Chile 2012 - Tag 6: Antofagasta - Tocopilla
Von David Gubler
Der heutige Morgen begann mit dem üblichen Frühstück mit Ammoniak-Geruch. Da es unser letztes Morgenessen in diesem Hotel war, machte ich noch ein paar Bilder von der Aussicht in der Morgendämmerung. Dabei fiel natürlich auf, dass das Wetter ziemlich schlecht war. Dies traf sich insofern nicht schlecht, als dass für heute Morgen ein Werkstatt-Besuch bei der FCAB angesagt war. Ich hätte zwar noch sehr gerne einen Morgen am Cumbre-Pass verbracht (die Nachmittagsstellen gingen uns zwar gestern aus, aber Morgenstellen gäbe es sicher noch einige), aber bei diesem Wetter brachte das natürlich nichts.Blick gegen Süden
Blick gegen Norden
So packten wir unsere sieben Sachen, tankten und fuhren anschliessend zur FCAB-Werkstatt hoch. Eigentlich wollte unsere Reiseleitung diesen Werkstattbesuch vorgängig arrangieren, aber irgendwie klappte das nicht so wirklich (offenbar kam die Anfrage nicht an die richtige Stelle und versandete irgendwo in der Verwaltung), so dass der Besuch nun mit Hilfe unseres Guides vor Ort organisiert werden musste.
Während also ein paar Verwegene versuchten, bei der Verwaltung eine Erlaubnis zu erhalten, warteten wir geduldig eine gute Stunde vor den Toren des Depots und guckten dem Eisenbahnbetrieb von aussen zu.
GR12U 1402 führt ein Dreierpärchen mit Säure-Kesselwagen aus dem Depot
Plötzlich ging es aber dann ganz schnell, und wir wurden ins Gelände geheissen, noch bevor die Vorhut zurück war. Der Werkstatt-Chef (?) war auch schon da, und nach dem üblichen Umkleide-Spass mit Warnweste und Helm konnte es losgehen. Auch hier wurde viel Wert auf Arbeitssicherheit gelegt.
Schutzbrille, Sicherheitsschuhe, Handschuhe, Gehörschutz sind obligatorisch - Oder eher "ein bisschen" obligatorisch. Interessanterweise sind hier weder Helm noch Warnweste drauf.
Dass der Chef Englisch konnte kam uns sehr entgegen. Dabei kam natürlich als erstes die Frage: "Wieso habt ihr nicht einfach mich gefragt?"... Nun ja... Da die ganze Sache jetzt recht kurzfristig sei, könne er uns leider auch nicht alles zeigen.
Der Rundgang ging dann erst mal um die Halle für den leichten Unterhalt herum. Dabei trafen wir auf ein Einzelstück der FCAB: Die FCAB besitzt rund 80 EMD-Lokomotiven bzw. EMD-Lizenzbauten der Australischen Clyde Engineering, und dazu als Exot diese eine Alco-Maschine, eine DL 535, welche ursprünglich der EFE (Empresa de Ferrocarriles del Estado, die staatliche Chilenische Eisenbahngesellschaft) gehörte, später zur AFCALP (Administrator of the Arica to La Paz Railway) kam, und schliesslich 2004 von der FCAB übernommen wurde.
Alco DL 535 1201 der FCAB
Weiter ging es um das Gebäude herum, und auf der Rückseite fanden wir eine der neuesten Rollmaterialbeschaffungen der FCAB vor.
Neues Rollmaterial für die FCAB
Nein, das ist weder Zynisch, noch Ironisch, noch eine Verarsche! Die FCAB kauft regelmässig Loks in diesem oder ähnlichem Zustand, und nach einigen Wochen Arbeit sehen die dann so aus...
Revidierter Lokkasten einer Occasions-Lok
... wobei an diesem Exemplar natürlich noch diverse Komponenten, wie z.B. Motor und Drehgestelle fehlen, aber ihr seht wie das läuft. Äusserst beeindruckend! Und tatsächlich, wenn man das Lok-Inventar der FCAB ansieht, finden sich darin ca. 60 Loks, welche allesamt ab 1978 als Occasionen beschafft und aufgearbeitet wurden. Die letzte Beschaffung einer fabrikneuen Streckenlok fand 1976 statt, total wurden nur 17 Streckendiesel überhaupt ab Werk beschafft (und eine davon gleich an Codelco weiterverkauft)! Die Loks werden aber nicht einfach nur komplett neu aufgebaut, sondern häufig auch technisch modernisiert und z.B. mit Russpartikelfiltern oder neuen Leitsystemen ausgestattet. Die Frage, welche sich mir natürlich stellte, war: Und das lohnt sich finanziell...? Da wir den Chef dabei hatten, gabs auch prompt eine kompetente Antwort: Da sie seit 30 Jahren Loks so aufarbeiten und daher Erfahrung und das nötige Personal haben, betragen die Kosten für eine frisch aufgearbeitete (quasi neuwertige) Lok so nur ein Viertel einer Neuanschaffung!
Natürlich konnten wir auch einen Blick in die Halle für den leichten Unterhalt werfen. Diese war, wie das ganze Gelände, sehr sauber und aufgeräumt - Diese Eisenbahn hat offensichtlich Geld und legt Wert auf gute Arbeitsbedingungen. Witzig war auch, dass in den Hallen der Bereich für "Besucher" markiert war - Wir durften den grauen Bereich nicht verlassen. Zuvorderst geht der Chef; für diesen gelten offensichtlich die Sicherheitsvorschriften nicht - logisch, die Mitarbeiter werden schon aufpassen, dass sie den Chef nicht übern Haufen fahren ;)
Blick durch die Halle für leichten Unterhalt
Danach gings zur Hauptwerkstatt, vor welcher auch der oben abgebildete, frisch aufgearbeitete Lokkasten stand. Als Kuriosität fand sich da auch ein steinalter Davenport 44ton-Diesel, welcher noch für Verschubarbeiten benötigt wurde; angeblich sei das weltweit eine der letzten Loks dieses Typs, welche noch im regulären Einsatz steht. Ebenfalls vor der Halle fanden wir ein paar kuriose Pflanzen-Töpfe vor; es dürfte sich dabei um ausgediente Zylinderbüchsen von Lok-Dieselmotoren handeln.
Pflanzentöpfe aus ehemaligen Lokteilen, nicht schlecht!
In der Werkstatt selber konnten wir nicht frei herum laufen, da überall emsig gearbeitet wurde. Aber natürlich gab es auch hier einen grauen Bereich, den wir betreten durften, und ein Zugang zu einem erhöhten Büro (der wohl etwas altersschwach war, es durften max. fünf oder so Leute rauf) erlaubte einen guten Überblick. Auch hier war bemerkenswert, wie sauber und aufgeräumt die Werkstatt war. Hier werden also aus Schrotthaufen neue Loks gemacht. Mal schaun, vielleicht kriege ich irgendwann noch ein Panorama auf die Reihe, aber vorerst muss dieses Bild genügen.
Blick in die Hauptwerkstätte der FCAB
Während der Führung konnten wir auch noch weitere Fragen klären. So stellte jemand fest, dass die Loks ja ein massiv unterschiedliches Lichtraumprofil haben, worauf der Werkstatt-Chef antwortete, dass die FCAB keine Profileinschränkungen hätte, welche bei Rollmaterialbeschaffungen relevant wären. Es kam auch die Frage auf, was denn das wichtigste Kriterium für den Kauf von Occasionsloks sei: Es ist die Spurweite (und nicht etwa Details wie z.B. der Zustand der Lok...). Eine Frage konnte auch ich noch stellen: Mich wunderte, dass die Gleise hier alle "in den Dreck" verlegt sind, und kein Schotterbett vorhanden ist. Anscheinend gibt es aber durchaus ein Schotterbett, aber nach dem Verlegen der Gleise werden diese mit Dreck zugedeckt (während man bei uns versucht, das Schotterbett dreck-frei zu halten, weil Dreck die mechanischen Eigenschaften des Schotterbetts verschlechtert; aber bei den hiesigen Geschwindigkeiten gelten wohl andere Kriterien).
Nun war die Führung aber vorbei, und wir konnten zum nächsten Programmpunkt übergehen: Die Fahrt nach Tocopilla. Die Strasse verläuft quasi die ganze Strecke auf einem ca. 1-3 km breiten, flachen Küstenstreifen, zwischen Meer und den ersten Ausläufern der Anden. Obwohl sich dieser Streifen direkt am Meer befindet, gibt es hier offenbar quasi keine Niederschläge und daher auch keine Vegetation. Einzig etwas Feuchtigkeit in der Luft erlaubt es offenbar einigen Kaktüssern (schweizerdeutsche Mehrzahl für Kaktus), sich in den Hängen anzusiedeln. Ein weiteres Feature waren die weissen Guano-Felsen (Guano ist auch bekannt unter dem Begriff, tschuldigung, Vogelscheisse, und ein beliebtes Düngemittel).
Abgesehen von einem kurzen Mittagshalt irgendwo unterwegs verschlief ich einen grossen Teil der Fahrt. Ich bekam aber über Funk mit, dass unser Guide offenbar versuchte, sich mit einem der Reiseleitung bekannten Lokführer der Tocopilla-Eisenbahn (Sociedad Quimica y Minera de Chile, SQM) in Verbindung zu setzen, was nach mehreren Versuchen auch gelang. Die Neuigkeiten waren mässig ermutigend: Um 14:00 sollte der allerletzte (!) mit den alten GE-Boxcabs bespannte Zug von Tocopilla nach Barriles und zurück verkehren. Was für ein Zufall! Immerhin, wir würden noch Bilder von den Boxcabs kriegen - Es hätte ja auch sein können, dass diese schon seit Monaten abgestellt sind.
Ich erwachte, als wir bei unserem Hotel vorfuhren. Wir wollten das Gepäck ausladen, da Gepäck auf den offenen Ladeflächen unserer Pickups für Fahrten durch den Staub nicht so toll ist. Das "Hotel" stellte sich dabei schnell als eher einfache und kuriose Unterkunft heraus. Dass es ein Familienbetrieb war, merkte man nur schon daran, dass da im Gang die Kinder mit den Haustieren spielten... Und kurios deshalb, weil die Zimmer keine eigentlichen Fenster nach draussen hatten, dafür welche auf den Gang! Die Betreiberin der Unterkunft war derweil reichlich irritiert, dass wir umbedingt unser Gepäck rein stellen wollten, aber einfach keine Zeit fürs Einchecken hatten - Es war Zeit für den Zug, die Bürokratie musste warten.
Die erste angepeilte Fotostelle befand sich beim "Bahnhof" Reverso, einer Spitzkehre mit Umfahrungsmöglichkeiten. Der Bahnhof ist nur über einen haarsträubenden Weg per Auto erreichbar; insbesondere die oberste Spitzkehre hatte es in sich, war es doch nicht möglich, da normal durchzufahren. Stattdessen musste man Zentimeter über dem Abgrund vor- und zurück sägen... und das mit Autos, welche aufgrund der Grösse keine Sicht auf die Abbruchkante erlaubten; so war dann manuelle Einweisung nötig. Das zweite Problem war das Parkieren; unsere Reiseleitung hatte ursprünglich die Befürchtung, dass es nicht möglich wäre, hier fünf Autos abzustellen. Nach 50 m Fahrt auf den Gleisen gab es dann aber doch eine Ecke, wo sich die Autos so hin stellen liessen, dass sie nicht vom Zug abgeräumt würden.
Der 14:00-Zug kam dann doch etwas später als gedacht, nämlich gegen 16:00 von unten her auf uns zu, und es waren tatsächlich zwei Boxcabs dran, und "unser" Lokführer drin; die Informationen waren also zumindest schon mal teilweise richtig. Im unteren Teil des Bildes sichtbar die haarsträubende Zufahrt.
GE boxcabs 601 "Andrea" und 607 "Alejandra" bergwärts unterwegs mit einem leeren Zug, kurz vor der Spitzkehre Reverso
Nachdem der Zug in der Spitzkehre angekommen war, machten wir uns wieder auf den Weg zurück zur Hauptstrasse, was wiederum nur mit einigem Rangieraufwand in der obersten Spitzkehre gelang. Das nächste Ziel war die Ausweiche Carmelita, wo normalerweise die Züge kreuzen, wenn zwei unterwegs sind. Wobei Ausweiche nicht so ganz stimmt: Es handelt sich eigentlich nur um ein Abstellgleis, wo unser von unten kommende Zug rein gestellt wurde. Von oben her kamen derweil zwei Neubauloks.
Nachdem der Leerzug ins Abstellgleis gestellt wurde, wurde er vom vollen, talfahrenden Zug passiert
Zeitlich ging die ganze Sache leider nicht so ganz auf (ja ich weiss, dieses Manko liesse sich mit Photoshop beheben...).
Anschliessend ging es zur Ausweiche Quillagua hoch, von wo aus dieser Querschuss entstand. Darunter sichtbar sind private Minen, welche mit einfachen Mitteln betrieben werden.
Unser Bergfahrer passiert einige private Minen
Die restliche Strecke bis Barriles (wo die Fahrleitung endet und die Züge daher auf Dieseltraktion umgespannt werden müssen) war lichttechnisch leider nicht so wirklich zu gebrauchen, daher gab es leider keine weiteren Zwischenstopps. In Barriles wurden die Loks nach der Ankunft dann gleich hinter einer Reihe Wagen abgestellt, so dass sie quasi unfotografierbar halb im Schatten standen, und das Bahnpersonal machte keine Anstalten mehr, die Loks irgendwie zu bewegen. Unser Guide konnte jedoch die Eisenbahner bequatschen, so dass sie die beiden Loks vorzogen und hübsch ins Abendlicht stellten. Immerhin, ein tolles Portrait von der letzten Fahrt, nicht schlecht!
GE boxcabs 601 "Andrea" und 607 "Alejandra" in Barriles. Sobald die Leistung der zweiten Lok nicht mehr benötigt wird, wird der Stromabnehmer gesenkt
Front-Ansicht
Das nächste, was nun passieren musste, war die Ankunft eines Dieselzuges aus einer Salpetergrube bei Maria Elena. Wir wollten dem Zug eigentlich entgegen fahren, aber er kam schon um die Ecke, so dass wir ihn in der Bahnhofseinfahrt erlegten.
Nr. 4 der SQM bringt einen beladenen Zug nach Barriles
Anschliessend wurde noch etwas rangiert, so dass wir die Diesellok noch neben den beiden Boxcabs fotografieren konnten, welche anschliessend an den soeben gebrachten Zug gekuppelt wurden.
Inzwischen war die Sonne aber schon arg tief. Wir stellten uns trotzdem für die Rückfahrt in einer Kurve auf; die Schatten wurden aber schnell länger, und der Zug liess sich Zeit. Wir suchten anschliessend eine neue Stelle, aber es war nichts gescheites mehr auszumachen. Als der Zug dann doch noch kam, gab es zwar noch einige halbschlaue Bilder im letzten Licht, aber die erspare ich euch. Stattdessen hier noch der Blick aufs Meer oberhalb Tocopilla.
Anschliessend suchten wir uns ein Lokal fürs Abendessen. Die Wahl fiel auf eines von vier nebeneinander liegenden kleinen Restaurants, wo es für mich Poulet mit Papas Fritas gab, was so mässig schmeckte (das Poulet war etwas gar gut durch - naja besser als roh). Interessant waren die Süssgetränke, denn z.B. das Sprite gab es in einer 1.5 Liter Glasflasche! Ich kann mich nicht erinnern, sowas jemals gesehen zu haben! Die Reiseleitung ging derweil mit "unserem" Lokführer essen, um die neuesten Infos zu kriegen.
Anschliessend machte ich noch kurzen Gebrauch vom Internetzugang (immerhin, ich kenne da teurere und schickere Hotels, die das nicht bieten) und traf dabei noch auf unsere Reiseleitung mit den neuesten Infos (mehr dazu im nächsten Teil, hihi), ehe es unter die (eher rudimentäre, aber warme) Dusche und schliesslich ins Bett ging.