Bei den grossen kleinen und den kleinen grossen Zügen...
Von Peter Hürzeler
Hallo zusammenZusammen mit meiner besseren Hälfte tummelte ich mich im Juli für anderthalb Wochen in Wales herum. Auch wenn meine bessere Hälfte sich nicht sonderlich für Eisenbahnen interessiert, so konnte ich doch mit dem Hinweis dass (Museums-)Bahnen untrennbar mit der Besichtigung von Wales verbunden sind etwas mehr Bahnfotos als andere Male herausschinden ;)
Für mich war es der zweite Besuch in der Gegend, war ich doch vor Jahren schon mal in Wales. Damals mit den Pfadfindern und daher auch nicht speziell auf Bahnfotografie aus. Kann aber sein, dass ich fallweise auf Fotos von damals zurückgreife.
Grundgedanke war ab Einstiegsort Liverpool einmal eine Runde quer durch Wales zu machen um schlussendlich wieder ab Liverpool zurückzufliegen. Flugtechnisch war dies mittels Easyjet ab Genf recht günstig machbar, der benachbarte Flughafen Manchester wäre zwar auch gegangen, nur waren dort die Flugpreise erheblich teurer, so dass wir Liverpool bevorzugten. Cardiff oder Swansea waren nicht vernünftig erreichbar.
Ab Liverpool hatten wir dann ein Mietauto und konnten uns so frei bewegen - angesichts des heute recht dünnen Eisenbahnnetzes (von Museumsbahnen abgesehen) in Wales war dies die idealste Fortbewegungsart.
Wales wurde bis in die 1960er von einer stattlichen Anzahl von Normalspurlinien durchzogen. Spätestens mit der Beeching Axe (https://en.wikipedia.org/wiki/Beeching_cuts) wurde aber ein guter Teil davon eingestellt. Mit der zweiten Welle hätte sogar praktisch das komplette Netz eingestellt werden sollen. Es kam aber nicht so weit.
Eine gute Übersicht über die noch vorhandenen Mainlines gibt es hier, jeweils auch mit Link auf Subpages über die einzelnen Bahnen mit sehr detaillierten Infos:
https://en.wikipedia.org/wiki/List_of_railway_lines_in_Great_Britain#Wales
Die Mainlines werden fast Ausnahmslos von Arriva betrieben. Auf der Linie nach Holyhead hat es zusätzlich enige Verbindungen von VirginTrains. Mit dem Süden dagegen habe ich mich nicht gross befasst, so dass ich hier nicht mit Sicherheit sagen kann ob es zumindest bis Cardiff, evtl. Swansea noch andere Betreiber gibt.
Dazu kommen natürlich eine grössere Anzahl an Museumsbahnen in Normal- und Schmalspur -> https://en.wikipedia.org/wiki/List_of_British_heritage_and_private_railways#Wales). Ein Teil der Schmalspurbahnen (nicht alle!) sind dabei unter dem Synonym Great Little Trains of Wales (https://en.wikipedia.org/wiki/Great_Little_Trains_of_Wales) zusammengefasst.
Eigentlich viel zu viel für anderthalb Wochen Ferien, zumal wie gesagt Bahn fotografieren nicht das Hauptthema der Reise war. Wenn sich aber Gelegenheiten ergaben, konnte man immer mal kurz ein paar Minuten warten und ein Foto machen. Um die Wartezeiten jeweils so kurz wie möglich zu machen waren Timetables der Bahnen eine wichtige Sache, so dass unterwegs der Stapel an Faltprospekten eine beachtliche Dicke erreichte.
Nun denn....
12.7.2015
Reisetag! Mit Easyjet ging es ab Genf nach Liverpool wo wir um 1740 Localtime ankamen. Nach dem abholen des Autos stand einzig noch eine Fahrt ins für heute gebuchte Ibis in Liverpool an. Nach etlichen Jahren wieder einmal auf der falschen Seite im Auto sitzen und auf der falschen Seite fahren, auch wenn dies gewisse Rüpelmoderatoren einer bekannte britischen Autosendung anders sehen ;)
Meiner Erfahrung nach ist weniger der Linksverkehr an sich das Problem, sondern eher das links schalten (Automatismen die fehlen) und besonders auch die Einschätzung wo man sich auf der Strasse befindet, da anderer Sichtwinkel als gewöhnlich. Wir kamen aber recht problemlos in Liverpool an und nach einem feinen Essen mit einem Ale ging es bald einmal ins Bett. Das Wetter war typisch - bedeckt mit leichtem Nieselregen...
13.7.2015
Heute ging es so richtig los. Da im Ibis Morgenessen nicht inbegriffen war, ging es ohne Stärkung los. Via Birkenhead ging es weiter nach Deeside und dann immer der North Wales Coast Line folgend bis Llandudno. Unterwegs gab es mal in einem Starbucks etwas für den Magen. Wettermässig war der Morgen sehr bescheiden. Typisch englisches Wetter mit Nieselregen.
In Llandudno fuhren wir direkt auf den Great Orme. Bei schönem Wetter ist der Great Orme ein schöner Aussichtspunkt, bei uns beschränkte sich die Aussicht darauf, dass wir sahen dass es auch in einem Kilometer Entfernung nieselte. Aber als Wales Reisender muss man sich mit derartigem Wetter arrangieren können.
Auf den Great Orme führt nebst einer (uninteressanten) Seilbahn auch die Great Orme Tramway. Der Name täuscht etwas, handelt es sich doch nicht direkt um ein Tram, sondern um eine Zweisektionen-Standseilbahn.
Im unteren Teil ist das Seil aber in der Strasse versenkt und nicht sichtbar. Zudem weisen die Wagen infolge der Rillenschienen normale Radsätze auf, so dass in den Ausweichen Schleppweichen zum Einsatz kommen, da eine normale Abtsche Ausweiche nicht funktioniert. Im oberen Teil der unteren Sektion sind die Gleise aber parallel geführt und nicht vereinigt. Zuletzt befinden sich die Antriebe beider Sektionen in der Mittelstation, so dass auf dem oberen Abschnitt das Seil umlaufend ist. Die Wagen 4/5 sind im unteren Abschnitt, 6/7 im oberen Abschnitt im Einsatz. 1-3 waren ursprünglich Frachtfahrzeuge, welche aber schon 1911 das zeitliche segneten. Früher war die Linie noch mit einer Oberleitung ausgerüstet, welche mit Rutenstromabnehmern bestrichen wurde. Die diente jedoch nicht dem Antrieb sondern der Kommunikation und wurde 1991 durch Sprechfunk abgelöst. Trotz des Wetters war die Bahn in einem 20min Takt in Betrieb was Gelegenheit zu ein paar Fotos gab:
Wagen 6 mit der Bergstation auf dem Great Orme im Hintergrund
Wagen 7 hat die Mittelstation verlassen
Die Ausweiche der oberen Sektion mit Wagen 6 & 7. Gut sichtbar auch das umlaufende Antriebsseil
Wagen 6 hat nächstens die Mittelstation erreicht. Im Hintergrund erste Häuser von Llandudno
In der Talstation wird der Wagen 4 gerade von einer Schulgruppe geentert, welche sich vom Regen nicht beeindrucken lassen
Nicht gerade üppig Platz hat die Bahn in Llandudno...
... und so quetscht sich die Great Orme Tramway durch die Gassen und um die Häuser, ganz wie ein richtiges Tram.
Das an sich geplante aufsuchen einer Fotostelle beim Castle Conwy um einen Virgin Super Voyager abzulichten tauschte ich dann angesichts des Wetters gegen einen Espresso ein. So ging es dann bald weiter immer schön der Küste entlang nach Holyhead. Hier war gerade nichts los, die Stadt bot auch nicht viel interessantes und so ging es bald weiter entlang der Küste in Richtung Caernarfon. Da aber noch ein Zug auf der North Wales Coast Line im anrauschen war, hatte man immer einen Blick auf etwelche Fotostellen. Dies gestaltete sich aber recht schwierig. Die Bahn ist auf weiten Teilen nicht neben öffentlich zugänglichen Strassen und wenn dann ist entweder die Strasse oder die Bahn so eingekrautet, dass auch wieder nicht viel geht. Etwas dass mir während den Ferien noch des öfteren Kopfschmerzen bereiten sollte. Und wenn dann mal was ging, dann hatte es sicher nirgends Platz um ein Auto hinzustellen...
Schlussendlich stand ich im Bahnhof mit dem schönen Namen Llanfairpwllgwyngyllgogerychwyrndrobwllllantysiliogogogoch oder kurz Llanfairpwll (in Timetables).
Ist aktuell der zweitlängste Bahnhofsname weltweit und wird dementsprechend auch zelebriert. Der Souvenirshop nebenan lässt grüssen. Bei meinem Erstbesuch in Wales gab es übrigens noch eine zweite Station mit einem ähnlich langen Namen. Doch davon zu einem späteren Zeitpunkt.
Was für ein Stationsschild...
158819 von Arriva Trains Wales fährt gerade ein.
Danach ging es noch bis zum heutigen Übernachtungsort Caernarfon. Die Welsh Highland Railway hatte bereits Feierabend und so blieb uns nur noch die Hotelsuche und anschliessend ein feines Essen.