Chile 2012 - Tage 1 und 2: Effretikon - Santiago
Von David Gubler
PrologSüdamerika war einer von vielen meiner weissen Flecken auf meiner Eisenbahn-Landkarte. Als vor einiger Zeit Nil erste Bilder von Chile zeigte, war für mich aufgrund der spektakulären Landschaften schnell klar, dass ich mir das selber ansehen wollte. Das grösste Hindernis, Chile selber zu erkunden waren allerdings die fehlenden Spanischkenntnisse (im Gegensatz z.B. zu Skandinavien nützt einem Englisch in Südamerika quasi nichts), und so kam mir eine Ausschreibung von Tanago für eine zweiwöchige Chile-Reise gerade recht. Ich hatte noch nie an einer solchen organisierten Eisenbahn-Reise teilgenommen, daher war das für mich auch ein Experiment, ob ich das toll finden würde oder eher nicht.
Als Vorbereitung versuchte ich dann doch, mich etwas mit der spanischen Sprache anzufreunden (so ein Selbstlernbuch), was so mässig gelang - Wie sich herausstellte, sind die Chilenen recht schwierig zu verstehen. Aber was nicht ist kann ja noch werden, fürs nächste Mal.
Noch ein Wort an unseren Reiseveranstalter: Dass in meinen Texten auch zwischendurch mal kritische Worte auftauchen, soll nicht davon ablenken, dass die Reise wirklich toll war und gut geklappt hat. An dieser Stelle ein herzliches Dankeschön an die Organisatoren!
Es ist auch die Rede davon, die Reise nächstes Jahr in ähnlicher Form erneut durchzuführen, mehr Infos dazu findet ihr wohl dann zu gegebener Zeit auf www.tanago.de (soviel Werbung darf wohl sein).
Nun, eigentlich bin ich nicht so der Reisebericht-Schreiber, aber als wir während der Reise mal einen toten Tag hatten fand ich es dann doch schade, nichts zu dokumentieren, und holte das dann nach. Jegliche Korrekturen sind jederzeit willkommen. So, nun wünsche ich viel Spass beim Lesen und vor allem Betrachten der Bilder!
20.04.2012: Effretikon - Santiago
Ok, los gehts. Alles gepackt, die Wohnung für meine Abwesenheit bereit gemacht, also ab auf den Bahnhof. Die S3 brachte mich pünktlich nach Zürich, wo ich so den 4-Minuten-"Anschluss" auf den EC in Richtung Basel erreichte, welcher aber aufgrund eines unbekannten technischen Problems erst mal Abgangsverspätung erhielt. Unterwegs unterhielten sich die Zugbegleiter angeregt über das defekte WC im Refit-Bpm 61, wie es scheint war die nur angeklebte Abdeckung mit einer Pumpe dahinter unterhalb des Lavabos abgefallen...
Etwas zu spät in Basel angekommen ging es dann gleich mal in den Burger King, man weiss ja nicht, was es da bei den Chilenen zu Essen gibt.
Eine Busfahrt und ein langweiliger Flug brachten mich nach Frankfurt, wo ich mich die nächsten 5 Stunden tot schlagen musste. Eigentlich wäre die Idee ja gewesen, dass ich ab Zürich mit der Iberia nach Madrid fliege und von dort aus mit der LAN nach Santiago de Chile, aber dieser Plan musste aufgrund des angekündigten Streiks des Iberia-Personals aufgegeben werden. Da unser Reiseveranstalter meinen Wunsch, Frankfurt (wo der LAN-Flug mit Zwischenhalt in Madrid beginnt) per Zug zu erreichen irgendwie nicht mitbekommen hatte, war dieser etwas sinnlose Zwischenhalt nötig.
Nachdem ich rausgefunden hatte, wo ich meine Bordkarte für den LAN-Flug kriegen würde (entgegen der Ansage im Flugzeug nicht am Transfer-Schalter, sondern am Check-In...) und diese dann auch tatsächlich bekam, ging ich mal in den ziemlich gammligen und abgewetzten Aufenthalts- und Aussichtsbereich des Frankfurter Flughafens. Nach einiger Wartezeit tauchten da dann die ersten bekannten (und noch unbekannten) Gesichter auf, und so war die Wartezeit schnell vorbei.
Der LAN-Flug nach Madrid war dann aber erst mal verspätet, weil der Flieger schlicht zu spät an kam. Eine gute Stunde nach Plan ging es aber dann doch noch los.
Der Flug war (Überraschung) langweilig und Ereignislos. Ich hatte befürchtet, dass aufgrund der Verspätung der Zwischenhalt in Madrid gestrichen würde, aber da dieser wohl technisch nötig war (Betanken) fand er wie geplant statt, und wir konnten uns die Füsse vertreten.
Der anschliessende Flug nach Santiago war dann verhältnismässig angenehm, ich konnte einigermassen gut schlafen. An dieser Stelle erwähnt sei noch, dass der LAN-Flieger von den Platzverhältnissen her doch einigermassen akzeptabel war (im Gegensatz z.B. zu Delta) und ein funktionierendes und mit vernünftigen Filmen ausgestattetes Bordunterhaltungssystem hatte (im Gegensatz z.B. zu, richtig, Delta ;) ).
21.04.2012: Santiago
Bei der Landung morgens in Santiago (was für ein Kontrast zur Schweiz: Ein Flughafen in der Wüste!) war unser Flug nach wie vor verspätet, wobei wir etwa eine halbe Stunde aufholen konnten. Das ganze Ankunftsprozedere mit Zettel ausfüllen, Pass stempeln, Gepäck auf Pflanzenkeime durchleuchten (!) dauerte aber dann auch noch länger als gedacht, so dass unsere Reiseleitung entschied, die eigentlich anstehende Fahrt zum Hotel auszulassen und uns direkt per Bus zum FEPASA-Depot zu befördern.
Im Bus lernten wir erst mal unseren quirligen lokalen Guide kennen, welcher bei der Ausfahrt des Parkplatzes gleich mal von der Polizei freundlich darauf hin gewiesen wurde, dass man vorne im Bus nicht stehen darf, sondern angeschnallt sitzen muss. Beim FEPASA-Depot angekommen galt es erst mal die Kleideordnung zu erstellen: Feste Schuhe, Warnweste, Helm! Frei nach dem Motto: Es stört niemanden, wenn wir auf den Gleisen herum latschen, Hauptsache richtig angezogen. Als "Umkleidekabine" musste das dreckige Trottoir, auch bekannt als öffentliches WC, dienen (uäks). An dieser Stelle machten wir auch unsere ersten Erfahrungen mit dem Chilenischen Strassenverkehr. Ich hatte eigentlich leicht marrokkanische Verhältnisse erwartet, aber nix da, alles äusserst zivilisiert und auch auf der Kreuzung herumeiernde Fussgänger werden nicht über den Haufen gefahren!
Marktstände in der Nähe des Bahnhofs, wo wir auch was zu trinken bekamen
Im Depot gab es dann primär viel Schrott bzw. Altholz zu sehen (einige nennen das euphemistisch "Eisenbahn-Archäologie"), aber da mich tote Eisenbahn nicht so interessiert zog ich ein Plätzchen im Schatten vor. Daneben wurde noch eine der letzten paar betriebsfähigen (aka. sie fahren mit Ach und Krach noch selbst) E-32 (3208) etwas herum gefahren, so dass das interessierte Publikum seine Speicherkarten füllen konnte. Interessanter fand ich da schon die alte Infrastruktur (steinzeitliche druckluftbetriebene Gleisbremsen für den Ablaufberg und eine Gleiswaage), herumliegende Lokteile (z.B. Antriebsachse mit Hohlwellenantrieb) sowie die Werkstatt, wo wir halb zerlegte Dieselloks bestaunen konnten.
Abgestellte E-17 und E-32
Die letzte "betriebsfähige" E-32, 3208
Die Lok wurde für uns etwas auf dem Bahnhofsareal rum gefahren
Pneumatische Gleisbremse des nur noch als Schrottplatz benutzten Rangierbahnhofs
Der zugehörige Ablaufberg
Die offene Werkstatt, wo gerade Dieselloks zerlegt und zusammengesetzt wurden
Ein "FRED" (Flashing Rear-End Device) zur Unterstützung von Bremsvorgängen
Ein Leckerbissen für Eisenbahnarchäologen (Schrott und vergammeltes Holz für alle Anderen)
Nach einem Mittagshäppchen (ich glaube "Italiano" hiess das Ding, im Wesentlichen ein Hot Dog mit Ketchup, Mayo und Guacamole) war der Plan, mit dem Vorortszug etwas in die Pampa raus bis Rancagua zu fahren, nach dem Motto "damit wir auch mal mit der Chilenischen Eisenbahn gefahren sind". Der erste Zug war dann aber so rammelvoll, dass wir es vorzogen, auf dem Bahnsteig eine Stunde zu warten und derweil ein paar Fotos zu machen (also nicht, dass da irgendwas gescheites dabei raus gekommen wäre...).
Uh-oh. Immerhin kann man sich nicht über fehlende Nachfrage beklagen
Zwei UT-440 (ehemals RENFE) der Metrotrén, links in neuer und rechts in alter Farbgebung, in der Estación Central de Santiago
GE U5B der EFE in der Estación Central
Wir stiegen dann schon früh in den bereitgestellten Zug, um uns Sitzplätze zu sichern. Und tatsächlich, bei der Abfahrt war auch dieser Zug vollgestopft, und leerte sich zu unserem Erstaunen sehr, sehr langsam. Die Fahrt ging flott vonstatten, aber dennoch waren wir fast anderthalb Stunden unterwegs.
An unserem Ziel Rancagua angekommen, stürmte erst mal die gesamte Gruppe aus dem Zug und über die Gleise (!), um eine bereitstehende Komposition mit der Bahnhofshalle abzulichten. Also wenn ich der Bahnhofsvorstand gewesen wäre, dann hätte ich bei diesem Anblick als erstes die Bullerei geholt. Da die Chilenen aber offensichtlich sehr tolerant sind und sich von unserem Guide beschwatzen liessen, ging das, etwas widerwillig zwar, dann doch in Ordnung. Anschliessend warteten wir noch einen unterwegs überholten Güterzug ab, der dann, mehr schlecht als recht, zwischen den Masten hindurch erlegt wurde. Da die nächste Regionalzugskomposition gleich nach dem Güterzug ausfuhr, reichte es nicht mehr auf diesen Zug, aber der nächste stand auch schon bereit.
UT-440 der Metrotrén in alter Farbgebung mit der Bahnhofshalle von Rancagua
TRANSAP-Güterzug (ein privater Betreiber) gezogen von zwei EMD SD39-3M
Zur Abfahrt bereitstehender UT-440
Nach dessen Abfahrt wurde eine Komposition in neuer Farbgebung vorgefahren
Die Bahnhofshalle innen. Unterführung gibt es keine
Zurück in Santiago fuhren wir noch ein kurzes Stück mit der U-Bahn, welche uns zum Hotel Galerias brachte.
Die Metro-Station "Universidad de Chile"
Wir genossen ein gutes Abendessen im Hotelrestaurant und nach einer kleinen Vorstellungsrunde (die bei mir traditionell nichts nützt, da ich grosse Mühe habe mir Namen zu merken) ging der erste Tag in Chile auch schon zu Ende.