankfurt gehen, und von dort, nach einer Umsteigezeit von 50 Minuten, weiter nach Tallinn.
Estland! Schon lange auf dem berühmt, berüchtigten Zettel, nun endlich in Arbeit. Und das als Einzelgänger, denn ich konnte keinen aus der Truppe so wirklich begeistern. Den Meisterfotografen fehlt einfach das Ambiente. Keine Bergpanoramen im Hintergrund, keine tief eingeschnittenen Täler mit der Möglichkeit einen Steilhang zu erklimmen und kein Schloss Neuschwanstein im Blickfeld! Mit einem Wort: langweilig!

Gut, zugegeben, die Landschaft ist andernorts spektakulärer. Aber auch Wälder können ihren Reiz haben und über die Fahrzeuge brauchen wir ja nicht zu reden, oder? Zugegeben, dass es auch hier "flirtet" ist ein kleiner Wermutstropfen. Und das eine Sorte Amidiesel bereits aufs Abstellgleis geschoben worden ist, ist auch nicht prickelnd. Aber umso mehr ein Grund den verbliebenen aufzulauern.

Eigentlich will ich schon seit einigen Jahren mal diesem Teil des Baltikums einen Besuch abstatten. Einzig, es kam immer irgendein anderes spannendes Reiseziel dazwischen, oder die Zeit war schlicht und ergreifend nicht da. Also jetzt oder nie!

Mittlerweile bin ich am Flughafen angekommen, noch zwei Stunden, dann geht der Flieger. Alles easy also. Trotz ausgiebiger Sicherheitskontrolle bei der mein Fotorücksack mal wieder besonderes Interesse findet und sogar auf Sprengstoff untersucht wird, reicht es noch für eine schnelle Wurst mit Breze. Es gibt erst zwischen Frankfurt und Tallinn was zwischen die Zähne, und dann ist auch die Frage, was!

Gerade kaue ich den letzten Zipfel der Wurst, da rappelt mein Handy. SMS von der Lufthansa, wie fürsorglich. Sicher das übliche, nämlich das mein Flug LH119 nach Frankfurt gleich zum Einsteigen bereit ist. Mit halben Auge lese ich: "Ihr Flug LH119 nach Frankfurt wurde annulliert!" O.k., passt, immer diese Hinweise, ich wäre ja eh gleich zu boarding gega.... WAAAAS.... erst jetzt dämmert es mir! Annulliert? Ich lese weiter: "Ihr Anschlussflug nach Tallinn wird dadurch verpasst! Bitte melden sie sich für weitere Informationen im Servicecenter!" Naaaa prima! Im Geiste sehe ich mich schon im Kempinski an der Bar sitzen und auf den ersten Urlaubstag in München anstoßen. Und dass wo laut Wetterbeschiss der Donnerstag der Tag hätte werden sollen, der die meiste Sonne bietet. Zudem hab ich Hotel und Mietwagen gebucht. Da bin ich jetzt mal gespannt. Aber egal, irgendwie wird’s werden. Muss man halt auch mal mitgemacht haben.

Im Servicecenter ist gut was los, darum heißt es warten. Als ich endlich dran bin, ist die Dame die sich meiner an nehmen wollte flux wieder entfleucht und hilft einer anderen überforderten Kollegin. Nett, aber ich will bitte auch. Kaum am Platz, schwimmt die Dame am Counter daneben, und mein Engel für alles entschwindet erneut. So, endlich bin ich dran: "Wohin?", "Tallinn über Frankfurt!", "Ahja, hm, ich schau mal!..........Ich könnte sie da mal über Helsinki....", nach Helsinki wollt ich schon lange, aber nicht so *grins*, "...aber irgendwie kann ich sie hier nicht einbuchen! Ich glaub sie müssen zu meiner Kollegin da drüben!"…. "Aha!"

Pflichtschuldig wandere ich fünf Schalter weiter, warte wieder geduldig, und haben nun gleich zwei nette Damen die sich um mich kümmern: "Wohin?", "Tallinn!", "Ach sie sind der Herrn nach Tallinn!", man kennt mich *wunder* , "Ja, sie haben wir schon umgebucht!", "Aha, das ist ja schön! Und wie!", "Sie fliegen in einer Stunde direkt mit Air Adria und kommen gut zwanzig Minuten eher in Tallinn an!" *freu* "Ja das nenn ich doch mal eine positive Überraschung! Find ich gut!" *grins* "Was war eigentlich mit dem anderen Flieger?", "Nicht flugfähig. Darum das kurzfristige canceln.", "Gut für mich! Ich glaube ich bin der einzige Gewinner bei diesem Malheur!", "Das glauben wir auch!". Mit neuer Boardkarte schleiche ich von dannen und stelle mir die Frage, was jetzt? Essen! Ich hab Zeit und ich habe trotz Wurst von gerade immer noch Hunger!

Gute Entscheidung! Denn hier im Flieger gibt‘s Essen und Getränke nur gegen Bezahlung. Eigentlich ein Unding, hatte ich doch bei der Lufthansa das Essen dabei. Aber da ich gut gefüllt bin, mit "Rindfleisch scharf mit Gemüse und Reis", sehe ich das alles locker und lehne das Angebot dankend ab.

Eineinhalb Stunden sind es aktuell noch bis Tallinn. Zeit genug diese ersten Zeilen zu schreiben und dann mit dem nächsten Teil des Südafrikaberichts weiter zu machen. Ach ja, relaxen ist auch noch eine Idee, denn es wird heute nochmal spannend. Wie komme ich vom Flughafen zum Hotel. Zu Fuß in der Nacht mit Koffer und Fotorucksack ist es vielleicht etwas zu weit bzw. mir auch zu unsicher, mit dem Taxi zu nahe, um nicht einen Fahrer zu verärgern. Man wird sehen.

Letztendlich geht alles ganz schnell. Der Flieger landet zwar mit etwas Verspätung, aber die Wege am Flughafen Tallinn sind kurz. Mein Koffer hat‘s auch geschafft und die richtige Maschine erwischt, ein Hoch auf die Lufthansa, und der Taxifahrer nimmt‘s mit einem Schmunzeln, als er das Ziel meiner Fahrt erfährt. Dafür lass ich mich beim Bezahlen nicht lumpen, denn schließlich ist ihm wegen mir eine sicherlich lukrativere Tour durch die Lappen gegangen.


Donnerstag, 12.05.2016

Sonne drückt durch die Vorhänge als ich viel zu früh aufwache. Gut, die Zeit passt schon, denn schließlich will ich ja los, den Leihwagen holen und dann ab an die Strecke. Also schleppe ich mich ins Bad, werde beim Frühstück langsam munter und tanke beim Marsch zum Flughafen richtig Sauerstoff. So wird man fit. Die Leihwagenübergabe geht auch locker, flockig leicht von statten, ist man ja gar nicht mehr gewohnt. Kann man da nicht ein paar Chinesen mal als Praktikanten vorbei schicken, damit die mal lernen, dass der originäre Sinn einer Autovermietung ist Autos zu vermieten?!?

Bisher also alles easy, wenn nicht die Wolkenbank wäre, die genau in Richtung Zielgebiet wabert. Aber mal abwarten, noch bin ich nicht da. Als Zielpunkt hab ich mir mal Kehra ausgesucht. Warum? Weil es sich auf der Karte schön gelesen hat. Und irgendwo muss man ja schließlich anfangen, oder?

Und es scheint die richtige Entscheidung zu sein. Kaum rolle ich auf den ersten Bahnübergang zu, schon schließen sich die Schranken. Perfekt! Auto neben der Straße geparkt und raus. Zwar scheint die Sonne achsig, aber immerhin sie scheint! Und hier gibt‘s eh nur einen Nasenschuss. Was wir wohl kommen? Ein Ami, wegen denen bin ich eigentlich da, oder doch eine 2TE116? Egal, mir wäre beides recht! Doch was letztendlich am Ende der Geraden auftaucht hat mit beiden nur wenig Ähnlichkeit.....




Da fährt man extra in ein Land mit großer Eisenbahn und was kommt? Statt des erwarteten Großdiesels rollt lärmend dieses Teil heran!





Na gut, den Auftakt habe ich mir nun doch etwas anders vorgestellt. Schauen wir mal im Bahnhof. Da rangiert immerhin etwas Grünes. Was lässt sich nicht sagen, sieht aus wie ein kleinerer Russenhobel, aber ich sehe ihn nur von Ferne und komm nicht ran. Also zurück zum Bahnübergang. Und weil da die Sonne immer noch nicht stimmt, auf die Karte gekuckt und ein Stück weiter gefahren. Dort macht die Strecke eine Kurve und da gibt‘s Seitenlicht. Und Betrieb! Denn kaum bin ich da, schließen sich die Schranken und der erste richtige Zug kommt!

Nee, ich nehm alles zurück! Kein richtiger Zug, sondern nur ein Flirt...GTW....ach irgend so eine schweizer Plastikkiste halt *grins*

Na gut, besser als nichts. Mal hin zum nahen Haltepunkt und auf den Fahrplan geschaut. Upps, gleich gibt's ja hier richtig Betrieb. Ein Zug von vorne und einer von hinten. Da wollen wir uns mal aufstellen. Zwar wieder Stadlergedöns, aber in orange macht er sich doch ganz gut in der Landschaft.




1401 von Elron wird gleich Parila, einen kleinen Haltepunkt mitten im Wald, erreicht haben.





Der Gegenzug wird auch verarztet, ist aber wegen des Gegenlichts nicht ganz so sehenswert. Ich wandere noch ein bisschen weiter der Strecke entlang. Da gibt es eine kleine Erhöhung in der Kurve und dahinter sollte der Blick in eine Gerade gehen. Könnte ganz nett ausschauen.

Könnte, wenn nicht überall Gebäum wachsen würde. Einsatz für die Schere? Die liegt aber noch im Koffer! Und der liegt im Auto! Tolle Organisation! Aber jeder Gang macht schlank. Also wieder zurück zum fahrbaren Untersatz. Kaum dort angekommen kündigt tiefes Grummel hinter der Kurve Freude und eine graue Wolke Unheil an. Es kommt wie es kommen muss, der erste Ami kommt aus dem Licht. Nein, käme aus dem Licht, wenn denn irgendetwas Licht ähnliches da wäre! Leise Flüche verlassen meinen Mund! Muss ich erwähnen, dass die letzten Wagen des gemischten Güterzuges bereits wieder im vollen Sonnenschein an mir vorbei rollen? NEIN, oder?

Gut, auch wenn‘s jetzt nur zu einem DuBi gereicht hat, immerhin es rollt was. In bester Hoffnung mache ich mich auf den Weg zum angedachten Platz. Dort aber die Erkenntnis, mit etwas Freischnitt ist es hier nicht getan. Ich müsste reihenweise Büsche umlegen, was mir aus tiefsten Herzen widerstrebt. Von weitem hatte das deutlich besser ausgesehen. Dann mal wieder zurück das Ganze und weiter vorne aufgestellt. Weniger toll, aber immerhin Bewuchs frei.

Allerdings wolkt es immer mehr am Himmel. Und auch wenn nichts kommt, nervt es doch. In Richtung Tallinn sieht es deutlich besser aus und so mache ich mich nach langem Zögern etwas angefressen dorthin auf. In Rasik scheint bei meiner Ankunft noch die Sonne, dann zieht es auch hier zu. So ein Mist! Immer da wo ich bin wolkt es am heftigsten! Einbildung? Ich weiß ja nicht. Also weiter nach Kulli. Hübscher Name. Dort neben dem Haltepunkt steht ein nettes Holzhaus und über mir am Himmel, zieht es schon wieder zu! Meno, Freitag der 13. ist doch erst morgen! Und so geht auch die erste Stadler Büchse nur im Halblicht, dafür reißt es als endlich eine richtige Eisenbahn kommt richtig auf.




Zwar nur eine Alleinfahrt und dann noch lange Schnauze voraus, trotzdem freue ich mich, dass ich mit 1533 den ersten Diesel bei Sonne im Kasten habe.





Blick in den Fahrplan: Jetzt müsste eigentlich bald der Schnellzug aus Moskau/St. Petersburg kommen. Schnell mal die Durchfahrtszeit überschlagen, an den Himmel gekuckt, könnte passen. Doch entweder habe ich falsch gerechnet oder er lässt sich Zeit. Unruhig tigere ich am Bahnübergang hin und her bis es endlich bimmelt. Aber halt, aus Tallinn kommt ein Güterzug. Also weg vom Bahnübergang und für die andere Richtung aufgestellt. Wie jetzt? Ja, ich weiß im Nachhinein auch nicht welcher Teufel mich geritten hat. Irgendwie habe ich mich von der Euphoriewelle hinwegtragen lassen oder ich habe einfach einen Aussetzer gehabt. Denn fast bin ich nach 250 m Vollsprint am Punkt für den Güterzug, macht mir das helle Pfeifen eines Turboladers klar, was für einen Bockmist ich gebaut habe. Trotz schneller Kehrtwende und Sprint zurück, es reicht nur mehr für einen Querschuss! *uäääääh*




TEP70-0237 vor dem Schnellzug Moskau/St. Petersburg - Tallinn.





Reife Leistung! Den einen 100% versemmelt und für den anderen stehe ich falsch. Nochmal ein beherzter Antritt doch es hilft nichts. Ich wäre zwar da gewesen, doch Freundin Sonne hatte sich beim Anblick des Trauerspiels glatt verzogen. Frei nach dem Motto: Wenn der sich so doof anstellt, dann mag ich auch nicht mehr! Ergebnis der ganzen Aktion: Ein Halbbild und ein Dunkelbild. Ich könnte heulen!

Erst im Nachhinein muss ich sagen, eigentlich stand ich ja doch ganz gut. Denn aus dem ursprünglich angedachten spitzen Winkel wäre der an diesem Tag ausnahmsweise eingereihte blaue Wagen der EVR gar nicht so gut zur Geltung gekommen. Wie meint mein lieb Mütterlein doch immer so weise: „Selten ein Schaden, wo nicht ein Nutzen dabei ist!“

Im Moment bin ich aber noch „leicht“ angefressen. Da hilft nur ausdampfen und auf die nächsten Züge warten. Die kommen dann auch eine gute halbe Stunde später. Einmal Stadler von rechts und dann von links ein absolutes Leckerli.




Als Zug 417 verlässt der heute schon mal gesehene 1401 von Elron den Haltepunkt von Kulli und macht sich wieder auf den Weg zurück nach Tallinn.





Kaum ist die Stadler Kiste vorbei, kommt laut trötend ChME3T-7459 mit einem Messwagen vorbei gerollt. Ein Glückstreffer, ist sie doch die einzige der Unterart "T" bei Edelaraudtee.





Hui, langsam kommt ja Schwung in die Sache. Die Züge rollen, wenn auch nur Stadler, der Himmel klärt sich immer mehr auf, fehlen nur noch die Güterzüge.




Blick auf's Holzhaus mit angeschlossener Infrastruktur.





Idyll am Rande der Strecke.





Dann das Ganze wieder als Hintergrund für Stadler Produkte. Einmal mit 2404 die Dieselvariante in vierteilig,...





...dann mit 2318 als Dreiteiler.





Jaja, alles wunderbar, doch das Brummen eines schweren Diesels fehlt! Wo bitte schön bleibt der nächste Güterzug? Zwar schließen sich mit einsetzender HVZ immer öfter die Schranken, so richtig Freude bringt dies aber nicht. Neuer Hafen, verfallende Ölpreise und EU-Sanktionen scheinen doch deutliche Spuren zu hinterlassen.

Immerhin habe ich Zeit herum zu knobeln, wo sich der bald anstehende Schnellzug nach Moskau am besten umsetzen lässt. Das Problem ist halt, der fährt nach Osten. Lichttechnisch optimal ist was anderes. Am ehesten sollte es noch im nahen Bahnhof von Lagedi gehen, drum mach ich mich nun auch dahin auf.




Zwar mit Frontschatten, dafür aber mit Löwenzahnwiese im Vordergrund. immerhin! *zwinker* Auch die Bespannung des Schnellzugs 34 nach Moskau hat an diesem Tag TEP70-0237 übernommen.





So, und nu? Schon zur Unterkunft in Rakvere fahren? Nein, erst mal in Tapa ein bisschen umschauen. Mittlerweile ist auch im Osten der Himmel wie leergefegt. Gemütlich geht's dahin, der Tempomat übernimmt das Gas geben, im Radio spielt Retro FM die tollsten Lieder aus den 80ern und 90ern, jetzt noch was zum Trinken, und natürlich noch ein Güterzug, und der Tag wäre in der zweiten Hälfte nahezu perfekt.

In Tapa selber sieht es traurig aus. Der Rangierbahnhof fast leer und die einzigen beiden Maschinen sind die Denkmallok und der Cmelak mit seinem Messwagen. Also mal zum Bw geschaut. Dort stehen sie Reihenweise, Cmelaks in EVR-Rot und Vertreter der bereits abgestellten C30 und der noch aktiven C36. Ein Zeichen mehr dafür, dass es auf Estlands Schienen mittlerweile deutlich ruhiger geworden ist. Ein paar Belegbilder über den Zaun, dann geht's, nach einem Einkauf, gleich hinter Tapa an die Strecke nach Narva.




Auch in Estland sind sie heimisch, die Hummeln aus der ehemaligen Tschechoslowakei. Mit ChME3-1328 steht hier eine Vertreterin dieser Gattung auf dem Werkstattgelände in Tapa.






Zum Aufnahmezeitpunkt bereits komplett abgestellt sind die Maschinen der Unterbauart C30-7Ai. Um gut 800 PS schwächer wie ihre Kolleginnen der Reihe C36-7i, sind sie für den Betrieb entbehrlich geworden. So stehen auch 1561 und 1566 auf einem Nebengleis in der Werkstätte von Tapa und warten auf bessere Zeiten.






Ein gutes Stündchen geb ich mir, bevor es in Richtung Rakvere und Hotel gehen soll, ohne groß Hoffnung zu haben, dass sich etwas blicken lässt. Doch siehe da, Optimismus wird manchmal auch belohnt. Keine dreiviertel Stunde später hämmert es vernehmlich hinter dem Brechpunkt der Steigung und kurz darauf rollt ein Ami mit einem Nahgüterzug langsam das Gefälle herunter.




1503 hat die Steigung überwunden und rollt nun mit ihrem Güterzug hinunter nach Tapa. Statt des wuchtigen Motorklangs füllt nun der Gestank der Bremsen die Luft.





Das hat sich ja mal rentiert. Dieser Zug im schönsten Abendlicht. Nochmal eine halbe Stunde harre ich aus, allerdings diesmal ohne zählbaren Erfolg, dann mache ich mich auf den Weg nach Rakvere zu meiner Unterkunft für die nächsten vier Nächte. Eigentlich ist die Lichtstimmung zu schade um jetzt schon Schluss zu machen, aber ich muss noch einchecken. Nicht dass man im Hotel noch meint ich komme nicht und dann hab ich ein Problem. Außerdem wäre etwas richtiges zum Essen zu bekommen auch nicht schlecht. Sprich, es heißt tapfer bleiben!

Und prompt wird meine Entschlusskraft auf die Probe gestellt. Als ich nämlich in Rakvere über die Brücke rolle, verrät der obligatorische Bahnhofsblick, da drin steht ein Güterzug. Also Navi ignoriert und über Nebenstraßen dorthin vorgekämpft.




Mit laufenden Motor wartet 1533 auf die Weiterfahrt.





Siehe da, der Solo-Fahrer von heute Nachmittag. Also ging‘s nach Narva um einen Kesselzug abzuholen. Laufender Motor, Lokführer auf der Maschine, sieht nach Warten auf einen Gegenzug aus. Ach ja richtig, gleich kreuzen ja hier die beiden Personenzüge von und nach Narva. Sofort fallen mir ein paar Stellen ein die ich bei der Herfahrt gesehen habe.

Aber ich muss weiter ins Hotel. Es hilft ja nix. Also schweren Herzens Kamera beiseite gelegt und ohne weitere Verzögerung los. Gut, für ein Bild der Burgruine hab ich dann doch nochmal angehalten.




Mitte des 13.Jahrhunderts baute der Dänische König die erste Befestigung auf einem Hügelzug im heutigen Rakvere. Im Jahre 1346 wurde diese, wie das gesamte livländisches Herrschaftsgebiet, von den Dänen an den Deutschen Orden veräußert. Bald danach begann der Orden, die Burg als Sitz eines Vogtes auszubauen. Am Ende des Livländischen Krieges (1558–1581) besetzten schließlich die Russen die Burg und behielten sie bis Mitte des 18.Jahrhunderts. Danach wurde sie, stark beschädigt, aufgegeben und von den Einwohnern Rakveres als Steinbruch genutzt.





Das Hotel liegt versteckt in einem Park, so dass bei der Anfahrt ein zweiter Versuch nötig war. Einchecken ist ganz easy, Abendessen gab's, frisch zubereitet, in der Bar, da im Restaurant eine geschlossene Gesellschaft tagte, mit Gesang und Tanz.

Jetzt liege ich ziemlich zerschossen im Bett und überlege was der morgige Tag so bringen wird. Mehr Verkehr? Glaub ich nicht! Wohl eher deutlich weniger, denn ich will mich an die Strecke nach Narva stellen, da fällt der S-Bahnverkehr von Tallinn her schon mal weg. Und nach den Erfahrungen von heute mag ich auf regen Güterverkehr gar nicht erst hoffen.