Unterwegs mit den Herren Bei Ho Thsai und He Fu Bao - Teil 10
Von Neel Bechtiger
Donnerstag 27.08.2015Dieses Bett im Hotel war echt der Horror, so ein Bretthartes und unbequemes Teil (Matratze darf man das gar nicht nennen) ist mir selten untergekommen bisher. Mein Rücken und vor allem mein Kreuz tat nach dem aufstehen saumäsig weh – und sonst bin ich eigentlich hart ihm nehmen (im wahrsten Sinne des Wortes, ich schlaf auch auf Asphalt wenn es sein muss ;)). Immerhin, so hielt es mich nicht im Bett, denn bereits um 7 Uhr verliessen wir das Hotel.
Draussen war es relativ dunstig heute Früh, diesig und auch Wolkig, aber wir fahren ja weit raus aus den Städten, bis dahin sieht sicher wieder alles ganz anders aus. Wir verlängerten bevor wir das Hotel verliessen die Zimmer noch um eine Nacht und standen an der Rezeption vor der selben Frau wie gestern Abend beim Check-In. Sie sah heute Früh etwas müder aus, in der Nachtschicht war wohl viel los. Denn nebst normalen Gästen gibt es wohl auch Gäste die spät kommen und noch später wieder gehen, wobei wir von Stundenpreisen nichts gesehen haben? Aber die "Minibar" lässt darauf schliessen. Da gibts Cola, Wasser, Chips, Unterhosen, Socken und etwa 5 verschiedene arten Kondome und allerlei Gleitmittel. Äh, was für ein Hotel ist das genau? Massatsche?? :-)
Sie war heute früh in der nonverbalen Kommunikation nochmal eine ganze Ecke schlechter als gestern Abend, also sie hatte weder Lust noch Musse mich zu verstehen. Es war einfach nur mühsam, denn meine App und meine nonverbale Kommunikation sind prima. Nach langen Minuten und einem dutzend Versuchen verstand sie irgendwann und gab uns die Zimmerkarten zurück - wie kann man nur so Begriff stutzig sein? Oder ist meine nonverbale Kommunikation doch nicht so gut? Neinnein, ich zweifle eigentlich nicht! :-)
Wir fuhren raus aus der Stadt und konnten so die ganze Sache bei Tageslicht noch anschauen. Tianshui Station wirkt in der Nacht irgendwie freundlicher, aufgeräumter, bunter. Wenn es hell ist weichen graue Fassaden den kunterbunten Beleuchtungen, Tristesse einer Industriestadt.
Der Verkehr heute früh war natürlich etwas lebhafter als gestern Abend, Christof lenkte uns aber behutsam durch die ganzen Chinesen auf bekannten Wegen aufs Land. Wir legten gleich nochmal einen Tag im Tal ein heute, da gabs so viele schöne Stellen, da mussten wir einfach nochmal hin. Der Fahrer führte uns am Schluss zu einer ersten Stelle die wir uns trotz etwas diesigem Licht erlaufen wollten. Das war auch die erste Schwierigkeit des Tages, wie kommt man auf den Hügel des begehrens hinauf? Nichts leichter als dies, müsste man meinen, aber obwohl ganz oben (also gross war der Hügel nicht) ein paar Bäume standen und offensichtlich Landwirtschaft betrieben wird fanden wir keinen guten Zugang. So kletterten wir in den Geländestufen rum, durchbrachen Dickicht und Urwald und standen am Schluss, als wir gerade einen Zug verpasst hatten, am Ausblick. Ging gut ... und jetzt nochmal ein Zug bitte.
Anstatt von vorne, klar, kam erst mal etwas von hinten. Wie immer halt, nichts weiter als normal also. Das ein Personenzug war machte die Sache mal wieder ärgerlicher ... es begann heute früh also so wie es gestern aufgehört hat, mit P-Verkehr von hinten. Aber nein, so schlimm war es zum Glück nicht, wenig später kam auch bei uns ein Zug auf dem alten neuen-alten Gleis und wir konnten zufrieden zusammenräumen um an die nächste Stelle zu fahren.

Das Wetter war nicht so schön vorhergesagt, es machten bei der Fahrt ins Tal hinein viele Wolken bemerkbar, nun es war eher ein Wolkenband als verstreute Wolken. Lustig, eigentlich hätte laut Bericht eher Tianshui unter Wolken liegen müssen heute Vormittag und das Tal in der Sonne .. das es nun anders herum war lässt uns mal wieder an der Qualität von Meteoblue zweifeln.
Diese Wettergrenze zwang uns dann dazu im ganz vorderen Bereich des Tals zu bleiben. Und so taten wir wie uns geheissen. Auf Gubis OSM war von der Fahrt mit Stellenguckerei gestern Abend eine Stelle mit "Felsabbruch" gekennzeichnet. Das könnte ja jetzt gehen, auch wenn die Markierung eher mit Zweifel entstanden ist, aber wir fanden sonst keine Vormittagsstellen im oberen Talbereich.
Die Anfahrt an die Stelle war nur dank der Luftbildüberwachung von Google.cn möglich, aber so fanden wir die Stelle und man konnte wirklich stehen. Und endlich standen wir mal nicht an einer Brücke und nicht 100m weit weg ... selten genug vorgekommen bisher ;-). Nur ein potentieller Zug musste sich eilen, Stichwort Seitenlicht, und er tat es auch. Derweil wurden wir von den Bewohnern der umliegenden Häuser neugierig und mit etwas misstrauen beäugt. Eine Konversation fand aber nicht statt, die Menschen trauten sich nicht näher zu kommen und beliessen es beim zeigen, beim kichern, beim staunen und der ein oder andere auch beim gaffen.

Der Schmodder wurde hinter uns stärker und nach der Zugfahrt fuhren wir gezwungenermassen sogar noch weiter aus dem Tal hinaus. Aber da drehte gerade etwas tolles ins Licht. Eine absolut Chinesischen Stelle! Zwei Brücken, jeweils jede Strecke auf ihreren eigenen, führen übers Tal. Riesig, 2.5km lang, geschwungen. Einfach gaga. Und da konnten wir uns hinstellen, an den Brückenkopf der Brücke für Ostfahrer.
Doch bevor wir da hin kamen überraschte uns noch ein Zug auf der Fahrt zurück zur Hauptstrasse. Der Zufall wollte es das wir für ihn sogar stehen konnten, auch wenn wir dafür auf den schmalen Wegen nochmal eine Schippe Kohle beim Santana nachlegen mussten.


Unterwegs kam gleich nochmal ein Zug und als wir dann an der Stelle standen und in der Sonne schmorten kam ... tada ... gar nichts mehr. David und Christof führten eine lebhafte Diskussion über die Elektromobilität als ein Turmtriebwagen auf „unserer“ Strecke auftauchte. Auf der Brücke wurde gehalten und ein Bautrupp wurde abgeladen. Während natürlich drüben im Ostverkehr wieder ganz viel lief. Die Diskussion wurde wieder aufgenommen als die gelbe Gefahr (die hier so gar nicht gelb ist) vorbei war.


Das mit dem Bautrupp ist natürlich doof jetzt, aber jemand hat schon mal etwas vermutet in diese Richtung. Denn das Zeitfenster zwischen 8 Uhr und 15 Uhr sind die einzigen Stunden des Tages an welchen auf diesem Gleis (also für Züge in den Osten des Landes) kein Personenerker unterwegs ist. Könnte auch erklären warum gestern Abend der Verkehr nach Westen plötzlich ausblieb, denn dieses Zeitfenster ohne P-Züge ist für die Westfahrer genau in den Abendstunden. Danke liebes Chinatravel.com App mit Fahrzeiten, dann hätten wir es auch geklärt. Schade bzw. Blöd, weil so kann man auch heute am Abend kein Verkehr mehr erwarten? Abwarten ...
Wir verliessen die Stelle, wie befürchtet ohne weiteres Bild kurz nach 13 Uhr. Das Wetter hatte gedreht, im Tal sah es nun gut aus während es in Richtung Westen zusappte. Ausserdem, und das war beileibe wichtiger, begann um 14 Uhr der Personenverkehr nach Osten wieder zu rollen, bis 16 Uhr fahren nicht weniger als 9 Personenzüge durchs Tal nach Westen, die Ziele sind Lahsa, Lanzhou, Urumqui, usw., es ist also etwas zu erwarten.
Die ersten Stellen lagen schon relativ weit im Tal drin, Brücken, was sonst. Schöne Brücken wohlgemerkt.
Auf den ersten Zug liefen wir alsbald auf, ein Wendemanöver von Christof brachte zumindest mir als König ein Foto aus dem Auto heraus (der König sitzt bei uns immer hinten ... oder muss man in China solche Aussagen eher vorsichtig verwenden – dann war ich halt Parteikader!). Und so war für den Parteipräsidenten diese Stelle erledigt. Es war aber kein Ding für mein Gefolge, denn an eben diese Brücke wollten wir am Schluss nochmal. Unsere Taktik für die Personenzüge war folgende: Wir fahren weit ins Tal hinein, verpassen dabei vielleicht ein oder zwei Züge, und wechseln dann in der Laufrichtung der Züge die Stellen bis wir am Schluss wieder am Talausgang sind. Meega Clever oder? Nur kam der erste Zug ein bisschen früh ... eben dieser.

Wir drehten wieder und sahen dann hinter dem nächsten Eck einen Güterzug der draussen stand. Hmm, wird wohl nochmal überholt? Die Fahrzeiten der Personenzüge sind sehr grobe Schätzungen, denn teilweise fahren die über hunderte Kilometer ohne Fahrplanmässigen Halt (oder mein App kennt sie nicht), eine minutengenaue Hervorsage ist also schlecht möglich. Also wieder gedreht, denn wir wollten irgendwie nichts verdaddeln. Da gelang das letzte Bild für die nächsten Stunden mit gutem Licht.



Alles was folgte war einfach nur anstrengend. Zwei Züge in dieser Gegend gingen im Siffschatten ab, Punktgenau natürlich. Dann wechselten wir weiter ins Tal hinein an eine Hauptstelle heute Nachmittag. Nachdem wir die P-Züge meist nur von weiter weg oder quer fotografierten wollten wir mal nah ran, und an dieser Stelle direkt in Xiao Chuan Cun gibt es so eine.
Direkt in einem Ort parkte Christof das Auto auf eine freie Fläche direkt an der Stelle. Kaum 1min später kam jemand der da rein fahren wollte ... Lex Wilderness in seiner schönsten Form (und die Einfahrt war auch schön, sah eher nach einer Schutthalde aus ;)).
Wir sassen auf der Strasse und es wurde, wie angekündigt, mühsam. Der Schleier hatte viele Löcher, aber auch dunklere Bereiche. Und immer wenn ein Zug kam wurde es Finster, wirklich immer. Dazwischen grillierten wir uns in der Sonne, und wenn die Sonne verdeckt wurde konnte man sich sicher sein, Zugfahrt! Es rollte gewaltig und am Schluss waren wohl alle Personenzüge durch – und wir nur ein wenig angesäuert.


Wir dachten zu diesem Zeitpunkt aber noch ein Zug fehle. Es war egal, wir brauchten kühle Getränke, wir waren etwas aufgekocht. Und nebst Trinkerei kauften wir wieder komische Kekse, wie wir es immer zum Mittag zu tun pflegen. Denn irgendwie so etwas wie belegte Brote oder anderen g'scheiten Vesper scheint es nicht zu geben, ausser vielleicht (oder sogar sehr sicher) Nudelsuppe :-).
Mit den kühlen Getränken und dem Knabberzeug standen wir etwas weiter aus dem Tal hinaus (da war es nämlich wieder schöner) an eine Brücke und warteten auf diesen letzten Personenzug. Der Blick ging über die Dächer von Yan Xi Cun, mal was anders. Das Tal ist derart vielfältig, wirklich schön, hier könnte man sich sicher eine Woche vertun (Jan, dass wäre dann etwas für dich? ;)).
Zwei Züge kamen an dieser Brücke innert relativ kurzem Abstand, zwei Güterzüge wohlgemerkt. Aber wer ist schon wählerisch, denn jetzt war es anders rum, man hätte mit Pech (oder mit keinglück) auch im Schatten stehen können.
Das Wetter hat wieder gedreht, also ging es wieder raus aus dem Tal, wieder zu diesen zwei verrückten Brücken. Diesmal ging es „hinten rauf“, weit hinauf. Das Auto blieb in Di Chuan Cun
stehen, der Häusersiedlung direkt unterhalb des Berges. Auf den Bänken vor den Häusern im Ort sassen zahlreichen Chinesen (und Chinesinen) die verständlicherweise doch sehr erstaunt über unsere Anwesenheit waren. Ich hielt ihnen den Angelazettel vor die Augen, nicht dass die noch glauben wir gehen hinten in die Felder und räumen etwas ab. Sie lachten und einer zeigte sogar in die Richtung des Wegs der in die Hügel führt ... dankeschön, Eisenbahnfotografen scheinen willkommen!
Wir verbrachten zwei Stunden da oben am Berg, Variationsmöglichkeiten gab es genug. Mit der Sonne hatten wir mehr Glück als am Rest des Tages. Sogar ein Bild mit einem Güterzug auf der hinteren Brücke gelang. Wir waren zufrieden, sehr sogar. Der Tag beginnt in der Summe doch zu seinem sehr guten Tag zu werden!







Als wir vom Berg runter stiegen war der Tag eigentlich gelaufen, die Sonne sank in dichten Schmodder am Horizont, aber einen Versuch wagten wir noch. Wir fuhren deshalb nochmal etwas ins Tal hinein. An einer Brücke an der das Licht noch ganz gut passte platzierten wir uns neben dem Männchen das gewissenhaft eine neue Begrenzungslinie auf die Strasse zeichnete und uns auch wieder etwas ungläubig angeschaut (oder besser angeglotzt) hat.
Die Sonne war noch ganz gut da, als ein Zug kam zu einem Zeitpunkt an dem wir immer noch am optimieren der Stelle waren. Das war nun etwas blöd, denn als wir standen folgte nichts mehr ausser der bekannte Turmtriebwagen und ausser dem Rush an Zügen von hinten, wir sind es uns ja gewohnt von gestern, und heute ...

Wir strichen die Segel, es war aussichtslos und wir wollten wenn es nicht sein musste nicht derart spät am Hotel sein wie gestern. Wir wollen nämlich noch etwas schlaues zu Essen bekommen und nicht wieder im KFC Landen, der Speihbude Also zurück zum Hotel an der Station. Es war wieder äussert Lebhaft im Städtchen, aber wenn man weiss wo man lang muss und wo das Hotel genau liegt dann gehts doch einfacher. Ausserdem war es erst am Dämmern als wir rein gefahren sind.


Wir Duschten uns ganz schnell (aber gründlich, wir waren ganz schön verschwitzt) und gingen dann zum Essen. Ins Rsteaurant (wirklich so falsch geschrieben, und das konsequent überall). Dieses Wort blieb das einzige in Lateinischen Buchstaben, also Bestellen wir wieder blind von der Karte bzw. über die Bilder die an der Wand hingen. Das Bestellen gelang und das Essen anschliessend war äusserst Deliziös, die beste Nudelsuppe bisher in diesem China. Das Personal hatte Freude an uns und jeder wurde mal zu unserem Tisch geschickt. Nicht so einfach war die Sache mit den Getränken ... irgendwie hatte es kaum etwas und die Kühlschränke waren praktisch leer. Nimmt man im Rsteurant seine eigenen Buddeln mit? Oder muss man in der benachbarten Spielhölle besorgen? Die war auch klasse, da warf ich nach dem Essen noch ein Blick rein und das Wort Hölle passte bei der Spielhölle wie die Faust aufs Auge. Ein absolut dunkler Raum, nur von Monitoren angestrahlte Köpfe von jungen Chinesen zu sehen die, den Gesichtsausdrücken an, seit Stund' und Tag am zocken sind. Wenn man länger darin verweilen wollte müsste man mal ein Fenster öffnen und etwas frische Luft rein lassen, ob dann die spielenden Chinesen aber Freude am Tageslicht haben (und womöglich dabei sogar noch erstarren wie es eins Graf Stragula getan hatte) glaube ich nicht. Es war aber wirklich eine lustige Kiste .. und wir wurden das erste mal nicht angeglotzt :-)


Bevor es zurück ins Hotel ging durchforsteten wir noch einen (verhältnismässig) grossen Lebensmittelmark und kauften allerlei Leckereien. Unter anderem Radi Chips, da sind wir ja mal gespannt. Die Runde zum KFC für ein Nachtisch liessen wir stecken und gingen direkt in die Zimmer. Ein Eis von DIESEM KFC konnte nur die Scheisserei bedeuten, und das wollten wir gar nicht probieren ... ;)
Morgen dann gehts nach Lanzhou, 300km weiter Östlich. Um den Ort herum gibt es eine viel zahl Strecken die uns interessieren, nicht zuletzt die Lahsabahn, an die wir (oder muss ich schon wieder schreiben: ich) doch gerne noch würden.
Um eine Idee zu bekommen wie es auf diesen Strecken so aussieht sichteten wir heute Abend noch Luftbilder. Und stellten überall fest, die Chinesen Bauen wie die Wilden. Viele Spannende Abschnitte mit Kehren und Schleifen, auf mehreren Strecken, wurden durch Tunnels beseitigt. Janu, spannend genug dürfte es bleiben, auch für uns.
So schlafen wir jetzt im Strassen, Stadt, und Bahnhofslärm von Tianshui ein, auf den unbequemsten Matratzen der ganzen Welt.