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Sommer am Kap - Teil 4

Von

Donnerstag, 28.01.2016


Normal ist ja das Schöne an einer Tour im Januar, dass sie ganz gemütlich und entspannt abläuft. Man muss erst spät raus, es wird früh dunkel, die Abende sind lang, ebenso wie die Nächte.

Blöd nur, wenn man sich als Reiseziel ein Land aussucht in dem Sommer ist! Da treffen halt all diese Attribute nicht zu. Noch blöder, wenn dieses Land auch eines mit hohem Wohlfühlwert in den Übernachtungsstätten und bei der Gastronomie ist. Dann wird’s richtig mühsam.

So wie heute, wo wir ganz entspannt in der morgendlichen Sonne auf der Terrasse sitzen, das Frühstück und die Wärme genießen und eigentlich so gar keinen Antrieb haben, hier schnell aufzubrechen. Daher wird es ein hin und her zwischen Hirn „los, los, los, es eilt, wir müssen….“ und Seele „ach komm, jetzt erst nochmal gemütlich einen Toast holen, die Beine unterm Tisch ausstrecken und in die Bucht schauen….“.

Zögerlich gewinnt das Hirn dann doch die Oberhand und wir schlendern mit schlechtem Gewissen unserem Zimmer entgegen. Die Krux an diesem Tag, und auch am kommenden, ist nämlich, dass wir wissen, dass irgendwann auf der OREX Züge fahren werden, aber nicht wann und wie viele. Und das macht die ganze Sache dann doch etwas unentspannt. Warum und wieso das so ist, erklär ich euch später.

Jetzt räum ich erstmal meine Sachen zusammen und während Nil das erledigt, was man so morgens halt erledigen muss, kann ich euch ja ein bisschen den Teil des Hotels zeigen in dem wir genächtigt haben. Und vielleicht könnt ihr dann verstehen, warum ich mir innerlich längst versprochen haben, hier nochmal her zu kommen!




Unser Zimmer liegt am Ende des Gebäudekomplexes.





Über den kleinen Pool weg, in dem man sich unter Tags gut abkühlen könnte, geht der Blick über den Ort und hinaus in die Bucht mit dem Tiefwasserhafen von Saldanha. Dort sind einige Schiffe zu erkennen, die im dortigen Erzhafen beladen werden sollen. Wenn man ganz genau hin schaut, kann man sogar noch Teile dieser Verladeeinrichtungen sehen oder erahnen. Dort befindet sich das Ende der OREX.





Blick ins Zimmer und auf den funktionsfähigen (!) Kamin. Holz dafür liegt vor den Räumen bereit. Wer es benutzen will, kann jederzeit damit ein kleines Feuerchen machen, so wurde uns am gestrigen Abend erklärt.





Im Kamin des Restaurants brannte heute Morgen übrigens auch ein lustiges Holzfeuerchen! Warum eigentlich, haben die Temperaturen doch bereits jetzt schon wieder ordentliche T-Shirt Werte erreicht.

Ich hab’s mir noch ein bisschen in der Sonne gemütlich gemacht, während ich auf den Abmarsch warte. Ganz ehrlich, ein bisschen beneide ich die Menschen, die sich rund herum für einen gemütlichen Urlaubstag fertig machen, schon! *lächel* Aber ich will es ja nicht anders! Oder doch? Neeee, nicht wirklich! Wenigstens nicht im Moment.

Und so verfalle ich auch gleich mit in den Geschwindschritt, als wir zum Auto laufen. Nil ist heute wieder mit Fahren dran, ich bin dafür die sprechende Karte. Es geht gen Norden, wobei wir mit ordentlichem Abstand erst die Bucht und dann Saldanha umfahren, dessen ausgedehnten und eindrucksvollen Industrieanlagen über die Ebene grüßen. Dann der erste Kontakt zur Eisenbahn. Es ist die Dieselstrecke von Kalbaskraal her. Unter der Brücke ein kleiner Güterbahnhof mit jeder Menge abgestellter E-Wagen. Was hier wohl laufen wird? Wäre auch mal interessant an dieser Linie ein oder zwei Tage zu verbringen. Wenn man nur mehr Zeit hätte!

Dann ist die OREX erreicht, entlang der es, mehr oder weniger nahe, im Zick-zack gen Norden geht. Immer mit dem bangen Blick, ob uns nicht etwas entgegen kommt. Denn das wäre fatal! Warum? Na vielleicht sollte ich mal die Fahrzeit die vor uns liegt nutzen und, für alle die, die noch nichts von der Strecke wissen, etwas über die Linie erzählen.

Die OREX ist eine 861 km lange Erzbahn, die 1973-76 gebaut, die Verbindung herstellt zwischen den Minen rund um Sishen und dem Tiefwasserhafen von Saldanha. Das alleine macht sie aber noch nicht unbedingt speziell. Vielmehr sind dies zwei andere Besonderheiten. Erstens ist die Strecke mit 50kV / 50Hz elektrifiziert und damit eine der wenigen Bahnen mit einer solchen oder vergleichbaren Spannung auf der ganzen Welt. Zweitens fahren auf ihr Züge mit einem Gesamtgewicht von über 41.000 Tonnen! Und damit toppt sie die coal-line im Osten Südafrikas locker nochmal um knappe 20.000 Tonnen! Die Züge bestehen aus drei Blöcken mit jeweils einer oder mehreren Loks vor jedem Block und einer oder mehrerer Maschinen am Zugende. Gesteuert wird das Ganze von nur einem Lokführer in der vordersten Maschine. Von dort werden die Befehle an die jeweiligen Loks oder Lokpakete der Blöcke per Funk weitergegeben. Sind es Lokpakete, übermittelt die erste Lok die Daten per Kabel an die dahinter laufenden.

In früheren Jahren bestanden die Züge so meist aus 1x9E/2x34er/Erzwagen+1x9E/2x34er/Erzwagen+1x9E/2x34/Erzwagen+9E oder 2x34 am Zugschluss. Heute, nach der verstärkten Anlieferung der neuen Reihen 15E und 43 hat sich das Bild bei der Fahrzeugstellung deutlich verändert. Die größere Leistung der beiden Reihen machen weniger Maschinen notwendig.
Es wurde und wird in gemischter Traktion gefahren. Durchaus nichts ungewöhliches in Südafrika. Sowas konnten wir vor zwei Jahren auch schon im Süden auf ganz normalen Linien beobachten. Hier auf der OREX hat es aber, neben dem sicherlich auch bestehenden Grund „zu wenig Elloks“, laut Informationen aus diversen Quellen eine andere Ursache. Bedingt durch die langen Distanzen zwischen den Einspeisungen kann es immer wieder zu Spannungsabfällen kommen. Und dann können die eingereihten Dieselloks dafür sorgen, dass der Zug ohne Behinderungen oder Einschränkungen weiter rollt. Generell sind aber immer alle Loks an der Traktion beteiligt.

Insgesamt kommt so ein Erzzug auf eine Länge von mehr als 3,7 km! Und das alles auf Kapspur (!) , wie ich nur nochmal in Erinnerung rufen möchte!!! Ein unvergleichliches Schauspiel wenn so eine endlose Schlange mit, unter dem Gewicht der Last, mahlenden Rädern, an einem vor rüber zieht!

Zwischenzeitlich hatte man sogar Versuche mit wahren Güterzugmonstern durchgeführt. Mit mehr als 70.000 Tonnen und einer Länge von dann über 7 km wohl mit das gigantischte, wenn nicht sogar DAS gigantischte, was über die Schienen dieser Welt gerollt ist. Probleme bei der Funkübertragung und einige Entgleisungen stoppten aber dieses Vorhaben.

Nun ist man dabei die Einspeisung zu verbessern und Ausweichstelle, sogenannte Loops, zusätzlich einzubauen oder bestehende zu verlegen, um die Streckendurchlässigkeit so zu erhöhen.

Streckendurchlässigkeit? Da sind wir ja schon fast beim Thema. Was fährt denn eigentlich auf dieser Strecke so? Und vor allem, wann?

Tja, das weiß keiner so genau. Außer die OREX natürlich. Und vielleicht Personen mit gaaaaanz guten Quellen. Und zu denen gehören wir definitiv nicht. Leider! Also bleibt uns nur Geduld haben, hoffen und taktieren. Und ein bisschen verzweifelt in Wahrscheinlichkeitsrechnung zu machen *grins* Na da hat sich ja mein Studium doch noch rentiert, oder? Eher nicht, denn errechnen lässt sich hier doch nur bedingt etwas.

Dann schauen wir mal! Die Sache ist die, auf der OREX fährt man nach Bedarf und generell nach jeweiliger Weltmarktlage. Viel Bedarf, guter Markt, viele Erzzüge und umgekehrt. Zur Zeit scheint die Lage eher mittelprächtig, also mittelprächtiger Verkehr. Zwischen 35 und 40 Zügen sollen es zur Zeit sein…… in der Woche!

Wollen wir rechnen: 35 bis 40 Züge in der Woche, also inkl. der Leerzüge, ergibt im Schnitt, denn es wir auch am Wochenende gefahren, 5 Erzzüge pro Tag, voll oder leer. Bei 24 Stunden, denn man fährt rund um die Uhr, ergibt dass grob alle 5 Stunden ein Zug. Dazu kommen noch Züge mit anderen Ladungen aus dem Abbaugebiet und wenn man Glück hat noch der eine oder andere aus Bitterfontain. Die gehen nämlich ab der Kreuzung der alten Dieselstrecke von Bitterfontain - Kapstadt mit der OREX auch über die Erzbahn nach Saldanha.

Also eigentlich nicht soooo schlecht, oder? Tja, eigentlich. Aber wie es halt so ist mit Wahrscheinlichkeitsrechnungen, es handelt sich immer noch um einen rein rechnerischen Wert. Das heißt, es können an einem Tag 8 Züge rollen, davon aber 4 im Dunkeln, am anderen 2 und man hätte im Schnitt trotzdem richtig gerechnet, aber nix fotografiert. Na Mahlzeit!

Dazu noch die Sache, dass man genau zu der Zeit, wo der Zug rollt, am richtigen Ort sein muss um ihn zu fotografieren oder zumindest zu sehen. Bei letzterem Fall könnte man sich richtig ärgern, wüsste aber dafür Bescheid.

Also Lotto vom Feinsten!!! Daher auch mein Abschlussgedanke gestern vorm Einschlafen.

So, nach all den Gedanken wieder zurück ins Auto. Ach, eins fehlt noch. Früher war es eigentlich recht easy, naja, vielleicht nicht easy aber wenigstens einfacher, an der OREX zu fotografieren. Entlang der Strecke führt nämlich eine Sandpiste. Dort mal droben konnte einem kein Zug entgehen. Aber wie immer im Leben, vorbei sind die „guten alten Zeiten“! Weil es dort zu einigen Vorfällen kam, hat die OREX diesen Weg einfach mal für den Verkehr gesperrt. Genauer gesagt, man kann ihn schon noch befahren, aber nur mehr mit Genehmigung der OREX. Und die haben wir nicht. An den meisten Einfahrten zur Piste sichern Kameras diesen Weg und wer ohne Genehmigung einfährt riskiert eine Strafe. An anderen Stellen stehen sogar bewachte Schranken mit Postenhäuschen daneben!


Darum rollen wir jetzt mühsam auf den mehr oder eher weniger parallel führenden öffentlichen Straßen in Richtung Elandsbaai. Und das ist nicht gerade gut für die Nerven. Übrigens auch das Gewölk am Himmel nicht. Schon kurz nach der Abfahrt stand es drohend am Horizont und nun sind wir drunter und ins Halblicht abgetaucht.

Na das kann ja was werden. Fades Motiv mit viel Mast- und Kabelsalat im Dunkeln! So stellt es sich dar, als wir von der Brücke runter schauen auf der wir uns zum ersten Mal aufstellen. Ich hab es nicht mehr ausgehalten. Irgendwas in meinem Inneren meinte, es würde gleich etwas gerollt kommen. Also an der nächsten Brücke einen vollen Stopp vollzogen, Auto geparkt und die Rampe rauf gegächt. Jetzt stehen wir da und schauen etwas missmutig ins Buschland, durch das sich die Strecke schnurgerade zieht. Das Meer im Hintergrund ist zu erahnen, aber nicht wirklich gut mit auf Bild zu bringen und das Ende der Wolkenfront zeichnet sich erst weiter nördlich, kurz vor Elandsbaai, ab. Aber die Straße dorthin verlässt nochmal richtig die Bahn und ich will nichts riskieren. „Wechsel erst nach dem nächsten Zug!“, so meine Ansage. Nil ist von der Vorstellung mäßig begeistert, und wenn ich ehrlich bin, so richtig faszinieren kann‘s mich auch nicht. Aber ich will wie gesagt nichts mehr riskieren!




Wenn schon auf der Schiene nichts rollt, kann man wenigstens den interessanten Lastverkehr auf der Sandpiste daneben aufnehmen.





Es passiert schrecklich wenig, außer dass wir immer wieder im Dunkeln stehen und dass sich die Millionen von Ameisen, die hier an und in der Brücke leben, langsam für uns interessieren. Man kann sich nicht setzen, man kann nicht richtig stehen, da kein Standstreifen da, der Ausblick ist schlecht …… und überhaupt! Aber wenn nun gerade in dem Moment, in dem wir uns verschieben ein Zug ….. ?!?! Nil blickt nicht gerade begeistert in die Ferne. Ihm gefällt’s hier mindestens eben so wenig wie mir. Und er ist, aufgrund seiner Ausrichtung, im Moment weniger leidensfähig wie ich. Ich könnte mit einem Fahrzeugbild hier leben, er halt nicht mit einem Zug in „Nicht-Landschaft“! So bekomm ich in den nächsten 20 Minuten diverse Betrachtungen und Theorien darüber zu hören, wie sicher wir da hinten an der nächsten Brücke doch Licht hätten, dass man dort sicher besser stehen kann und auch der Blick auf die Bahn mit Meer dahinter schöner wäre… „Ich weiß, ich weiß, alles ist besser als hier, aber wenn nun gerade beim Wechseln ein Zug käme! Der Super-Gau!“

„Ja, schon, aber sicher ist da hinten an der nächsten Brücke die Wolkenbank fertig und es hätte Licht, und stehen könnte man da auch besser und der Blick mit dem Meer im Hintergrund würde sicher besser…..“ „Ja, ja, ja, ist ja schon gut! Gehen wir! Aber wehe….“ „Also ich mein ja nur, wir können auch da bleiben, wenn Du……“ Da hab ich aber schon kapituliert, meinen Rucksack geschultert und stapfe gen Auto! „Na dann komm auch und schlag hier nicht Wurzeln, wenn Du schon wechseln willst!“ „Wir müssen nicht, ich hab ja nur gemeint……“ „Komm jetzt!“ …. Und wehe wenn wir jetzt einen Zug verpassen, dann dreh ich Dir den Hals um! Letzteres denke ich mir aber nur! *grins*

Wieder am Auto werden wortlos die Sachen auf die Rückbank geworfen und ab geht’s. Nil mit Blick auf die Straße und ich auf die Schienen! Alles schweigend! Dicke Luft!

Eine Straßenbaustelle vor uns bringt da auch keine wirklich Entspannung! Schön rot leuchtet uns das STOPP entgegen! *grmbl* Gerade hat es die Wärterin von Fahrt wieder auf diese Position umgedreht! *warum nur…waruuum???* Wenn wir jetzt deswegen……




Ein Anblick den wir im Moment jetzt am wenigsten brauchen können.





Viel seh ich von unserem „Standort“ nicht von der Bahn, nur den Fahrdraht über einer Düne. Doch bin ich gefasst darauf dort jeden Moment einen Stromabnehmer vorbei fahren zu sehen. Ich könnte ins Armaturenbrett beißen! Da hat die Dame vor uns ein Einsehen, dreht das STOPP wieder weg und lässt uns und unserer Vordermann noch schnell passieren! *puh*




Ob sie unsere Not erkannt hat und die Dampfwölkchen, die über meinem Kopf aufgestiegen sind.





Nil nimmt wieder ordentlich Fahrt auf. Durch einen feinen Salznebel, den die Brandung jenseits der Düne in die Luft schleudert, jagen wir hin zur nächsten Brücke. 100 m werden gefühlt zu Kilometern, Sekunden zu Minuten, da haben wir sie erreicht. Und noch nicht mal am Scheitel angekommen gebe ich Alarm! Zugfahrt!!!

Ganz am Ende der Geraden schiebt sich eine lange Schlange heran. Jetzt läuft alles wie ein Uhrwerk. Spiegelblick des Fahrers, dann Vollbremsung, raus aus dem Wagen, Rückbank, Rucksack auf, Kamera raus und ab auf die Leitplanke. Da kommt er langsam gerollt, der erste Zug des Tages!




Nicht nur Erzzüge laufen auf der OREX, auch Kohle wird dort vereinzelt transportiert. Deutlich kürzer, benötigen sie zur Traktion auch weniger Maschinen. Hier an der Spitze 15 014 und 43 088 und….






….als Mittellok 15 045.





Das war knapp! Hätte die nette Dame an der Straße nicht ein Einsehen gehabt und uns noch schnell durchgelassen, es hätte nicht gereicht.

Wir schauen dem Zug nach und lauschen auf das Aufröhren des Diesels als es in eine leichte Steigung geht. Ein Erzzug war das jetzt nicht. Viel zu kurz und die Ladung sieht auch nicht danach aus. Also mal Bilder auf dem Display kucken. Hm, schaut eher nach Kohle aus, was die da drin hatten.

Nebenbei leiste ich im Stillen Abbitte an Nil. War doch die Idee mit dem Wechseln gar nicht so verkehrt. Hier ist blauer Himmel, der Blick auch um Längen besser wie vorne, zudem kann man in beiden Richtungen gut fotografieren. Nicht schlecht, spekuliert man auf eine 9E am Zugende. Hat er mal wieder das richtige Näschen bewiesen! Aber laut sagen, nein, laut sagen würde ich das jetzt nicht. Am Ende wird er noch eingebildet *grins* So brummel ich etwas von „naja, da haben wir noch mal Glück gehabt“ und „schon ein wenig netter hier“ in meinen Dreitagebart, nicht ohne anzufügen „hätte aber auch mächtig schief gehen können“. Und so ist es ja auch. Um ein Haar wären meine Ängste nämlich wahr geworden und wir hätten beim Wechseln den Zug versemmelt!

Haben wir aber nicht, und so hellt sich die Stimmung wieder auf. Bleibt nur die Frage: „Watt nu?“ Gut stehen tut man hier nämlich auch nicht, denn die Straße ist zwar breiter, dafür kommen die LKW mit Karacho den Berg herunter gebrettert und nicht wenige Fahrer gehen langanhaltend auf die Hupe weil unser Außenspiegel 10 cm in die Fahrbahn ragt. Wechseln? Tja, ist so eine Sache. Es war ja kein Erzzug. Und wenn man Fan der 8 Stunden-Regel ist, was wir darunter verstehen erkläre ich später, dann bringt uns der Kohlezug von eben nun auch nicht weiter. Könnte ja sein, dass just in dem Moment einen Loop weiter ein Leerzug kreuzt oder man von Norden her gleich noch was hinterher schickt. Bleibt also wieder nur warten auf das was kommt. Oder eben auch nicht kommt!

Von unserem Standort können wir zwar schon den Felsen von Elandsbaai sehen, um dort aber hin zu gelangen müssen wir der Straße ins Landesinnere folgen. Und das heißt, mindestens 20 Minuten keine Streckeneinsicht. Kein guter Plan! Wir sind hin und her gerissen. Und während wir noch das Für und Wider diskutieren, passiert uns ein PET-Flaschen Sammler, der freundlich zahnlos lächelnd und einen alten Jutesack geschultert, im Straßengraben nach Beute Ausschau hält. Besagter Sack hat dabei einen deutlich größeren Durchmesser als der Körper seines Trägers.

Der Sammler ist schon längst weiter gezogen, da steht unser Entschluss fest. Wir überlassen der Sonne die Entscheidung über unseren Ortswechsel. Will meinen, wir bleiben solange hier bis etwas kommt oder bis die Sonne soweit nach Westen gezogen ist, dass nichts mehr geht. Auch nicht unbedingt ein guter Plan, aber immerhin einer, bei dem wir die Verantwortung los sind. *verlegenlächel*

Zum Parken geht es etwas den Berg hinauf. Dort oben haben wir nach beiden Seiten gute Streckensicht und können ganz gespannt das tun, was wir tun. Ich beobachte die Strecke und schaue aufs nahe Meer, Nil seinerseits schreibt den letzten Teil des China Berichts. Puh, ist jetzt auch schon wieder solange her.

Irgendwann müssen wir unseren Ausguck aber dann doch aufgeben. Es hilft nix, die Sonne ist rum. Also im Schweinsgalopp auf nach Elandsbaai, DEM Ort an dieser Strecke.

Neben seiner Eigenschaft als einer der Surfer Hotspots in Südafrika und der Tatsache, dass es aufgrund prähistorischer Funde aus den Anfängen der Menschheit immer wieder Forscher hier her zieht, lockt der kleine Ort auch Eisenbahnfotografen an. Rund um den Bobbejaansberg bieten sich so einige Blicke, wahlweise mit Meer im Hintergrund oder mit Baboon-Felsen.

Wir machen es uns direkt oberhalb des Nordportals des Bobbejaansbergs Tunnel gemütlich, soweit man es sich halt bei gut 35° C in der prallen südlichen Sonne gemütlich machen kann, und lassen den Blick schweifen.




Blick über die Bucht von Elandsbaai….






….und hinaus aufs Meer, wo sich um diese Uhrzeit keine Surfer tummeln.






Typischer südafrikanischer Personentransport. Ein wahrer Horror für deutsche Sicherheitskräfte.




Lange Zeit passiert nichts, bis auf die Tatsache, dass es uns langsam aber sicher das Hirn aus dem Kopf brennt. Gut, kann man jetzt die grundsätzliche Frage stellen, ob bei Typen die um die ganze Welt fliegen, nur um sich dann in den Dreck zu setzen und in der prallen Sonne auf die Vorbeifahrt eines Haufens lackierten Stahls und Drähten zu warten, jemals Hirn vorhanden war???

Mir kommen gerade Zweifel. Selbst die Surferboys und Surfergirls sind da schlauer. Sie haben die Bucht geräumt, verbringen die Zeit der Mittagshitze in den Unterkünften im Schatten und kommen erst bei verträglichen Temperaturen wieder hervor. Und wir? Wir bruzzeln in der Sonne und schlagen uns bei jeder vergangenen Minuten mehr mit der Frage herum: Kommt da jetzt noch was?

Die Frage ist berechtigt, ist doch die letzte Zugfahrt schon rund 4 Stunden her! Könnte also langsam wieder etwas rollen. Und wenn ich ehrlich bin, dann wäre mir ein Nordfahrer, also ein Zug der aus dem Tunnel kommt, sogar ganz recht! Warum? Na, wegen der 9E!

Fragende Gesichter? Dann glaub ich, muss ich mal eine Sache erklären. Oder sogar zwei. Zeit haben wir ja genug wie wir hier sitzen!

Also: Bei den 9E handelt es sich um die Elloks, die anlässlich der Eröffnung des elektrischen Betriebs angeschafft wurden und die über Jahre zusammen mit Dieselloks der Reihe 34 die Traktion gestellt haben. Wie bei Maschinen für diese „Hochspannungs-Strecke“ üblich, verfügen sie über einen abgesenkten Stromabnehmer. Im Gegensatz zu den Loks der neuen Reihe 15 sitzt der weiter hinten. Zudem haben die Maschinen eine charakteristischere Kopf- und Kastenform, will meinen, sie sehen nicht aus wie all die anderen Neubaumaschinen, die aktuell beschafft werden oder wurden.

Von daher also schon mal interessant. Problem ist nur, die Lebensuhr dieser Reihe läuft ab! Und zwar in Riesenschritten, stehen doch für die OREX mittlerweile genügend modernere und deutlich stärkere 15E zur Verfügung! Zuletzt wurden die „Oldies“ daher meist auch nur noch als Schlusslok bei Erzzügen verwendet.

Genau dieser Umstand erklärt auch, warum ich gar nicht so auf einen Südfahrer erpicht bin, sondern eher auf einen Nordfahrer mit 9E als Schlusslok spekuliere.

Und da ich gerade mal dabei bin und sich auf den Schienen immer noch nichts rührt, kann ich gleich auch noch dass mit der „8 Stunden-Regel“ erklären. Die Idee stammt von Nil, der meine Rechnung mit den durchschnittlichen Zügen pro Tag etwas vereinfacht und neu interpretiert hat. Teilt man nämlich die Zahl der durchschnittlich gefahrenen Leistungen pro Woche durch 7 Tage und rundet großzügig auf, dann ergeben sich pro Tag je 3 Fahrten von beladenen und leeren Erzzügen! Und bei 24 Stunden am Tag und einen kontinuierlichen Betrieb bei Förderung, Ver- und Entladung vorausgesetzt, ergibt sich „alle 8 Stunden einen Erzzug pro Richtung“! So einfach kann die Welt sein…… auf dem Papier! Aber irgendeinen Anhalt braucht man ja.

Fatal nur, bislang scheint man sich nicht an unseren „Fahrplan“ zu halten. Oder, wir haben heute Morgen bei der Herfahrt oder gerade beim Wechsel nach Elandsbaai einen Zug verpasst. Doch halt, was ist das? Rauscht und rollt da nicht irgendetwas? Wir sind uns nicht sicher, denn die nahe Brandung erzeugt auch immer wieder Geräuschwelten, die einen leicht narren können. Aber nein, es rauscht vernehmlich im Tunnel! Und das Geräusch schwillt kontinuierlich an! Ruckzuck sind wir auf den Füßen und stehen leicht schrägt zum Tunnelausgang. Bitte lass es einen Erzzug sein, bitte lass es einen Erzug sein, bitte lass es….. „Zugloks und Mittelloks leicht quer direkt vor dem Tunnelausgang, die Schlusslok auch und dann nochmal hinterher in die Totale schießen“, so der Plan. Orange und kantig bricht es aus dem Maul des Tunnels….




An der Spitze eines Kohle-Leerzugs verlassen 15 072 und 43 071 den 840 m langen Bobbejaansberg Tunnel.





Äch Kohlewagen *grmbl* Egal! Weiter draufhalten! Man weiß nie was noch alles aus dem Tunnel kommt. Erster Block durch, nächste 15E als Mittellok, dann Wagen, Wagen, Wagen, dann Schluss!

Wir schauen der Schlange zu, wie sie die Bucht umrundet und hinter dem Ort zwischen den weißen Sanddünen verschwindet. Leichte Ernüchterung macht sich breit. Der ganze Aufwand, das Braten in der Sonne, für einen so halbseidenen Querschuss? Sicher, besser wie nichts, aber halt nicht dass, was wir erhofft hatten.

Nil kapituliert und zieht sich nach hinten in den Schatten der steilen Felswand zurück. Hoch intelligent und sinnvoll diese Aktion, nur hört man von dort nicht ob ein Zug von Süden kommt. Man sieht es nur, wenn sich die führenden Maschinen aus dem Tunnel schieben. Und dann ist es für einen weiteren Querschuss zu spät. Zugegeben, so begeistert bin ich von der Vorstellung das Bild von gerade zu wiederholen nicht, aber besser wie nichts wäre es unbestritten. So harre ich, angetan mit Basecap und Sonnencreme noch etwas länger aus. Doch nichts passiert! Und irgendwann ist dann auch für mich gut und ich treten den Rückzug an. Überhaupt hat sich eine lähmende, bleierne Schwere auf uns gelegt. Und während sich die Bucht langsam wieder mit sportlichen Menschen beiderlei Geschlechts in hautengen Neopren-Anzügen füllt, dämmern wir an einen Felsen gelehnt dahin.

Knapp zwei Stunden dauert diese Lethargie, immer zwischen hoffen und bangen, dann nimmt uns mal wieder die Sonne die Entscheidung ab, und die Uhr. Um sieben müssen wir spätestens in unserer Unterkunft in Lambert’s Bay sein. Nur ein paar Kilometer weiter, wenigstens den Gleisen entlang. Aber auf die Bahnpiste dürfen wir nicht, und so bleibt nur wieder der lange Umweg über das Hinterland. Eine halbe Stunde, so schätzen wir, sollte die Fahrt dauern. Jetzt ist es kurz vor 18.00 Uhr. Bleibt also noch Zeit das Terrain für morgen zu erkunden und zu schauen, wie weit man auf dem Sandweg um den Berg kommt. Bis kurz hinter den Tunnel, dann ist Schluss. Schilder verbieten die Weiterfahrt und nehmen uns somit auch die Chance, morgen ganz oben aufs Plateau zu kommen. Also umgedreht und mal den Tunnelausgang in Augenschein genommen. Wäre doch schön, wenn bei dem tollen Abendlicht jetzt nochmal etwas kommen würde….. und es rauscht!




Statt eines erhofften Erzzugs schießt ein Schienen-LKW von Transnet aus dem Bobbejaansberg Tunnel.





Na da hätten wir uns aber schon etwas anderes gewünscht als „Gute Nacht Bild“, als den Schienen LKW der uns schon Stunden vorher einmal in der Gegenrichtung genarrt hatte.

Noch ein kurzer Zwischenstopp an der Seehund Kolonie, dann haben wir’s aber auch schon wieder sowas von eilig! Zum einen drückt besagter Ankuftstermin in der Unterkunft, zum anderen will Nil, wie er mir gerade kund tut, unbedingt Sonnenuntergangsbilder schießen in Lambert’s Bay. Na dann mal los und auch von einer Gravel Road nicht ausbremsen lassen.




Abendruhe bei Familie Seehund!





Geht’s erst auf guten Teerstraßen in Richtung Lambert’s Bay, holpern wir die letzte 10 km über eine Gravel Road. Armes Auto!





Mal wieder kurz vor knapp fallen wir in der Unterkunft ein. Mit der freundlichen Besitzerin klären wir gleich alle Formalitäten, zahlen das Zimmer im Voraus und sagen fürs Frühstück ab, was sie nicht so ganz verstehen will. Aber wir könnten doch schon um 8.00 Uhr essen! Lieb, aber für uns schon zu spät!

Während wir noch unsere Koffer ins Zimmer rollen macht Nil schon Stress! Umziehen? Vorher noch duschen? Ne, ne, ne, kommt nicht in die Tüte! Die Sonne geht unter, und er will dabei sein! Aber, aber, aber ….. Nichts aber! Entweder du kommst jetzt so mit, oder ich fahr alleine und hol dich dann später zum Essen wieder ab! Naaa, guuut!

Kaum angekommen sitzen wir bewaffnet mit unseren Fotoapparaten auch schon wieder im Auto und düsen Richtung Meer. Unten am Ort gibt es eine kleine vorgelagerte Insel. Da soll das shooting stattfinden. Zudem befindet sich dort auch ein Lokal, und dass soll gut sein, so unsere Vermieterin. Also nix wie hin!

Nuuuur, da unten ist nichts! Also nichts was nach Zugang zu einer Insel oder nach einem bekannten Lokal aussieht. Am Ende einer Stichstraße stehen wir, eingeklemmt zwischen Fischfabrik und Werkstatt- und Gewerbegebäuden vor der Schranke der Hafenzufahrt und schauen dumm aus der Wäsche. Auch ein zweimaliges im Kreis fahren auf dem kleinen Platz bringt uns keine weitere Erkenntnis. Sonnenuntergang? Wird wohl heute aus dem Programm gestrichen. Also nicht der Untergang, sondern dessen bildliche Umsetzung. Neues primäres Ziel: Essensaufnahme. Und das heißt erstmal, das Isabellas finden. So heißt nämlich das empfohlene Lokal, das hier auch auf einem Schild beworben wird. Aber wo in Teufels Namen ist das???

Ratlos steige ich aus dem Auto und schlendere zur Bude an der Hafeneinfahrt. Das Wachpersonal dort wird sich ja auskennen. Stimmt, auf meine Frage nach dem Lokal geht prompt die Schranke auf und zwei hilfreiche Arme deuten die Zufahrt entlang in Richtung des kleinen Fischereihafens.

Dort sitzen wir nun, den leicht würzigen Duft aus der Fischfabrik in der Nase, warten auf unsere Bestellung, immer wieder berieselt von der Gischt die die Wellen, welche schwer gegen die Hafenmauer schlagen, weit über das Hafengelände schleudern.




Um im Jahre des 500-jährigen Jubiläums des Reinheitsgebotes auch den bierophilen Lesern der Berichtsreihe gerecht zu werden, hier das obligatorische Bild des dargebotenen Gerstensaftes. Wie der geneigte Betrachter unschwer erkennen kann, fühlt man sich auch im fernen Südafrika den Weisungen des bayerischen Herzogs Wilhelm IV aus dem Jahre 1516 verpflichtet und verwendet zur Herstellung des edlen Gerstensaftes nur Hopfen, Malz, Hefe und Wasser. Zumindest so suggeriert es die Banderole am Flaschenhals.





Das Essen ist ländlich, üppig und schmeckt genauso gut wie das äußerst süffige Bier. So genießen wir den ausklingenden Abend, auch wenn es zugegebener Maßen hier ohne Sonne und immer wieder berieselt durch feine Wasserschleier etwas frisch wird im T-Shirt.




Blick auf die Fischfabrik von Lambert’s Bay.





Darum bin ich dann auch froh als wir gut genährt wieder den Heimweg antreten. Nach dem Angekommen werden erst einmal alle möglichen Steckdosen mit Steckerleisten belegt, um damit dann diverse Ladegeräte zu betreiben. Im Anschluss heißt es bettfein machen. Und da hören wir es, dass unvergleichliche Mahlen von Rädern, die unter schwerer Last über die Schienen rollen. Gerade aus der Dusche raus, entere ich schnell unser Fenster und schaue in die Nacht.

Ganz hinten, da zwischen den Häusern, lässt sich die Strecke erkennen, die hier in einem weiten Bogen und auf einen Damm gebaut Lambert’s Bay umrundet. Immer lauter wird das Rollen, immer stärker das Geräusch der Motoren, die unter Höchstleistung den schweren Zug in Richtung Hafen befördern. Dann taucht endlich die Silhouette der ersten Maschinen von dem dunkler werdenden Nachthimmel auf! 15E und 43 an der Spitze ……. dann heißt es warten, während Wagen um Wagen vorbei ziehen ……. unverkennbar ein Erzzug ……. jetzt die Zugloks des zweiten Blocks, wieder eine 15E mit 43er hinten dran …… dann wieder Wagen, Wagen, Wagen ……. dann die Zugloks des dritten Blocks ……. Nein! Die Zuglok, denn es läuft nur eine einzelne 15er an der Position, ohne Dieselunterstützung! ……. dann wird’s spannend! Was läuft als Schlusslok?!? 9E? 15E? Diesel?

Ich habe das Gefühl vor Spannung fast zu platzen, so endlos folgt Wagen auf Wagen. Ich zwinge mich nicht den Blick abzuwenden und wieder an die Spitze des Zuges zu schauen, die etwas weiter hinten hinter den Häusern gegenüber erneut aufgetaucht ist. Da, es ist soweit, das Zugende! Und was schiebt nach???

Eine 15E! *hmpf*

Ich weiß gerade nicht was überwiegt!?! Die Freude darüber, nicht eine der von mir so ersehnten Maschinen gesehen zu haben, ohne Chance sie zu fotografieren. Und wenn nur mehr so wenige im Einsatz sind ist es doch auch besser wenn jetzt keine davon unterwegs ist! Oder die Sorge darüber, dass dieser Zug, nur mit modernen Loks bespannt, ein eindeutiger Hinweis ist, dass sich die Traktion der Züge massiv geändert hat. Keine 34er mehr und, vor allem, keine 9E mehr! *umpf*

Nil, den das nun weniger beschäftigt, stellt ganz andere Überlegungen an. Erratet ihr sie? Ja, genau! Er bringt die „8 Stunden-Regel“ wieder ins Spiel! Jetzt ist es 22.00 Uhr. Der nächste Zug volle Zug von den Minen käme daher so um 6.00 Uhr morgens vorbei! Definitiv zu früh! Kein Licht, keine Chance!

Also, es reicht wenn wir um 7.00 Uhr morgen aufstehen. Abmarsch wäre dann um 7.30 Uhr, spätestens! Sollte dann bis zum ersten Leerzug reichen. Oder wenn keiner kommt, für den Kohlezug von heute. Wenn der denn täglich fährt!

So ganz wohl ist uns bei der Planung nicht. Denn stimmt die Regel? Wahrscheinlich eher nicht, denn wo war dann heute der „14.00 Uhr“ Zug? Und wo die ganzen Leerzüge? Alles ziemlich wackelig, aber an irgendwas muss man ja schließlich glauben. Trotzdem bleiben Zweifel als mir die Augen zu fallen. Ich glaub ich stell den Wecker am Handy doch noch etwas vor……